Es dauerte nur wenige Sekunden, da war das Kabinen-Selfie von Lukas Podolski mit Bundeskanzlerin Angela Merkel im Arm rund um den Globus. Und der deutsche Nationalspieler um Tausende "Follower" in aller Welt reicher. Seit das Bild am Montagabend um kurz nach halb neun gepostet wurde, hatten es am Dienstagmittag bereits 12,6 Millionen Menschen auf Facebook gesehen.
Die Fußball-WM in Brasilien, das zeigt der selbst gemachte Schnappschuss von Merkel-Fan Poldi eindrucksvoll, ist auch ein Turnier der sozialen Netzwerke: Nie twitterten die Stars mehr, nie hatten die internet-basierten Kurznachrichten auch medial eine solch große Bedeutung. Im Kampf um neue Anhänger und damit potenzielle Kunden sind die deutschen Spieler international allerdings längst nicht spitze.
"Lukas Podolski hat gezeigt, wie man sich im Internet selbst vermarkten kann. Das Foto mit Angela Merkel aus der Kabine ging binnen Sekunden um die Welt und zeigt, dass sich auch bei den deutschen Sportlern und ihren Beratern mehr und mehr das Bewusstsein entwickelt, solche Augenblicke für sich gewinnbringend zu nutzen", sagte Stefan Mellin, der als Medienberater für Profisportler für die Hamburger Agentur kaliber5 arbeitet, dem SID.
Doch auch die Politik macht sich den positiven Effekt der mit minimalem Aufwand produzierten Kurznachrichten immer mehr zu Nutzen. So wandte sich US-Präsident Barack Obama keine zwei Stunden nach dem imageträchtigen Foto der deutschen Kanzlerin per Videobotschaft ans amerikanische Team. "Auf geht's Team USA. Zeigt der Welt, aus welchem Holz wir geschnitzt sind", erklärte Obama in dem kurzen Clip des neuesten Social-Media-Dienstes "Vine" unmittelbar vor dem WM-Auftaktspiel gegen Ghana (2:1).
In der deutschen Mannschaft besitzt inzwischen fast jeder Spieler einen Account bei Facebook und Co.. Spitzenreiter in Sachen Social Media ist Mesut Özil, der bei Facebook gerade als erster deutscher Sportler die 20-Millionen-Marke an Fans überschritten hat. Bei Twitter kommt der 25-Jährige zusätzlich auf über sechs Millionen "Follower".
Und dennoch sehen die Experten noch reichlich Luft nach oben. "Im Ausland ist man schon etwas weiter, vor allem im Fußballbereich", sagte der frühere Bundesliga-Profi Hans Sarpei, der inzwischen als Social-Media-Berater arbeitet und als einer der Vorreiter im Netz Kultstatus besitzt, dem SID: "Die haben viel mehr gepostet und sind selbstbewusster."
Neben den gängigen und nicht selten sinnfreien Spaßmeldungen kreieren viele internationale Stars mit dem Ziel der Marktwertsteigerung immer häufiger auch harte Sport-Nachrichten. So teilte Torhüter Gianluigi Buffon seine Spielabsage vor dem WM-Eröffnungsspiel via Twitter als erster mit. Dem italienischen Verband wusste davon offenbar nichts und konnte mit der offiziellen Bestätigung nur noch nachziehen. Auch Kameruns Stürmerstar Samuel Eto'o kam seinem Pressechefs am Montag bei einer diagnostizierten Knieverletzung zuvor.
Im US-Sport sind solche unmittelbaren Einblicke hinter die Kulissen schon länger gang und gäbe. "Sportler nutzen die generierte Reichweite gezielt zur Fanbindung. Man positioniert sich, stärkt damit sein Image und verdient mitunter auch Geld", sagte Mellin.
Das haben längst auch die Fußballer begriffen. Bestes Beispiel dafür ist Teenie-Schwarm Cristiano Ronaldo. Der portugiesische Starstürmer versammelt über 86 Millionen Facebook-Fans hinter sich, Tendenz weiter steigend. Sein Marktwert liegt (auch dank seiner unzähligen Multimedia-Aktivitäten) inzwischen im dreistelligen Millionenbereich. Auch Italiens Mario Balotelli ist auf den Geschmack gekommen. Unmittelbar vor der WM sorgte er mit seiner via Twitter verbreiteten Verlobung für Furore.
Fabio Capello hält das ganze Gezwitscher dagegen für Firlefanz. Der russische Auswahlcoach hat seinen Spielern die Benutzung von Facebook und Co. bei der WM kurzerhand verboten. "Tweets können Probleme verursachen, wenn sie missverständlich geschrieben sind. Daher habe ich meine Spieler gebeten, vier Wochen darauf zu verzichten", sagte Capello. Für Fotos aus der Kabine, und seien sie von Poldi und Kanzlerin Merkel, hat er überhaupt nichts übrig.