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BVB: Fans sind euphorisch
"Hauptsache am Ende vor den Blauen!"

BVB: Dortmund wird zum Karnalsverein
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Pathologie, Wirtschaftskrise und Großaktionäre sind Vergangenheit. Es gibt - so scheint es - einen neuen BVB. Und der begeistert nicht nur die eigenen Fans.

Gäbe es im wahren Leben eine Hintergrundmusik wie in Filmen, so müsste BVB-Trainer Jürgen Klopp wohl ständig von Scott Joplins „The Entertainer“ begleitet werden. Der Klassiker aus dem 20. Jahrhundert scheint nicht nur auf Grund seines Titels eigens für Klopp komponiert zu sein. Auch seine locker, flapsige Melodie, mit dem Hauch nötigen Ernstes charakterisiert aufs Beste den TV-Bundestrainer. Jürgen Klopp, so scheint es, verkörpert diese gute Stimmung, die zur Zeit von Dortmund ausschwärmt. Hätten in Dortmund die Narren das Sagen, so würde man den BVB schon als Karnevalsverein bezeichnen.

Dabei hat der Derbysieg jüngst gezeigt, dass BVB-Fans genauso feiern können. Es glich dem Sieg einer Meisterschaft. Hunderte Fans erwarteten die Profis am Rabenloh und feierten einen nach den anderen. Danach kam es zu keinen alltäglichen Szenen. Und vor allem zu solchen, die in Dortmund noch vor wenigen Jahren undenkbar waren. Kevin Großkreutz fährt mit seinem Cabrio durch die jubelnde Menge – mit Fans auf den Beifahrersitzen, Neven Subotic filmt den Mob und stimmt selbst den ein oder anderen Gesang an und Roman Weidenfeller, der kurz zuvor beim Schlusspfiff von Manuel Gräfe bei seinem 100 Meter Sprint zu den eigenen Fans wohl selbst David Odonkor hätte alt aussehen lassen, steht mittendrin und umarmt seine Anhänger.

"Die jungen Spieler machen den neuen BVB aus"

Die Fans identifizieren sich wieder mit ihren Spielern. Und die scheinen es ihrerseits mit ihrem Arbeitgeber auch zu tun, findet Marc Nucke von den "1909 Ruhrpott Stakeholders". „Typen wie Weidenfeller sind echte Borussen. Für die ist ein Derbysieg genauso geil wie für uns. Aber auch die jungen Spieler, wie Hummels, Shinji oder Bender machen den neuen BVB aus.“ Das sieht Toby Scheiblich genauso. „Wir haben endlich wieder eine Mannschaft. Das sind bodenständige Jungs. Echte Stars zum Anfassen“, so das Mitglied der BVB Suppoters Lennetal. Die neue Philosophie auf junge Spieler zu setzen, ist für Scheiblich ganz wichtig. „Es sind keine überteuerten Weltstars mehr. Das beste Beispiel ist doch unser Shinji. Der kommt für eine kleine Ausbildungsentschädigung, weiß nichtmals was Derby heißt und macht ein solches Spiel.“ Der kleine Japaner ist aber nicht der einzige, der auf Anhieb den Sprung zum Publikumsliebling geschafft hat. Mario Götze ist auch so einer.

„Der zeigt doch jedem, dass man auch von ganz unten kommen kann und es schaffen kann, in der Bundesliga zu spielen“, so Bettina Tiehl vom Fanclub „Hilter A.T.W.“ Der BVB setzt auf ein junges Team und das gefällt den Fans. Dass die meisten nicht aus der eigenen Jugend stammen, gleichzeitig aber etwa 20 ehemalige BVB-Talente in der zweiten Liga spielen, scheint den Fans egal zu sein. „Das zeigt doch nur unsere sensationalle Jugendarbeit“, so Marc Nucke.

Zeit des Geldverpulverns ist vorbei

Und dafür ist schließlich das Management verantwortlich. Auch das wird wesentlich besser bewerten als Jahre zuvor. Die Wirtschaftskrise ist für die Fans überwunden. Ehemalige Großaktionäre wie Floran Homm sind verschwunden. Gleichzeitig sind sich die Fans sicher, dass der neue Kurs des BVB ein weiteres Geldverpulvern verhindern wird. Auffällig ist vor allem das neue Licht, in dem Sportmanager Michael Zorc seit der Ära Jürgen Klopp steht. „Man hat den Eindruck, dass endlich sukzessiv eingekauft wird. Früher hat man das genommen, was der Markt hergegeben hat. Nun kaufen wir Spieler, die das System perfekt ergänzen“, findet BVB-Anhänger Julian Seehafer aus Wetter. Auch die Wegfälle von Leistungsträgern wie zuletzt von Alex Frei oder Mladen Petric bedeuten keine Verschlechterung. Mit Lucas Barrios hat der BVB einen ebenso treffsicheren Stürmer, der nebenbei wesentlich weniger im Abseits steht, als sein Schweizer Vorgänger. Der in Dortmund nicht immer glückliche Nelson Valdez, der im Sommer seine Koffer in Richtung Spanien gepackt hat, wurde durch den Polen Robert Lewandowski ersetzt. Und dieser überzeugt bislang auch. Zwar nur als Joker, seine Torquote kann sich allerdings sehen lassen.

