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RWE: Lothar Dohr
"Wer ist denn der Dicke da?"

RWE: "Wer ist denn der Dicke da?"
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Lothar Dohr, besser bekannt als der "Schreck vom Niederrhein", ist eine Kultfigur unter den Fans. Mit RS sprach er über seinen Status und seine Liebe zu RWE.

Lothar Dohr ist eine lebende Legende unter den Fans von Rot-Weiss Essen. Der heutige Fanbeauftragte des Traditionsklubs ist deutschlandweit bekannt als der "Schreck vom Niederrhein".

Dohr besuchte schon im Kindesalter mit seinem Vater die Begegnungen an der Essener Hafenstraße. Im Jahr 1974, im Alter von 15 Jahren, stieg der in Essen-Dellwig geborene Dohr, zum ersten Mal "auf die Stange". Und das ausgerechnet in München bei den Bayern. Lothar stellte den RWE-Anhängern fünf Fragen, die mit einem lauten Gänsehaut erregenden "nur der RWE" beantwortet wurden. Fortan besuchte der "Schreck vom Niederrhein" alle Heimspiele sowie beinahe jede Auswärtspartie. Bei jedem RWE-Sieg wurde er von der Anhängerschaft "auf die Stange gebeten". Dohr stieg zum Ober-Fan auf.

Sein Kultstatus hatte jedoch auch negative Auswirkungen. So häuften sich Androhungen von "Konsequenzen" gegnerischer Fans vor anstehenden Auswärtsspielen, falls man Lothar in die Finger bekommen würde. Zum Glück blieben es leere Drohungen und so kann Lothar Dohr heute als Fanbeauftragter bei RWE arbeiten und somit Hobby und Beruf gleichzeitig ausüben.

Mit RS sprach das 49-Jährige RWE-Urgestein über seine Zeit als "Schreck vom Niederrhein", die Tätigkeit als Fanbeauftragter, die Liebe zu Rot-Weiss Essen und seinen großen Traum.

Lothar Dohr, Sie sind seit 35 Jahren mit Rot-Weiss Essen verbunden. Wie kam es zu der Liebe zwischen Lothar Dohr und RWE?

Meine ganze Familie war vom RWE-Virus infiziert. Anfang der 70er Jahre nahm mich mein Vater mit an die Hafenstraße. Jedoch hat es bei mir etwas gedauert bis ich so richtig Blut geleckt habe. 1973 habe ich angefangen die Heimspiele regelmäßig zu besuchen. Ein Jahr darauf habe ich dann mein erstes großes RWE-Highlight erlebt.

Die Begegnung bei den Bayern und der Beginn Ihrer Karriere auf der Stange.

Genau. 1974 spielten wir bei den großen Bayern. Das Spiel endete 2:2. Willi "Ente" Lippens erzielte beide Treffer. Zu diesem Zeitpunkt war eigentlich "Borschi" als Ober-Fan bekannt. In München war Borschi jedoch nicht vor Ort. So mutig wie ich schon immer war, habe ich beschlossen Borschi an diesem Tag zu ersetzen. Ich habe mir damals gedacht, "Lothar, du hast doch auch ein lautes Organ, versuch es einfach mal". Diesen Augenblick in München werde ich niemals vergessen.

Was für Erinnerungen haben Sie an Ihre Zeit als "Schreck vom Niederrhein"?

Eigentlich durchweg positive. Negative Augenblicke gab es jedoch auch. So habe ich zum Beispiel einmal einen Anruf von einer Frau bekommen. Diese Dame rief mich auf meiner Privatnummer an und sagte mir, dass mir Schlimmes passieren werde, wenn ich beim Auswärtsmatch in Bielefeld auf die Stange gehen sollte. Ich nahm diese Drohung nicht ernst und bin natürlich trotzdem auf die Stange gegangen und ich bin gesund geblieben.

Jetzt hat man Sie seit gut vier Jahren nicht mehr gehört. Offiziell haben Sie ja nie aufgehört, dürfen sich die Fans Hoffnung auf ein Comeback von Lothar Dohr machen?

