Nach dem Abpfiff spielte die Stadionregie in Gelsenkirchens Arena am Sonntagabend wie üblich das Lied “Königsblauer S04” ein. “Deutscher Meister kann nur Schalke sein”, heißt es darin - eine Zeile wie ein Hohn auf die aktuelle Lage. Denn am Mittelkreis versammelte sich ein trauriger Haufen Geschlagener: Ohne Durchschlagskraft, ohne Nervenstärke - so verloren die Königslauen (nein, da fehlt kein b) ihr erstes Heimspiel in dieser Saison gegen Hertha BSC mit 0:2 (0:1), nach dem 1:2 vor einer Woche in Wolfsburg ist damit der Fehlstart perfekt. Zwei Spiele, kein Punkt - der Vizemeister kommt nicht in die Spur.
Von “Schlampigkeit” sprach Trainer Domenico Tedesco und meinte viele Ballverluste. Von “Pech” sprach Torwart und Kapitän Ralf Fährmann, er erwähnte den abgefälschten Schuss beim 0:1. Von einer “Riesenleistung” hingegen schwärmte Hertha-Trainer Pal Dardai: Nach zehn Niederlagen auf Schalke in Serie genossen die Berliner diesen Auswärtssieg ganz besonders. Und er war nicht unverdient.
Caligiuris schwacher Elfmeter
Die Schalker, bei denen der erst am Montag vom FC Bayern gekommene Nationalspieler Sebastian Rudy sein Debüt gab, hätten in Minute zwölf in Führung gehen können - oder besser: müssen. Nach einer nur scheinbar geklärten Ecke wurde der Ball noch einmal hoch auf Naldo geschlagen, der sich offenbar selbst darüber wunderte, dass er plötzlich frei vor dem Torwart stand: Das Schüsschen von Naldo war für Rune Jarstein kein Problem. Die Schalker aber protestierten - und Schiedsrichter Sascha Stegemann zeigte an: Videobeweis. Und danach: Elfmeter! Marko Grujic hatte den Ball, bevor er bei Naldo landete, mit der Hand gespielt.
Daniel Caligiuri, eigentlich ein sicherer Schütze, trat an - und schob den Ball flach links am Tor vorbei.
Schalke hatte also die Doppelchance zur Führung vertan, doch es kam noch dicker: In der 15. Minute konterten die Berliner, Javairo Dilrosun ließ Weston McKennie stehen, passte in die Mitte, wo Ondrej Duda frei zum Schuss kam - Salif Sané fälschte den Ball auch noch unhaltbar für Ralf Fährmann ab. 1:0 für Hertha, das schlug den Schalkern aufs Gemüt.
Rote Karte für Schalkes Außenangreifer Yevhen Konoplyanka
Die Verunsicherung war sichtbar. Das Anlaufen gegen die gut stehenden Berliner wurde mit zunehmender Spielzeit mühsamer, es gab technische Fehler, es gab Missverständnisse, vor allem aber gab es zu viele ungenaue Pässe.
Es fehlten zündende Ideen, es fehlten Power und Durchschlagskraft. Und wenn es schon mal schief läuft, dann auch richtig: Yevhen Konoplyanka raste bei einem Berliner Konter in der Nachspielzeit Dennis Jastrzembski hinterher und stoppte ihn regelwidrig vor der Strafraumlinie. Rote Karte für den Außenangreifer, der noch der agilste Schalker war. Es passte, dass der starke Ondrej Duda den Freistoß auch noch direkt zum 2:0 für Berlin versenkte.
Auf Trainer Domenico Tedesco kommen jetzt arbeitsreiche Wochen zu. “Wir hatten uns so viel vorgenommen für unser erstes Heimspiel, die Vorfreude war so groß”, haderte er. Und Ralf Fährmann bilanzierte: “Wir haben jetzt zweimal verloren, und das war zweimal nicht nötig. Wir müssen uns da wieder rausboxen. Ich finde, wir sollten jetzt nicht in Schwarzmalerei verfallen.”
Fährmann will nur vorbeugen. Er ist lange genug Profi, um zu wissen, dass natürlich nun zwangsläufig Erinnerungen an den Saisonstart vor zwei Jahren aufkommen. Damals verloren die Schalker fünf Spiele nacheinander, die Panik wurde von Woche zu Woche größer. Ein Blick auf den Spielplan verheißt momentan nichts Gutes: Nächster Auswärtsgegner ist in zwei Wochen Borussia Mönchengladbach, und danach kommt der Meister FC Bayern in die Arena. Für ausgeprägten Optimismus besteht also derzeit wenig Anlass.