Die Transferpolitik der Borussia war aber nicht immer so rosig. An einige Fehleinkäufe erinnert sich Bettina Tiehl aus Hilter. „Spieler wie Victor Ikpeba, 'Ike' Hässler oder später Philipp Degen haben viel Geld gekostet. Aber nie die Leistung gebracht.“ Aber nicht zuletzt ist es der Trainer, der den neuen BVB versinnbildlicht. Durch seine Rhetorik und seinen mit den Medien schafft er, dass sich die jungen Spieler in Ruhe entwickeln können.

Aber nicht zuletzt ist es die bundesweite Popularität, die Klopp seit seinen TV-Aufritten zur WM 2006 erhält, die den BVB auch für nicht Borussen sympathisch macht, findet auch Toby Scheiblich aus Lennetal. „Kloppo ist einfach ein echter Typ. Mit ihm als Trainer ist einiges drin. Ich hab bei ihm ein viel besseres Gefühl als noch unter Thomas Doll. Jetzt glaub ich, dass wir auch noch Spiele drehen können.“

Das liegt auch an der Klopp'schen Systemumstellung. Das so genannte Tannenbaum-System passt hervorragend zur Spielweise. Und bei der richtigen Taktik hat schon so mancher BVB-Trainer falsch gelegen. 2004 wollte der jetzige Bonds-Coach Bert van Marwijk unbedingt das bei holländischen Trainer beliebte "4-3-3" durchboxen. Dabei hatte der BVB nicht die richtigen Spieler im Kader, um die Flügelpositionen adäquat zu besetzten. Was machte van Marwijk also ? Er setzte den Verteidiger Leonardo Dede als Stürmer ein. Wenige Jahre später versuchte Thomas Doll eine merkwürdige Philosophie nach Dortmund zu bringen. Damit der BVB in der Offensive ein Maximum an Durschlagskraft erreichen sollte, ließ er die in die Jahre gekommenen Innenverteidiger Christian Wörns und Robert Kovac bei Angriffen gerne kurz hinter der Mittellinie stehen. Für den Gegner war es da ein leichtes Spiel die Dortmunder auszukontern.

Jürgen Klopp hat den schwarz-gelben Gral gefunden

Erst Jürgen Klopp hat den schwarz-gelben Gral gefunden. Der BVB setzt den Gegner mit klugen Angriffen unter Druck, steht aber in der Defensive sicher. Parallel zum Ex-Mainzer trat in München ein weiterer Jürgen K. seinen Dienst an. Der formulierte deutliche Ziele. Er wolle jeden Spieler jeden Tag besser machen. Was daraus geworden ist, ist allgemein bekannt. Der Jürgen K. aus Dortmund hat stillschweigend dieses Ziel in die Tat umgesetzt. Beispiele gibt es zu genüge: Nuri Sahin, Patrick Owomoyela, Mats Hummels oder Marcel Schmelzer, um nur wenige zu nennen. Einen davon hebt selbst der Trainer ganz besonders hervor. "Von allen Spielern hat wohl Marcel Schmelzer unter mir die erstaunlichste Entwicklung durchgemacht." Das sehen die Fans genauso. Elf Jahre hat der Publikumsliebling Leonardo Dede im Ruhrpott gespielt. Elf Jahre war er die unangefochtene Nummer Eins auf der linken Verteidigerpositon. Und dann kam dieser junge Schmelzer aus der eigenen Jugend, der den Brasilianer so glänzend nach seinen Kreuzbandriss vertrat. Mittlerweile scheint es undenkbar, dass jemand anderes als der Blondschopf auf der linken Seite für den BVB spielt. Dede ist zwar zur Zeit verletzt, muss sich aber hinter dem gebürtigen Madgeburger anstellen. Das hätte vor wenigen Jahren noch den Unmut der BVB-Fans erzeugt. Schmelzer ist aber einer von diesen jungen Wilden, die den neuen BVB kennzeichnen.

Von der Südtribüne hallt bereits wieder das "Wer wird Deutscher Meister ? BVB Borussia!", aber wirklich daran zu glauben, scheint kein Dortmunder. „Lieber organisch wachsen“, will Toby von der Lenne. „Die Spieler müssen Europa erst kennen lernen und sich weiterentwickeln.“ An die Meisterschaft verschwendet auch der Essener Marc Nucke keinen Gedanken. Aber eins nicht nur dem "Stakeholder" wichtig: „Hauptsache vor den Blauen!“ Und wenn der BVB so weitermacht, ist das durchaus realistisch.

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