Der 49-Jährige ist sichtlich unzufrieden mit der Personalpolitik des Hauptstadt-Klubs und soll dies intern bei Manager Dieter Hoeneß bereits deutlich angesprochen haben. Elf Abgängen, darunter Leistungsträger wie Yildiray Bastürk und Kevin Boateng, stehen gerade einmal drei nennenswerte Neuzugänge, darunter der am Mittwoch verpflichtete Schweizer Fabian Lustenberger, gegenüber. Hoeneß verspricht zwar, dass bis zum Transferschluss am 31. August der Kader komplett sei. Bis dahin hat Hertha allerdings bereits drei Ligaspiele absolviert. Favre befürchtet daher einen Fehlstart: "Ich bin nicht die Wahrsagerin Madame Soleil. Aber als Trainer musst du bereit sein, alles zu akzeptieren." Gegenüber dem Online-Dienst des Schweizer Fernsehens äußerte sich Favre deutlich pessimistischer: "Wir riskieren mit dieser Transferpolitik einen heiklen Saisonstart."
Die Erwartungen an Favre, mit seinem Ex-Klub FC Zürich 2006 und 2007 Schweizer Meister und Trainer des Jahres, sind groß. Der als Spieler hochveranlagte Favre soll der zuletzt müde wirkenden "Alten Dame" Hertha eine Frischzellenkur verpassen, erfolgreichen und zugleich schönen Fußball spielen lassen.
Doch momentan klaffen Wunsch und Wirklichkeit noch weit auseinander, wie das mühsame 3:0 im Pokal beim Regionalligisten SpVgg Unterhaching offenbarte. Perfektionist Favre will die Fehler aus dem Spiel seiner Mannschaft knallhart vorhalten: "Wenn du glaubst, du hast gewonnen und alles ist gut, dann wirst du Probleme bekommen." Seine Spieler hätten sich noch nicht an seine Methoden und Vorstellungen von einer auf Balleroberung orientierten Taktik gewöhnt, meinte der frühere Nationalspieler: "Gerade bei taktischen Übungen muss ich noch viel korrigieren." Doch trotz aller Startschwierigkeiten hat Favre seinen Wechsel noch nicht bereut. "Die Bundesliga ist eine große Herausforderung für mich", schwärmt der Eidgenosse und formuliert angesichts der vielen offenen Baustellen ein überraschendes Ziel: "Ich will hier eine Mannschaft aufbauen, die irgendwann um den Titel mitspielt."
Dabei verweist Favre auf Parallelen zu seiner Zeit beim FC Zürich. Dort habe er für sein Meister-Ziel zunächst viel Kritik einstecken müssen, sei zwischenzeitlich gar auf einem Abstiegsplatz gelandet. Doch nach drei Jahren habe sich der Erfolg eingestellt. Die Frage ist, ob das schwierige Umfeld in Berlin diese Geduld aufbringt.