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Dr. Theo Zwanziger über Jürgen Klinsmann, Angela Merkel, Christian Wörns und Bestechungsskandale

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Dr. Theo Zwanziger muss sich in diesen Tagen ein wenig wie ein Feuerwehrmann vorkommen. Hier ein kleiner Schwelbrand, dort heftig lodernde Flammen und zudem die erschreckende Aussicht auf einen mächtigen Feuersturm, der über das Land hinweg zu fegen droht.

Dr. Theo Zwanziger muss sich in diesen Tagen ein wenig wie ein Feuerwehrmann vorkommen. Hier ein kleiner Schwelbrand, dort heftig lodernde Flammen und zudem die erschreckende Aussicht auf einen mächtigen Feuersturm, der über das Land hinweg zu fegen droht. Am Dienstag versuchte der geschäftsführende Präsident des Deutschen Fußball Bundes, bei einem Besuch der BVB-Fanabteilung in Dortmund aufkeimende Zündeleien im Keim zu ersticken. Am Mittwoch wurde er gemeinsam mit Bundestrainer Jürgen Klinsmann bei Kanzlerin Angela Merkel vorstellig, um mit der Regierungschefin über die bevorstehende WM zu plaudern. Um so schöner, dass der in der WM-Vorbereitung von einem Termin zum nächsten eilende geschäftsführende DFB-Präsident dazwischen noch Zeit fand, um RevierSport zu einem Gespräch in der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main zu empfangen.

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Herr Dr. Zwanziger, wie war es am Dienstag in Dortmund?

Ich hatte schon länger eine Einladung von Herrn Watzke zu einem Gedankenaustausch mit der Führung des BVB, auch über das WM-Stadion und die Organisationsmaßnahmen vor der WM. Nach dem Florenz-Spiel haben wir telefoniert und ich habe einen Termin zugesagt, um mit den Fans in Dortmund zu reden, wie sie die aktuellen Diskussionen sehen. Ein Thema sollte sein: Können wir erwarten, dass die Zuschauer in Dortmund, das immer auch ein Nationalmannschafts-Publikum war, hinter dieser Mannschaft steht. Daher hat Herr Watzke eine Gruppe von Fans eingeladen, mit denen wir diskutiert und ausgelotet haben, was die BVB-Fans derzeit denken und ob wir etwas tun können, um auf das Publikum zuzugehen. Es war ein sehr gutes Gespräch!

Die Stimmung war also positiv Ihnen gegenüber?

Wie sich das gehört, haben die Jungs kritisch ihre Sicht der Dinge geschildert. Das war auch gut so. Eine größere Rolle spielte der Eindruck, der dort entstanden war, dass wir dort Meinungsäußerungen unterbinden wollen. Das ist überhaupt nicht der Fall. Ich habe ganz klar erklärt, dass der DFB alles zulassen wird, was mit der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Wir sind doch nicht kritikresistent, die Fans müssen sich artikulieren können, sonst macht die ganze Emotionalität im Fußball doch gar keinen Spaß. Wir waren uns dann aber auch einig, dass man, wenn der Schiedsrichter anpfeift, alle hinter unserer National-Mannschaft stehen sollen. Wie alle Fans in Deutschland wollen doch auch sie den Trainer und die Spieler unterstützen, dass sie eine gute WM erleben.

Ihr „Vize“ Rolf Hocke hat geäußert, er habe Angst vor dem Länderspiel nächsten Mittwoch. Sie auch?

Wer Angst hat, zu einem Fußballspiel zu gehen, sollte weg bleiben. Angst hat im Fußballsport nichts verloren. Ich freue mich auf dieses Spiel und hoffe, dass wir nach dem Tiefpunkt in Florenz am kommenden Mittwoch wieder ein Erfolgserlebnis feiern können. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass die Mannschaft eine positive Reaktion zeigen wird.

Was haben die Anhänger in Dortmund zum Thema Christian Wörns gesagt?

Natürlich ist jeder Fan eines Clubs daran interessiert, dass seine Lieblinge in der Nationalmannschaft spielen und sieht diese im Vergleich mit Spielern von anderen Vereinen naturgemäß etwas besser. Ich wünsche mir natürlich als Gladbach-Fan, dass fünf Spieler von meiner Borussia dabei sind. Auch diesen Wunsch erfüllt mir Jürgen Klinsmann nicht. Deshalb müssen wir einfach akzeptieren, dass der Bundestrainer für den Weg der Mannschaft verantwortlich ist, das sportliche Bild wird durch ihn vorgegeben. Gegen seine Entscheidung gibt es nun einmal kein Rechtsmittel.

Teilen Sie denn Jürgen Klinsmanns Einschätzung, dass Christian Wörns nicht ins Konzept der Mannschaft passt?

Diese Entscheidungen muss der Bundestrainer treffen, die kann und will ich nicht korrigieren und auch nicht kommentieren. Er geht seinen Weg. Weil wir bei der Euro 2004 eine sehr routinierte Mannschaft hatten, hat er den Kader nach seinem Amtsantritt sofort. Er setzt auf die Jugend und die Perspektive in späteren Jahren. Jungen Spielern kann man durchaus zutrauen, dass sie sich während eines Turniers richtig steigern können.

