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Fußlümmelei 2010
Nicht dem Fritz sein Wetter in Essen-City

Fußlümmelei 2010: Nicht dem Fritz sein Wetter
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Nein, dem Fritz sein Wetter war es nicht, als am Samstag die Fußball-Kultur in Essen Einzug hielt. Die „Fußlümmelei 2010“ erinnerte trotzdem an das "Wunder von Bern"

Denn anders als am 4. Juli 1954, als „der Regen unaufhörlich hernieder prasselte“, war am 3. Juli 2010 praller Sonnenschein angesagt, der Willy-Brandt-Platz glich einem Glutofen. Sportlern und Kulturschaffenden wurde in der City der Kultur-Hauptstadt 2010 also alles abverlangt. Was jedoch nicht heißen sollte, das sich irgendjemand beim ersten echten Treffen von Kick und Kultur, denn nichts anderes war die „Fußlümmelei 2010“, schonen wollte. Den ganzen Tag floß der Schweiß in Strömen, bis sich am Nachmittag alle einig waren, dass es jetzt doch langsam an der Zeit sei, der deutschen Nationalmannschaft im Viertelfinale gegen Argentinien die Daumen zu drücken. Was angesichts des beeindruckenden 4:0-Erfolgs von „Jogis Jungs“ ja auch vortrefflich geklappt hat. Von „Fußlümmelei“ zu sprechen, würde angesichts der Gala-Vorstellung in Südafrika kein Mensch mehr wagen – vor gut 100 Jahren war das noch ganz anders. Doch der Fußball trat seinen Siegeszug rund um die Welt an – und ist gerade im Ruhrgebiet zur „Kultur“ geworden. Auch, aber nicht nur die des „kleinen Mannes“.

Deshalb war es für Andreas Obering nur folgerichtig, dass im Rahmen der „Fußlümmelei 2010“ auch die „Fußball-Kultur im Kultur-Hauptstadtjahr endlich einen gebührenden Rahmen bekommt.“ Andreas wer? Bekannter als unter seinem bürgerlichen Namen dürfte Obering als „der OBel“ sein, denn als solcher führte er durch das knallbunte Programm.

Ein Hauch von „Wunder von Bern“ auf dem Willy-Brandt-Platz

Wobei ihm selbst diese Verwandlung noch nicht langte: Nicht nur, wenn er das Geschehen auf dem Kunstrasen kommentierte, gab er den Zimmermann, jenen legendären Reporter, dessen Kommentar zum WM-Finale 1954 längst im allgemeinen Gedächtnis verankert ist.


Und auch wenn es auf dem „Flying Grass Carpet“, einem einzigartigen Kunstrasen-Teppich, der durch alle europäischen Kulturhauptstädte reist, nicht um soviel ging, wie seinerzeit in Wankdorf, wehte stets ein Hauch des „Wunders von Bern“ über dem Willy-Brandt-Platz. Das lag nicht allein an „Herbert Zimmermann“, der in einer Tour geflügelte Worte („Toni, du bist ein Teufelskerl!“) unterbrachte. Sondern vor allem am Wunder-von Bern-Filmteam, das sich mit den Traditionsmannschaften des VfL Bochum, Rot-Weiss Essen und der Deutschen Post-Nationalmannschaft ein rassiges Kleinfeld-Turnier lieferte. Bei allem Ehrgeiz kam bei den Partien jedoch der Spaß nicht zu kurz. So nahmen es die vermeintlichen Turnier-Sieger vom VfL klaglos hin, als der OBel verkündete, dass mit dem zehnten Treffer alle bisher geschossenen Tore annulliert würden, die Bochumer also plötzlich statt 10:3 in Führung 0:3 in Rückstand lagen.

Schließlich galt: „Heute sind alle Sieger!“ Deshalb machte die Turnierleitung nach der sechsten Begegnung das einzig Richtige und pfiff auf Platzierungen. So durfte Ulknudel Piet Klocke schließlich allen Teilnehmern Urkunden und einen Gutschein über 20 Liter Bier der Stauder Privatbrauerei aushändigen.

