Aber nach ein, zwei Stunden dürfte der Körper doch wieder aufnahmefähig sein.
Es wird Sie wundern, aber der große Biertrinker war ich – zumindest in meinen jungen Jahren – nicht. Aber gefeiert habe ich trotzdem. In einer solchen Situation fällt die gesamte Anspannung einer Saison von einem ab, man ist aufgewühlt und gleichzeitig stolz auf das Erreichte. Ich habe immer gedacht: „Thorsten, das kann dir keiner mehr nehmen.“ Vor vier, fünf Uhr war ich bei solchen Anlässen nie im Bett. Nach meinem Ermessen bin ich aber immer neben meiner Frau eingeschlafen (lacht).
Das klingt seriöser, als man angenommen hätte.
Na gut, nach der Deutschen Meisterschaft 1993 mit Werder – das war das Größte für mich – ging schon die Post ab. Da war ich wie ein Wildpferd, da hat mich anderthalb Tage niemand halten können.
Wer war an Ihrer Seite?
Ich kann keine Namen nennen. Aber die Leute, mit denen ich unterwegs war, die waren Hardcore pur. Zum Beispiel nach dem DFB-Pokalsieg 1997 mit dem VfB Stuttgart: Was wir da hinterher alles gemacht haben, im Foyer und überall im Hotel! Wenn ich Ihnen das jetzt erzählen würde, Ihnen würden die Haare ausfallen! Und die Zähne!
Gab es denn auch Spaßbremsen?
Nein! Wenn man Erfolg hat, muss man Spaß haben. Da musst du alles rauslassen, da darfst du nichts unterdrücken. Wer das nicht begreift, der ist fehl am Platze.
foto:firo
Nach den Feierlichkeiten geht es in den wohlverdienten Urlaub. Wie lange dauerte es, bis Sie richtig abschalten konnten?
Natürlich gilt: Man muss sich entspannen. Aber ich brauchte immer meine Zeit, um abzuschalten. Zuerst bin ich immer für ein paar Tage nach Bochum zu meiner Mama gefahren. Danach ging es irgendwo ans Meer. Und wenn ich da am Strand lag, dann kamen die inneren Rückblicke, und ich habe gedacht: „Mein Gott, was hast du geackert! Was hast du gebolzt!“ Aber nach ein paar Tagen stellt sich Zufriedenheit ein, und man kann wirklich relaxen. Ist diese Zufriedenheit von Dauer?
Auf jeden Fall! Ich spiele heute in der Traditionsmannschaft des VfL Bochum, und wenn dann einer wie Ata Lameck zu mir kommt, zu dem ich als junger Spieler aufgeblickt habe, und sagt: „Meeensch! Deutscher Meister!“ – dann ist das schon toll.
Aber wie ich Sie einschätze, haben Sie damals am Strand nicht lange auf dem Handtuch gelegen.
Auf keinen Fall! Meine Frau hat nur mit dem Kopf geschüttelt. Ich bin sogar bei unmenschlichen Temperaturen meine Kilometer gelaufen. Ich war besessen, ich war hungrig. Ich weiß, man hat viel über mich gelacht. Aber ich habe es für mich getan.
In physischer Hinsicht waren Sie absolut professionell. Abseits des Trainings hatten Sie sich nicht immer so im Griff. Den VfB Stuttgart mussten Sie 1999 verlassen, weil Sie Ihren Mitspieler Pablo Thiam rassistisch beleidigt hatten.
Ich würde es rückgängig machen, wenn ich könnte, glauben Sie mir. Ich kam nach einem halben Jahr Reha zurück ins Training, wollte zurück ins Team. Der Pablo und ich haben uns gekabbelt. Man gönnt ja dem anderen nichts! Schließlich geht es um einen Stammplatz. In der Kabine ging es verbal weiter. Dann habe ich den Bogen überspannt, nicht nachgedacht, und dieses Wort auf Pablos Flasche geschrieben („Negersaft“, Anm. d Red.). Ein dummer Witz. Es tut mir immer noch von ganzem Herzen leid.
Waren Sie erschrocken, als die Konsequenten über Sie hereinbrachen?
Ja, klar. Ich war entsetzlich naiv.
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