Louis van Gaal hatte nicht unversucht gelassen: Nach dem katastrophalen Saisonstart des Rekordmeisters baute der Niederländer seine Startelf in Dortmund gehörig um. Edson Braafheid, der in dieser Saison noch keine einzige Minute gespielt hatte, fand sich im Signal Iduna Park plötzlich in der Startelf wieder und im Sturm wartete der FCB mit einer dicken Überraschung auf: Mario Gomez sollte gegen seinen Lieblingsgegner zurück in die Erfolgsspur gelangen. Seinen letzten Treffer hatte der glücklose Nationalstürmer schließlich am 22. Spieltag der vergangenen Saison beim 3:1-Erfolg gegen den BVB erzielt.
An diesem denkwürdigen Sonntag-Abend allerdings sollte sich der Schachzug nicht auszahlen. Zwar spielte Mario Gomez seinem Gegenspieler Neven Subotic durchaus den einen oder anderen Knoten in die Beine, ein Tor wollte ihm allerdings nicht gelingen – genauso wie seiner gesamten Mannschaft, während die Dortmunder nach schwacher erster Halbzeit im zweiten Abschnitt ein Feuerwerk abbrannten, den Rekordmeister an die Wand spielten und nun wohl endgültig den Sprung in den Kreis der ernsthaften Meisterschaftsanwärter geschafft haben.
Schon in den ersten Minuten zeigten sich die Hausherren von den bajuwarischen Personalrochaden überrascht. In der 7. Minute jedenfalls herrschte im Strafraum der Dortmunder ein heilloses Durcheinander. Nach einem Freistoß von Holger Badstuber ließen die Schwarz-Gelben Bastian Schweinsteiger völlig alleine an der Grenze des Fünfmeter-Raumes stehen und so mussten die Borussen von Glück sagen, nicht früh in Rückstand geraten zu sein.
Ohnehin wirkte der BVB in der ersten halben Stunde ungewohnt zögerlich. Immer wieder ließen sie die Bayern kombinieren, zogen sich weit zurück und waren so weit entfernt von der Dominanz, mit der sie die meisten Gegner in dieser Spielzeit mitunter beherrscht hatten. Zwar konnten sich auch die Bayern in dieser Zeit keine weiteren Chancen erspielen, doch wirkte der Rekordmeister in seiner Spielanlage reifer, als die etwas gehemmt wirkenden Hausherren, die sich, so schien es, nur all zu gut an die 1:5-Heimklatsche gegen den gleichen Gegner im Vorjahr zu erinnern schienen.
Dass es zur Halbzeit dennoch bei einem torlosen Remis blieb, lag in erster Linie an zwei Männern. Zum einen Roman Weidenfeller, der seine Elf kurz vor dem Halbzeitpfiff mit einer glänzenden Parade gegen Mario Gomez, der Neven Subotic nach einem messerscharfen Pass von Schweinsteiger im Rücken davon gelaufen war, vor einem Rückstand bewahrte (41.) und zum anderen an Gomez selber, dem einmal mehr vor dem Tor die Nerven versagten. So auch in der 45. Minute, als er nach Badstubers Ecke aus Nahdistanz neben das Dortmunder Tor köpfte.
So glücklich dieses Ergebnis nach 45 Minuten war, so stark kamen die Borussen allerdings auch aus der Kabine. Plötzlich waren die Schwarz-Gelben da und schon brannte es lichterloh im Strafraum des FCB, der die ersten beiden brenzligen Situationen aber noch glimpflich überstand: Zunächst prallten Philipp lahm und Keeper Jörg Butt unglücklich zusammen, während der Ball nur knapp am Pfosten vorbeitrudelte (47.), Sekunden später entschärfte Butt einen Kopfball von Neven Subotic (48.).
Rauften sich die Dortmunder Anhänger zu diesem Zeitpunkt noch die Haare, so sollte das Dortmunder Stadion kurz darauf explodieren: Nach einem Einwurf von Marcel Schmelzer setzte der gebbürtige Bayer Sven Bender, der einst bei 1860 München groß geworden war, entschlossen nach und brachte den Ball so zu Lucas Barrios, dessen abgefälschter Schuss unhaltbar für Butt zum 1:0 im Münchner Tor einschlug.
Naturgemäß dauerte es nicht lange, dass erstmals das bekannte Liedchen durch das Stadion schwappte, in dem die Dortmunder Fans ihre Spieler aufforderten, den Bayern die Lederhosen auszuziehen. Und tatsächlich ließen sich die Hausherren nicht lange bitten: nach einem Handspiel von Martin Demichelis nahm Nuri Sahin aus 18 Metern Maß und sorgte mit seinem genauen Freistoß endgültig für Festtagstimmung auf den Rängen, die sogar noch überschwänglicher hätte werden können, doch Lucas Barrios’ Schuss aus spitzem Winkel klatschte an den Pfosten (69.) – ansonsten hätte es wohl kein Halten mehr gegeben.
Aber auch wenn in dieser Szene eben jenes Quäntchen Glück fehlte, das die Borussia zuvor gehabt hatte – ärgern mochte sich darüber schließlich niemand mehr. Viel mehr feierte der Dortmunder Anhang seine Helden, die in den Schlussminuten noch zwei brenzlige Situationen zu überstehen hatten, ehe sie endgültig den tosenden Applaus in Empfang nehmen konnten. „Der BVB ist wieder da“, hatten die Fans kurz vor dem Ende skandiert – im Kreis der Meisterschaftskandidaten war man geneigt, in Gedanken anzufügen.