Die Vertreter von Politik und Fußball feierten den Sicherheitsgipfel in Berlin als wichtigen Schritt gegen die zunehmende Gewalt im Fußball, doch die getroffenen Maßnahmen könnten sich schnell als Bumerang erweisen. Die organisierten Fans stehen als Betroffene den Beschlüssen mehr als kritisch gegenüber und stellen den Dialog mit den Verbänden offen infrage. Und bekommen beim Hauptvorwurf, dass keine Fanvertreter zum Sicherheitsgipfel eingeladen waren, selbst aus den Reihen der Politik Unterstützung.
"Wenn wir im Sportausschuss mit Experten zur Sicherheit in Stadien diskutieren, sitzen Fanvertreter selbstverständlich mit am Tisch. Warum das bei diesem Gipfel nicht möglich war, ist mir nicht ganz verständlich", sagte Dagmar Freitag (SPD), Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestages, auf SID-Anfrage.
"Die Fans gehören mit an den Gesprächstisch" Ähnlich äußerte sich auch der FDP-Obmann Lutz Knopek: "Sicherheit in und um Stadien wird man nur erhöhen, wenn man die Fans mitnimmt. Die Fans gehören mit an den Gesprächstisch. Es sind eher Trotzreaktionen als ein Wandel zur Friedfertigkeit zu erwarten."
Die Vertreter von 53 Profivereinen hatten auf dem Sicherheitsgipfel am Dienstag in Berlin unter anderem die Erhöhung der Maximaldauer von Stadionverboten auf bis zu zehn Jahren beschlossen und darüber hinaus einen Verhaltenskodex unterzeichnet. Dieser sieht vor, den Einsatz von Pyrotechnik und jede Form von Gewalt zu verurteilen und Verstöße gegen geltendes Recht hart zu sanktionieren.
"Das ist eher kontraproduktiv und fast eine Kriegserklärung" Die organisierten Fans betonten dagegen, dass vor allem die Verschärfung der Stadionverbote eher das Gegenteil bewirken werde. "Das ist eher kontraproduktiv und fast eine Kriegserklärung. Das sind mehrere Schritte zurück", sagte Philipp Markhardt von der Fanorganisation ProFans: "Wenn das so kommt, werden wir darüber nachdenken, ob es überhaupt noch Sinn macht, sich mit dem DFB an einen Tisch zu setzen. Die Motivation wird dann eher gering sein."
Ebenso deutliche Worte fand auch Wilko Zicht vom Bündnis aktiver Fußballfans (BAFF): "Wenn man bedenkt, dass Stadionverbote weiterhin bei bloßem Verdacht ausgesprochen werden dürfen, ohne dass dem Betroffenen eine Straftat nachgewiesen werden muss, wird das die Fanszene nicht befrieden, sondern für weitere Unruhe sorgen."
Auch die am Dienstag formulierte Absage an ein Verbot von Stehplätzen in deutschen Fußballstadien, beruhigte die Kritiker nicht. Im Gegenteil. "Das wäre natürlich eine Katastrophe gewesen, aber DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erwecken den Eindruck, dass so ein Szenario schon durchgespielt wird und man nur auf einen Anlass wartet, um den Fans den Schwarzen Peter zuschieben zu können", sagte Zicht.
Weitere Straf-Maßnahmen denkbar Zwar hatten alle Beteiligten der Konferenz ihren Willen bekundet, Stehplätze erhalten zu wollen, Innenminister Friedrich jedoch ausdrücklich betont: "Ich habe mir aber auch erlaubt, deutlich zu machen, dass wir uns auch weitere Maßnahmen vorstellen können, wenn es nicht ruhig wird." Ohne Dialog scheint eine Verbesserung der Situation derzeit aber nicht möglich.
DFB-Vizepräsident Rainer Koch sagte Sky Sport News HD: "Wir werden auch in Zukunft weiterhin den Dialog mit den Fangruppierungen suchen, so wie es schon in der Vergangenheit der Fall war." Lösungen werden vor allem in Fragen der zunehmenden Fan-Gewalt und Pyrotechnik in den Stadien gesucht, die laut Koch kein Fan haben möchte. "Pyros sind weit über 1000 Grad heiß. Ein Verletzter wegen Pyro ist einer zu viel. Wir werden gemeinsam Beschlüsse erarbeiten, aber Schnellschüsse wird es nicht geben. Ich möchte, dass man friedlich zum Fußball gehen kann", äußerte der Präsident des Süddeutschen Fußballverbandes (SFV) weiter.