Kurz nach dem Abpfiff gab Thomas Tuchel seinem 90-minütigen Intimfeind mit ausgestrecktem Zeigefinger zu verstehen, dass er für ein neues Kapitel im Konflikt zwischen Trainern und Schiedsrichtern gesorgt hat. "Ich habe ihm gesagt, dass ich einen Bericht über ihn schreiben werde", kommentierte der zornige Coach des Fußball-Bundesligisten FSV Mainz 05 die Szene nach dem 2:1 (2:1) am Freitagabend gegen den 1. FC Nürnberg, in der er zum wiederholten Mal mit dem 4. Offiziellen Martin Petersen aneinandergeraten war.
"Das werde ich nicht mehr hinnehmen"
Die Schiedsrichter-Abteilung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) darf sich auf Post von Tuchel freuen, weil sich der Coach von dem Unparteiischen aus Stuttgart in der Ausübung seines Berufs behindert gefühlt hat. "Ich bin in arroganter und abfälliger Art in der Coaching-Zone an meiner Arbeit gehindert worden, das werde ich nicht mehr hinnehmen", sagte Tuchel: "Die Schiedsrichter haben in so einem Fall das Mittel, einen Bericht zu schreiben, und das werde ich jetzt selber einmal nutzen."
Tuchel wollte sich zwar nicht dazu äußern, was konkret vorgefallen ist ("Das mache ich nicht öffentlich"), dennoch redete der Trainer Klartext. "Wenn ich mich so benehmen würde, wie er sich mir gegenüber benommen hat, hätte ich jede Woche einen Eintrag im Spielbericht", sagte Tuchel über den 27 Jahre alten Referee: "Es geht nicht um das Prinzip des 4. Offiziellen. Es geht darum, dass ich coachen will. Wenn mich der vierte Mann daran hindert, ist das nicht hinnehmbar. Das ist nicht im Sinne des Erfinders. Sein Verhalten war nicht deeskalierend, ganz das Gegenteil. Das war über alle Maßen zuviel."
In die gleiche Kerbe wie sein als heißblütig bekannter Trainer schlug der Mainzer Manager Christian Heidel. "Das Verhalten des 4. Offiziellen war an Arroganz kaum zu überbieten. So etwas habe ich noch nie erlebt. Er war fast die ganze Zeit in unserer Coaching-Zone. Diejenigen, die rechts saßen, konnten gar nichts mehr sehen. Ich musste ihn darauf hinweisen, wo sein Arbeitsplatz ist", äußerte Heidel, der für eine neue Strategie bei der Auswahl der 4. Offiziellen plädierte: "Der vierte Mann soll an der Seitenlinie beruhigen, das sollten erfahrene Schiedsrichter übernehmen."
Fandel bekam vom Theater an der Seitenlinie nichts mit
Ein überaus erfahrener Referee stand am Freitagabend auf dem Platz. Und obwohl FIFA-Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer (Herne) von den Vorfällen an der Seitenlinie nichts mitbekommen haben will ("Ich weiß nicht, was da draußen passiert ist"), war dem 44-Jährigen offenbar bewusst, das etwas schiefgelaufen ist. "Wir werden darüber sprechen, es analysieren und gucken, was wir zukünftig besser machen können", sagte Kinhöfer.
Allerdings musste Kinhöfer nicht nur seinen jungen Kollegen in Schutz nehmen, er selbst stand auch in der Kritik. "Das war vom Gespann an Arroganz nicht zu überbieten, da hat sich keiner etwas gegeben", sagte der Nürnberger Hanno Balitsch, der nach seiner Auswechslung auf der Bank wegen Meckerns seine fünfte Gelbe Karte kassiert hatte und damit gegen Bayern München gesperrt ist.
Den Vorwurfs von Balitsch wies Kinhöfer entschieden zurück. "Wer mich kennt, der weiß, dass ich nicht arrogant bin und den Dialog mit den Spielern suche", äußerte der Schiedsrichter: "Nur wenn man ständig angesprochen wird, ständig kritisiert wird, und ständig versucht wird, Meinung zu machen, dann ist das Fass voll und dann schaltet man auch ab."