Mein letztes Spiel auf der Stange war die Auswärtspartie bei den Amateuren von Bayer Leverkusen in der BayArena. Seit diesem Zeitpunkt wäre ich sicherlich noch mal als "Schreck vom Niederrhein" aufgetreten. Jedoch sollte es einfach nicht sein. In unserer letzten Zweitliga-Saison war ich bei den Spielen gegen Köln (2:2) und Frankfurt (4:4) bereits auf dem Weg zur Nordtribüne. Beide Male kassierten wir in der Nachspielzeit den Ausgleichstreffer. Bei solchen Nackenschlägen auf die Stange zu gehen, ist einfach unpassend. Bei den restlichen Heimspielen war die allgemeine Stimmung, aus meiner Sicht, nicht passend. Jetzt muss ich leider sagen, dass ich gesundheitlich nicht mehr auf der Höhe bin. Ich habe einen hohen Blutdruck. Zudem werde ich im November 50 Jahre alt. Ich fühle mich einfach nicht mehr so fit, wie in meinen besten Jahren. Die Fans sollten sich darauf einstellen, dass es Lothar Dohr nie mehr auf der Stange geben wird. Jedoch füge ich gerne ein Sprichwort hinzu: Man soll niemals nie sagen.

Sie haben die unpassende Atmosphäre für einen "Schreck vom Niederrhein" angesprochen. Die Essener Hafenstraße war für Ihre einzigartige Stimmung bundesweit berüchtigt. Mittlerweile muss man leider sagen, dass nicht mehr viel vom Mythos Hafenstraße übrig geblieben ist.

Das stimmt mich auch sehr traurig. Ich kann mich noch gut an Zeiten erinnern, in denen die gegnerischen Mannschaften und auch Fans mit großem Respekt und vielleicht sogar ein bisschen Angst die Reise ins Georg-Melches-Stadion angetreten haben. Doch schon seit dem Abriss der Westkurve ist einiges vom Mythos kaputt gegangen.

Warum wurde denn das Herz der RWE-Anhänger, die Westkurve, überhaupt abgerissen?

Das weiß doch bis heute kaum jemand. Angeblich war der Boden verseucht. Das ist jedoch nur ein Vorwand gewesen. Wenn der Boden verseucht gewesen wäre, dann müssten doch auch die restlichen Tribünen abgerissen werden, denn das Stadion wurde auf dem gleichen Untergrund gebaut.

Ist der Abriss der geliebten Fan-Kurve der einzige Grund für die schlechter werdende Stimmung im Georg-Melches-Stadion?

Sicherlich ist es der Hauptgrund gewesen. Dazu kommen auch andere Gründe. Es gibt das Problem zwischen den "normalen Fans" und der Ultra-Gruppierung. Die beiden Fan-Gruppen sind sich nicht "grün" untereinander. Zuletzt wurde ich selbst Zeuge einer Schlägerei zwischen den beiden Gruppen. Es ist traurig mit anzusehen, wie sich Fans eines Vereins gegenseitig hassen. Wir alle wollen doch nur das beste für unseren geliebten Klub. Das ist nur möglich, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Es darf nicht sein, dass die Ultras Fangesänge anstimmen, die niemand im Stadion kennt. Ich hoffe, dass die Stimmung nun auf der Osttribüne wieder besser wird und vor allem einheitlicher.

Sie sprechen die Ultra-Bewegung an, die auch in Essen das Sagen unter den Anhängern haben will. Wie sehen Sie die Ultras?

Die Ultras wollen natürlich am Spieltag im Vordergrund sein. Sie wollen ihre Gesänge und Choreographien so gut wie möglich präsentieren. Jedoch müssen alle Fans wissen, dass auch die Ultras mit Herzblut am Verein hängen. Die Choreographien, die die Ultras vorbereiten nehmen viel Zeit in Anspruch. Manchmal wird an diesen Choreos Monate lang gearbeitet. So etwas macht man nicht, wenn man nicht am Klub hängt.

Ihre Aufgabe als Fanbeauftragter ist es sicherlich unter anderem auch, dass sich die Fans "grün" untereinander sind. Wie kam es eigentlich zu diesem Engagement als Fanbeauftragter bei Ihrem Herzensverein?

