Schnell holt mich die Erinnerung ein. Genau. Als ich mitten in der Nacht Bad Ragaz erreicht hatte, da war an Essen schon lange nicht mehr zu denken. Die örtlichen Wirtshäuser hatten ihre Küchen längst geschlossen, ebenso die unvermeidliche Pizzeria und sogar die einzige Dönerbude der Stadt.
Schweizer Gastfreundschaft sorgt für einen Brummschädel Was soll´s, ein Bier hilft auch gegen den Heißhunger, hatte ich mir gedacht, nichtsahnend, dass sich die Einwohner der kleinen Kurstadt durchaus durch eine etwas spezielle Art von Gastfreundschaft auszeichnen. Jedenfalls hieß es schon bald: „Der 'dütsche Reporter' trinkt noch ein 'Krchügli' – auf meine Rechnung!“ Einwände waren zwecklos und so wurden aus einem Bier schließlich vier und die machten in der Summe schließlich einen ordentlichen Kater, der sicher noch deutlich schlimmer ausgefallen wäre, hätte ich dem Drängen meiner neuen Freunde nachgegeben und diese noch in den „Pöpp“ begleitet, was mir dann aber doch einen Nummer zu schlüpfrig klang, sich aber am Samstagmorgen doch lediglich als der Pub gegenüber von meinem Hotel erwies, wo die lustige Skatrunde den Abend wohl ausklingen ließ. „Hurra, hurra, der VfB ist da
Während meine neuen Freunde in Sachen Bierdurst also schon recht weit vorne dabei waren, bewegten sich Sachverstand und Interesse am Fußball eher auf bescheidenem Niveau. Zwar wusste der Jüngste meinen drei Tischnachbarn durchaus davon, dass der Deutsche Meister am Samstag erwartet würde, sogar dass dieser aus einer Stadt namens Dortmund stammt war ihm nicht unbekannt, etwas merkwürdig aber mutete es schon an, dass er sowohl mich als auch den Klub mit einem zünftigen „Hurra, hurra, der VfB ist da“ empfing. Erst meiner eher zögerliche Reaktion entnahm er, dass ihm wohl ein Fehler unterlaufen war. Jedenfalls ging er noch einmal kurz in sich und fragte dann etwas irritiert: „Nein, wie heißt der Verein nochmal? VBV?“
Na ja, immerhin fast richtig, dachte ich mir, während der Älteste meiner Begleiter, der, als wollte er jedem Klischee entsprechen, als Almöhi-Double unterwegs war, reichlich desinteressiert aus der Wäsche schaute. Allerdings mit gutem Grund, wie er sogleich aufklärte. „Seit der 'Chappi' weg ist interessiert mich Dortmund nicht mehr.“ Und ohne dass ich danach gefragt hätte, stellte er anschließend unmissverständlich klar: „Mich wirst Du am Trainingsplatz bestimmt nicht sehen.“
Ansonsten allerdings scheint durchaus eine leichte Form des Borussia-Fiebers in Bad Ragaz zu grassieren. In den Schaufenstern der Geschäfte jedenfalls haben die Einheimischen zahlreiche gelbe Schals und Trikots (vorwiegend mit Continentale-Aufdruck) drapiert, beim Tante-Emma-Laden um die Ecke grüßt der „Schweize Käse-Meister“ den „Deutschen Fußball-Meister“ und als ich, mein Kater sollte sich als doch nicht so schwerwiegend herausstellen, pünktlich am Frühstückstisch saß, da trat der Wirt mit flehentlichem Blick an meinen Tisch und sagte: „Ich hoffe nur, dass wir die Spieler auch einmal zu Gesicht bekommen.“ Ich jedenfalls bekam sie am Abend tatsächlich noch zu sehen. Beim Testspiel in Grenchen gegen den FC Zürich. Aber auch das Ergebnis dieser Partie dürfte den Almöhi nicht wirklich interessiert haben ...