Der Schlussmann hatte nach dem hochemotionalen St. Pauli-Spiel den Aufsichtsratsvorsitzenden Hans-Peter Villis verbal attackiert: „Er soll die Fresse halten.“ Doch während es am Samstag schon eine Aussprache zwischen Villis und Luthe gegeben hatte, fühlte sich Neururer aufgerufen noch nachzulegen.
Eine Provokation, die allein gesehen eine unglückliche Aktion darstellt. Betrachtet man aber das Gesamtpaket – die Aussagen des Trainers in den letzten sechs Wochen – dann drängt sich der Verdacht auf, Neururer habe sich emotional von der Zusammenarbeit mit den Vereinsgremien.
Noch am 20. Oktober auf der Jahreshauptversammlung hatte Hochstätter eine flammende Rede für seinen Übungsleiter gehalten, nachdem er ihn zuvor schon zweimal im Amt gehalten hatte – sogar gegen massive Widerstände aus dem Aufsichtsrat und der Öffentlichkeit. Dies untermauerte auch eine User-Umfrage bei RS: Rund 70 Prozent befanden den Zeitpunkt für eine Trennung als richtig. Es ist schwer, den Ursachen im Nachhinein auf den Grund zu gehen. Spontan fällt einem der peinliche Auftritt gegen die Münchner Löwen ein, den der ehemalige Cheftrainer in einem Pressegespräch ungewöhnlich kommentierte. Auf die Frage, wie er sich den schwachen Auftritt erklären würde, antwortete Neururer: „Da weiß ich auch nicht weiter.“ Dies verwunderte nicht nur die Medienleute, sondern auch Vorstand und Mannschaft.
Von diesem Zeitpunkt an gab es regelmäßig Neuigkeiten in der Boulevardpresse. Die Mannschaft, vom Trainer hochgelobt, wurde mit einer Aussage konfrontiert, dass Neururer „aus 14,0-Läufern keine 11,0-Läufer machen“ könne. Kurz darauf war in der „Sport Bild“ zu lesen, dass Neuru-rer in der täglichen Arbeit allein gelassen werde. Und wieder nur zwei Tage später titelte „Bild“: „Neururer geht auf die Fans los.“
Eine dramatische Entwicklung nahm die „Ehe“ Neururer/VfL nach dem Spiel in Ingolstadt. Christian Hochstätter – damit stand er nicht allein – bezeichnete die Darbietung der Lizenzspieler als „peinlich“. Offensichtlich war das Hauen und Stechen eröffnet. Am darauffolgenden Montag watschte Neururer seinen Sportvorstand in der Zeitung ab, um anschließend in der Kabine bei der Mannschaftssitzung dies in Gegenwart Hochstätters zu wiederholen.
Ausgerechnet vor dem Heimspiel gegen St. Pauli musste Hochstätter aus der Zeitung erfahren, dass Interna aus der montäglichen Mannschaftssitzung in die Öffentlichkeit geraten waren.
Fasst man diese vielen kleinen Vorkommnisse zusammen, die natürlich in Aufsichtsrat und Vorstand immer wieder diskutiert wurden, dann überrascht die Eskalation am Dienstag nicht mehr. Neururers auskunftsfreudige Art als Sprachrohr des Klubs hat den VfL medial über viele Jahre zu einem interessanten Klub gemacht. Jetzt aber scheint es so, als seien die Grenzen für die Vereinsgremien überschritten. Während es in Zukunft kein Wort mehr über den scheidenden Trainer seitens des VfL geben wird, wird der enttäuschte und gefrustete Neururer die Medienlandschaft befeuern.
In Bochum spekuliert man derweil über mögliche Nachfolger. Ganz lustig, wie plötzlich prominente Namen eine Eigendynamik entwickeln. Auf einmal hatte jemand Stefan Effenberg auf dem Bochumer Weihnachtsmarkt gesehen.
„Effe“ in Hochstätters Büro Und tatsächlich war „Effe“ am Freitag um 16 Uhr in Hochstätters Büro. 30 Minuten dauerte das Gespräch im rewirpowerSTADION, dann fuhr der „Tiger“ wieder vom VIP-Parkplatz. Hört sich spannend an, aber der Hintergrund ist banal: Effenberg war auf dem Weg zum Spiel Dortmund gegen Hoffenheim – als Sky-Experte. Da er auf der A40 lange im Stau stand, bat er seinen Freund Hochstätter um einen Kaffee. Eine Bitte, die Hochstätter nicht abschlug... Während sich der Sportvorstand auf das St. Pauli-Spiel vorbereitete, saß „Effe“ schon längst in Dortmund.