Der Anlass war eigentlich ein ganz schlechter. 2002 haben wir in Münster den Zweitliga-Aufstieg knapp verpasst. Nach dem Spiel gab es heftige Gewaltszenen, die im überregionalen Fernsehen zu sehen waren. Es war wieder einmal ein Tiefpunkt erreicht. Nach der Randale von Münster suchten die Verantwortlichen einen Fanbeauftragten. Für diesen Posten kam eigentlich nur ich in Frage. Ich kannte alle Fan-Klubs, inklusive der Essener-Hooliganszene. Ich habe das Jobangebot sehr gerne angenommen. Von 2002 bis 2007 durfte ich sogar in Vollzeit arbeiten. Nach den beiden Abstiegen bin ich leider nur noch eine 400-Euro-Kraft. Trotz allem macht mir diese Beschäftigung unheimlichen Spaß.

Wie sieht Ihre Aufgabe als Fanbeauftragter genau aus?

Es ist natürlich wunderschön, wenn man sein Hobby mit dem Beruf verbinden kann. Der Aufgabenbereich ist vielfältig und umfasst mehr als nur Busfahrkarten verkaufen, wie einige behaupten. Der Fanbeauftragte ist praktisch das Sprachrohr zwischen den Fans und Verein. Ich stehe in engem Kontakt mit dem Fanprojekt und mit Verantwortlichen von gegnerischen Klubs, vor Heim- und insbesondere Auswärtsspielen. Wie bereits angesprochen versuche ich alles, dass sie Stimmung unter den Fans besser wird. Wenn das der Fall ist, dann kommt die legendäre Hafenstraßen-Atmosphäre wieder ein Stück näher. Um das zu erreichen, organisiere ich in gewissen Zeitabständen Fan-Treffen mit Vertretern der einzelnen Gruppierungen. Ich sehe der Zukunft, was die Fans angeht, positiv entgegen.

Dürfen Sie die anderen RWE-Anhänger als Fanbeauftragten beneiden? Sie sind bestimmt nah an der Mannschaft und dem Trainerteam dran, oder?

Leider ist das nicht mehr der Fall. Früher als Nico Schäfer noch im Verein war, wurde ich immer am Anfang der Saison dem neuen Kader vorgestellt, so wusste immer jeder Spieler wer ich bin. Nico Schäfer hat dafür gesorgt und hohen Wert darauf gelegt, dass jeder jeden im Verein kannte. Heute kennen mich nur wenige Spieler. Ich muss damit leben, dass ich manche wahrscheinlich fragen "wer ist denn der Dicke da?". Für mich persönlich ist das sehr traurig. Jedoch weiß ich auch, dass der Verein zur Zeit ganz andere Probleme hat. Ich hoffe auf bessere Zeiten.

Sie sprechen bessere Zeiten an. Herr Dohr, Sie haben mit Rot-Weiss Essen so viel erlebt. Man sagt, dass ein RWE-Fan ein ganz schweres Leben hat, da der Verein so oft negative Schlagzeilen schreibt. Ist bei Ihnen die Liebe zum Klub, trotz der vielen Enttäuschungen immer gleich geblieben?

Natürlich. Ich kann nicht viel lieben und dann wenig. An meiner Liebe zu Rot-Weiss Essen hat sich nie etwas geändert. Ich habe viele Enttäuschungen mit dem Verein erlebt. Vor allem letzte Saison war sehr enttäuschend. Der Nicht-Aufstieg aus dieser Schweineliga war ein negativer Höhepunkt. Man hat viel Geld in die Mannschaft investiert und ist als haushoher Favorit in die Serie gestartet und das Team hat auf ganzer Linie versagt. Weitere Tiefpunkte waren die Partien gegen Burghausen in der letzten Zweitliga-Saison und die verpasste Qualifikation zur 3. Bundesliga am letzten Spieltag gegen den designierten Absteiger Lübeck. Drei harte Nackenschläge in so einer kurzen Zeit sind verdammt hart.

Wie gehen Sie mit solchen Negativerlebnissen um?

