Ein Pfeifkonzert schallte aus vielen Ecken der Fan-Tribüne Richtung Rasen. Der Grund dafür war kein sportlicher – der BVB führte bereits 2:1 -, sondern eine Aktion von Mitgliedern der Dortmunder Ultra-Gruppen.
Kurz vor dem Wiederanpfiff kletterten in schwarz gekleidete und mit Gesichtsmasken vermummte Ultras auf den Zaun vor der Südtribüne, um kurz darauf rot-weiße Fahnen sowie ein Spruchband mit der Aufschrift „Viele Späher, noch mehr Diebe, Eure Fahnen? Viel zu viele!“ zu präsentieren.
Die Polizei Dortmund hat anschließend Ermittlungen wegen des Verstoßes gegen das Vermummungsverbot eingeleitet – aus naheliegendem Grund allerdings gegen Unbekannt. Dies bestätigte Sprecherin Cornelia Weigandt am Montag auf Nachfrage. Stuttgarter Ultras beziehen Stellung
Bei den präsentierten Bannern handelte es sich offenbar um Fahnen, die 2010 bei einem Einbruch in einen Raum der VfB-Fanszene gestohlen worden waren. Die Stuttgarter Gruppierung „Commando Cannstatt“, deren Name auch auf einigen der rot-weißen Fahnen zu lesen war, bezog am Montag auf ihrer Website Stellung. „Das im gestrigen Spiel von Dortmund präsentierte Material wurde bei einer unehrenhaften Aktion im Jahre 2010 entwendet. Dabei wurde sich über die Fanbetreuung Zutritt zum Fahnenraum der Fanszene des VfB Stuttgart verschafft und dabei Einbruchspuren hinterlassen. Ultras ohne Ehre – Feinde unserer Bewegung“, heißt es dort.
Auf der Website von „Faszination Fankurve“ wurde konkret die Ultra-Gruppierung „Desperados“ als möglicher Täter genannt. Eine Bestätigung gibt es dafür allerdings nicht.
Die Polizei Dortmund hat indes keine Ermittlungen wegen Diebstahls eingeleitet. „Uns liegt keine Anzeige bezüglich gestohlener Materialien vor. Wir haben auch noch einmal Rücksprache mit dem VfB gehalten“, sagt Weigandt.
Fans loben Süd, kritisieren Ordner
Die Aktion der vermummten Ultras wurde von der Mehrheit der BVB-Fans mit lautstarken Pfiffen und vereinzelten „Wir sind Borussen und ihr nicht“-Rufen quittiert. Jedoch waren aus der Ultra-Szene auch bestärkende Schmähgesänge zu hören. „Egal welche Gruppierung diesen Mist abgezogen hat, dies durch Anti-Stuttgart-Sprechchöre zu unterstützen, ist genauso beschämend“, schreibt ein Fan auf der Facebook-Seite von Borussia Dortmund.
Auch versuchten weder Ordner noch die Polizei, die Ultra-Mitglieder vom Zaun zu holen. „Es ist mir unerklärlich, wie der Verein solche Szenen, wie sie sich Anfang der zweiten Hälfte am Zaun der Südtribüne abgespielt haben, zulässt. Es ist eine Schande, wie circa 20 Chaoten Gegenstände aus Raubüberfällen minutenlang "präsentieren" können, ohne dass der Ordnungsdienst einschreitet. Ebenso bedenklich, dass die Täter einfach ziehen gelassen werden ohne ihre Personalien festzustellen. Ich fand das alles sehr bedenklich und schäme mich“, schreibt ein weiterer Facebook-Nutzer dem BVB.
In einem anderen Kommentar wird es emotional: „Die Reaktion der Süd war gut, die des Ordnungspersonals leider nicht! Denn statt sich vor dem Stuttgarter Block zu versammeln und dem Treiben dieser Idioten tatenlos zuzuschauen, hätte man sie einzeln vom Zaun holen und in Gewahrsam nehmen müssen! Ich hoffe sehr, dass der BVB hier ein deutliches Zeichen setzt und diese Chaoten nie wieder ins Stadion lässt, denn wer so etwas tut, hat nicht das Recht sich Borusse zu nennen und somit auf der Süd eh nichts zu suchen!“
Polizei ergreift verdeckte Maßnahmen Im Forum des Fanmagazins „schwatzgelb.de“ gehen die Reaktionen in eine ähnliche Richtung. So schreibt ein Nutzer: „Ich habe mir gestern im Nachhinein auch die Frage gestellt, warum diese Idioten minutenlang unbehelligt auf dem Zaun sitzen konnten. Jeder im Stadion konnte sehen, dass da Diebesgut präsentiert wurde. Warum sind keine Ordner oder Polizei aufgelaufen und haben die Personalien der Leute festgestellt?“ Ein anderer User kommentiert: „Was ich gut fand: Dass die Vollidioten endlich mal vom Rest der Tribüne ausgepfiffen wurden, mit Bier beworfen worden und vom Zaun runtergezerrt worden sind.“
Die Polizei Dortmund bezieht zu ihrem Vorgehen eindeutig Stellung: „Wir haben verschiedene polizeitaktische Maßnahmen, um einzuschreiten, einige sind verdeckt, andere sind nicht verdeckt“, sagt Sprecherin Weigandt. Sie erinnert zum Beispiel an das Champions-League-Playoff-Spiel des FC Schalke gegen Paok Saloniki 2013 . Nachdem eine strittige Fahne im Schalker Block aufgetaucht war, hatten Polizisten den Bereich gestürmt. Eine solche Szene wollte man in Dortmund offenbar vermeiden. Man könne jedoch sicher sein, „dass seitens der Polizei alle notwendigen Maßnahmen ergriffen wurden“. Die Fanbeauftragten von Borussia Dortmund reagierten auf Anfrage bislang nicht.