Mit der Pleite im 129. Revierderby wurden Erinnerungen an 2001 wach, als die Königsblauen ebenfalls am vorletzten Spieltag durch eine 0:1-Niederlage beim VfB Stuttgart die Spitzenposition aus der Hand gaben und im dramatischsten Bundesliga-Finale aller Zeiten den Bayern noch den Titel überlassen mussten. Diesmal ist es der VfB, der eine Woche vor dem Saisonabschluss schon die Hände an der Schale hat.
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Es dauerte einige Zeit, bis die fassungslosen Schalker in der Kabine den Schock verdaut hatten. Während nebenan ihre Dortmunder Kollegen lauthals den ersten Heimsieg gegen die Königsblauen seit dem 14. November 1998 (3:1) feierten, schwor Kapitän Marcelo Bordon seine Teamkameraden auf die allerletzte Chance ein. `Schalke hat schon in letzter Minute die Schale verloren, warum sollen wir sie jetzt nicht noch in letzter Minute gewinnen´, verkündete der Brasilianer, der 2001 noch im VfB-Trikot die Meisterträume der Gelsenkirchener mit zerstört hatte. `Wer nicht mehr dran glaubt, soll zu Hause bleiben´, sagte Bordon mit Blick auf das Heimspiel am Samstag (15.30 Uhr/live bei arena) gegen Arminia Bielefeld:
`Die Mannschaft glaubt noch dran.´ Doch Bordon muss mit seinem neuen Team nicht nur gewinnen, sein Ex-Klub darf gleichzeitig gegen Energie Cottbus auch auf keinen Fall gewinnen. `Wir spielen noch 90 Minuten, jammern können wir danach´, meinte Fabian Ernst: `Wir müssen alles versuchen und sehen, was noch drin ist.´ Trainer Slomka blickte nach dem zweiten schweren Rückschlag innerhalb von 15 Tagen gegen einen Revierrivalen eher nach unten als nach oben. `Wir hatten alle gemeinsam ein großes Ziel´, sagte der 39-Jährige und fügte mit Blick auf die Direktqualifikation zur Champions League hinzu: `Jetzt müssen wir den zweiten Platz verteidigen.´
Denn bei einer Pleite zum Saisonabschluss droht sogar der Sturz auf Rang drei. Verspielt hatten die Schalker ihre gute Ausgangsposition wie vor sechs Jahren mit der vielleicht schlechtesten Saisonleistung. Gegen den defensiv ausgerichteten BVB versagte vor allem die Offensive mit Spielmacher Lincoln und Torjäger Kevin Kuranyi, die auf dem Spielfeld kaum zu sehen und nachher schnell und kommentarlos verschwunden waren. `Wir haben scheiße gespielt, verloren und sind jetzt nur noch Zweiter´, fasste Gerald Asamoah die enttäuschende Vorstellung vor 80.708 Zuschauern im Dortmunder Hexenkessel zusammen.
Dass ausgerechnet der Erzrivale BVB zum Spielverderber wurde, schmerzte besonders. Bereits der 16. Saisontreffer von Alexander Frei nach einem Konter (44.) traf die 20.000 königsblauen Fans in Dortmund und die 70.000 35 Kilometer weiter westlich in der Schalker Arena, die das Spiel auf dem Videowürfel verfolgten, mitten ins Herz. Doch weil auch die Konkurrenten Werder Bremen und VfB Stuttgart zurücklagen, durfte der Schalker Anhang lange hoffen. Erst als um 16.49 Uhr Mario Gomez das 2:2 für den VfB in Bochum erzielte, war die Tabellenführung verloren.
Und 20 Minuten später, als Cacau Stuttgart und Ebi Smolarek (85.) den BVB zu Siegen geschossen hatten, packten die Schalker Fans ihre Meisterschalen ein und ließen ihren Tränen freien Lauf. Selbst Unikum Charly Neumann verlor den Glauben an den ersten Meistertitel seit 49 Jahren. `Der Fußball-Gott ist doch kein Schalker´, jammerte der 75-Jährige: `Er hat uns ganz schön im Stich gelassen.´ Für die Dortmunder war dagegen Feiertag. Als die geschlagenen Schalker in den Bus kletterten, sangen die BVB-Fans noch immer: `So ein Tag, so wunderschön wie heute.´ Hans-Joachim Watzke fiel nach einer turbulenten Saison mit einem versöhnlichen Abschluss ein Felsbrocken vom Herzen. `Ich bin froh, wenn diese Saison vorbei ist´, sagte der Geschäftsführer: `So etwas möchte ich nicht noch einmal durchmachen.´
Nach dem vierten Sieg in Folge und 411 Minuten ohne Gegentor ist für den einstigen Abstiegskandidaten im letzten Spiel bei Bayer Leverkusen sogar noch der Sprung in den UI-Cup möglich. `Jetzt haben wir schon wieder Druck´, meinte Watzke, `aber damit können wir gut leben.´ Mit den Schalkern zeigte der BVB-Boss Mitgefühl: `Wir haben allen Grund zur Demut und nicht zur Häme. Ich kann mich in die Situation von Schalke hineinversetzen.´