Ich bin nicht jemand, der die Mannschaft zur Sau macht oder sie gnadenlos auspfeift. Das habe ich noch nie gemacht. Ich gehe mit bitteren Niederlagen anders um. Ich lese keine Zeitungen und ziehe mich zurück. Dabei denke ich dann viel nach und bin nur für wenige Menschen ansprechbar. Ich lebe mit diesem Verein, jede Niederlage nimmt mich mit.

Wir wollen nicht mehr über die negativen Ereignisse sprechen. Welche schönen Augenblicke verbinden Sie mit Rot-Weiss Essen?

Da gibt es zum Glück auch einige. Ein sehr schöner Augenblick war das Jahr 1992. In dieser Saison haben wir die Amateurmeisterschaft nach Essen geholt und zudem de Rivalen aus Gelsenkirchen im DFB-Pokal mit 2:0 zurück nach Herne-Ost geschickt. Ein wunderschönes Gefühl.Ein weiteres Highlight war natürlich die Berlin-Reise 1994. Wir haben uns in diesem Pokalfinale teuer verkauft und den Bremer-Freunden lange Paroli geboten. Leider hieß es am Ende 1:3. Doch das war ein Erlebnis. Einen Tag nach dem Endspiel haben wir die Mannschaft am Kennedyplatz gefeiert und ich habe den "Schreck vom Niederrhein" in der Innenstadt angestimmt. Ein sensationelles Ereignis, wenn ich daran zurückdenke, bekomme ich jetzt noch Gänsehaut.

Sie haben gerade den Verein aus Gelsenkirchen angesprochen und FC Schalke 04 nicht in den Mund genommen. Ist die Rivalität für Sie so groß, dass Sie Schalke nicht aussprechen?

RWE-Fans aus meiner Generation sagen immer Gelsenkirchen oder Herne-Ost. Bei den heutigen Auswärtsfahrten bezahlt man im Bus einen Euro Strafe, wenn man den Vereinsnamen des Klubs aus Gelsenkirchen ausspricht.

Jetzt bekommt RWE endlich ein neues Stadion. Glauben Sie, dass die Kluft zwischen Essen und Schalke dadurch geringer werden kann?

Das Stadion ist eine Chance auf bessere Zeiten. Jedoch muss ich sagen, dass für mich viel Wehmut dabei ist. Ich bin ein Kind des Georg-Melches-Stadion. Der Abriss der Westkurve war schon bitter. Es geht etwas Nostalgie verloren. Doch wenn ich auf meinen Verstand höre, dann muss ich sagen, dass es heute leider ohne diese Arenen nicht mehr geht. Auch wenn wir bald auch eine Arena haben, brauchen wir noch viel Zeit, bis wir uns auf Augenhöhe mit dem Klub aus Gelsenkirchen messen können. Ich träume davon, dass ich das noch erleben darf.

RWE hat ein unheimliches Potenzial, warum kann man dieses nicht ausschöpfen?

Wenn ich das nur wüsste. Normalerweise müssten wir die dritte Kraft im Pott sein. Doch hier bekommt man es einfach nicht hin, eine Mannschaft über Jahre aufzubauen. Jedes Jahr zehn neue Spieler - das geht nicht, wenn man auf Dauer erfolgreich sein will. Es gibt leider keine Identifikationsfiguren wie Willi "Ente" Lippens, Dirk "Putsche" Helmig oder Frank "Franky, Curtis" Kurth mehr. Diese Spieler waren Fan-nah. Sie haben sich für RWE den Arsch aufgerissen.

Mit dem neuen Stadion hat man wieder Hoffnung auf bessere Zeiten in Essen. Haben Sie noch einen großen Traum?

Ich hoffe, dass ich es miterleben darf, wenn Rot-Weiss Essen in der 1. Bundesliga spielt. Mein Herz schmerzt, wenn ich sehe, dass RWE in der Arena gegen die Zweitvertretung unseres großen Rivalen in einem Ligaspiel verliert. Deshalb wünsche ich mir, dass wir in den nächsten beiden Jahren zwei Aufstiege feiern dürfen und wieder zumindest in der 2. Bundesliga mit von der Partie sind.

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