Feierabend hatten da aber noch nicht alle Fußballer. Beim Einlagespiel des „Kultur.Teams.2010“ gegen die Nationalmannschaft mit intellektueller Beeinträchtigung floß noch einmal jede Menge Schweiß – nicht nur ob der körperlichen Anstregung. Bei den Kulturschaffenden um Uwe Lyko alias „Herbert Knebel“ vielleicht auch, weil sie ahnten, dass es gegen die DBS-Nationalmannschaft wenig zu bestellen geben sollte. Doch die Underdogs zogen sich achtbar aus der Affäre, wenn es auch am klaren Erfolg für das DBS-Team nichts zu deuteln gab. Das feierte den Sieg und sich selbst mit dem OBel gemeinsam auf der Bühne, als sie seinen WM-Hit „So gehen die Deutschen“ wörtlich nahmen und trotz tropischer Temperaturen hüpfte, was das Zeug hielt.


Schon zuvor ging ein ums andere Mal die Post ab, nicht nur im Kunstrasen-Viereck, sondern auch davor und daneben. Schließlich sorgte erst das feine Rahmenprogramm dafür, dass die „Fußlümmelei 2010“ zu einem im Wortsinne „kulturellen“ Fußball-Turnier werden konnte. Und ohne Ben Redelings kann man sich so eine Veranstaltung gerade im Ruhrgebiet gar nicht denken. Der eingefleischte VfL-Fan wollte eigentlich aus seinem Buch „Dem Fußball sein Zuhause“ vorlesen, zog es dann aber vor, amüsante Anekdoten der legendären Pfeifen-Männer Walter Eschweiler und Wolfgang Ahlenfelder zu schildern.

Noch besser kam die Nacherzählung des folgenden Dialogs an: „Friedhelm Kobluhn und ‚Boss‘ Helmut Rahn kämpften mit allen fairen und auch unfairen Mitteln gegeneinander. Kobluhn ließ den Essener so manches Mal über den Platz rutschen, einmal sogar bis auf die Aschenbahn. Die aufgebrachten Zuschauer forderten in dieser Szene lauthals einen Platzverweis für Kobluhn. Der aber beugte sich über den in der grauen Asche liegenden Weltmeister und brüllte: ‚Markier‘ mal nicht so. Du kannst ja gar nicht Fußball spielen, sondern nur saufen.‘ Doch Helmut Rahn blickte zum RWO-Verteidiger auf und entgegnete: ‚Und du kannst beides nicht!‘“

Hirdes hat etliche Perlen in Essen, aber „No Woman“ in Kray

Eine andere Hommage an die Gastgeber-Stadt hatte Christian Hirdes im Gepäck, der Mülheimer Musik-Komödiant hat zwar in wirklich jedem Essener Stadtteil eine Freundin, aber „No Woman“ in Kray. Nach dem schrägen Bob-Marley-Cover mit Lokalkolorit setzte „Hausmeister Machulke“ noch einen drauf. Der „Facility-Manager“ der Schalker Arena ging mit dem begeisterten Publikum auf Tuchfühlung und brachte Jung („Der Onkel sieht zwar etwas schäbig aus, du brauchst aber keine Angst zu haben“) und Alt zum Lachen.

Wem Machulkes Art dann doch etwas zu direkt war, der hatte auch die Möglichkeit „nur zu gucken“ – und anzufeuern, als die Fußball-Freestyler von Julian Hollands ihre Kunststücke vorführten.

Am Schluss der „Fußlümmelei“ durfte Peter Henning, der Vorsitzende der Essener Elterninitiative zur Unterstützung krebskranker Kinder, von Schirmherr Sönke Wortmann einen Scheck über 1.000 Euro in Empfang nehmen. Diese stolze Summe zu Gunsten der guten Sache hatten die Macher des Events nicht zuletzt dem Engagement der Partner wie der Deutschen Post, readybank – die ihr soziales Engagement an einem Tombola-Stand präsentierten, RWE, der Sparkasse Essen, Schlossquelle oder Derbystar zu verdanken.

„Lümmelei lohnt sich“, stand also als Fazit, das gewiss auch Fritz Walter, einer der Helden von Bern, unterschrieben hätte. Auch wenn es am Samstag nun wirklich nicht sein Wetter war...

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