Christian Wörns hat sich durch seine unverhohlenen kritischen Äußerungen gegenüber Klinsmann schließlich wohl selbst aus dem WM-Kader katapultiert. Die BVB-Fans aber sehen ihn jede Woche seine Leistung bringen, während Christoph Metzelder, der einen Platz im deutschen Aufgebot hat, bei der Borussia nur auf der Bank sitzt! Hat die Nominierung von Sebastian Kehl, neben Metzelder einer von zwei Schwarz-Gelben, die Anhänger des BVB besänftigen können?

Es sieht vielleicht nach Gefälligkeit aus, dass zum Beispiel Sebastian Kehl dabei ist. Es ist aber nicht so. Wenige Tage vor dem Flug nach Florenz sind Jürgen Klinsmann und ich von Frankfurt nach München geflogen. Da hat er mir gesagt, dass Sebastian Kehl gute Chancen hätte, beim Heimspiel gegen die USA vor eigenem Publikum dabei zu sein. Und ehemalige Nationalmannschaftskollegen wie Christian Wörns und Jürgen Klinsmann, die vom Alter ja nicht so weit auseinander sind, sollten sich irgendwann einmal auf eine Tasse Kaffee zusammen setzen und ihre Meinungsverschiedenheiten in einem vernünftigen Gespräch ausräumen. Das ist mein Wunsch!

Wie ist Ihr Verhältnis zu Klinsmann, dem Sie öffentlich immer Rückendeckung geben, den Sie aber vor wenigen Wochen deutlich in die Schranken verwiesen haben!

Das Verhältnis zu Jürgen Klinsmann ist gut, da gibt es gar keinen Zweifel und da wird auch nichts anderes passieren. Ich kannte ihn vor zwei Jahren noch nicht so gut und habe von Herrn Mayer-Vorfelder seinerzeit erfahren, dass wir uns da keinen einfachen Typen ins Haus holen. Wir wollten aber diesen Weg, denn wir wussten, nur mit fortschrittlichen Leuten kannst du mit der Entwicklung im internationalen Fußball Schritt halten.

Bei der Ernennung von Matthias Sammer zum DFB-Sportdirektor wurde aber der Wunsch von Klinsmann, Hockeytrainer Bernhard Peters mit ins Boot zu holen, nicht erfüllt!

Wir haben diesen Vorgang intensiv beraten, der ist aber durch eine Veröffentlichung in eine Schieflage geraten, sodass wir reagieren mussten. Matthias Sammer war in der Nachwuchsförderung immer bei uns einer der Kandidaten und wurde auch von der sportlichen Leitung der Nationalmannschaft vorgeschlagen. Ich bin mit dem Thema aber sehr reserviert umgegangen, da ich mir nicht vorstellen konnte, dass er auf Jahre hinaus nicht im Vereinsfußball arbeiten würde. Als er mir aber sehr glaubhaft geschildert hat, dass er auf absehbare Zeit kein Angebot von einem Verein in der Bundesliga und auch nicht von einem internationalen Club annehmen wird, war für mich klar, dass er die Nummer eins für diesen Posten sein muss. Er bringt all das mit, was wir uns wünschen: Innovationswille, Fachkenntnis, Ideen.

Klinsmann ist mit seinem Stab vor eineinhalb Jahren als Reformer des deutschen Fußballs angetreten. Dabei hat er seinerzeit angekündigt, man müsse auch 'den Laden', dessen Präsident Sie sind, 'im Prinzip komplett auseinander nehmen'. Was haben Sie damals bei dieser Aussage gedacht und wie urteilen Sie heute darüber?

Wir brauchen Leute, die auch verbal mal überziehen, mit einer Übertreibung auf Sachverhalte hinweisen, die wir vielleicht anders formulieren würden. Franz Beckenbauer hat mal bei einer Rechtsgeschichte von ‚hirnverbrannten Juristen’ gesprochen. Ich selbst bin Jurist, aber da ich den Franz kenne, weiß ich, dass er niemanden beleidigen wollte. Wenn unsere großen Fußball-Vorbilder mit solchen Formulierungen antreten, dann ist das oft ein guter Anstoß, um diese Dinge mal von einer anderen Seite zu betrachten. Auf den Kopf stellen muss man den DFB aber nicht. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten bewiesen, dass wir modernen Strukturen gegenüber aufgeschlossen sind. Wir müssen sehen, dass sich der Fußball in der Welt verändert. Asien ist sehr im Kommen, auch Afrika hat stark aufgeholt. Das Spiel verändert sich, deswegen muss man sich vor allem im Nachwuchsbereich konzentriert weiter entwickeln.

Die WM ist für Deutschland eine Chance, sich der Welt zu präsentieren, wie sie vielleicht in den nächsten 100 Jahren nicht mehr wiederkommt. Warum beherrschen trotzdem vor allem negative Schlagzeilen die Zeitungen?

Man muss feststellen, dass sich drei Monate vor der WM alles nur um Fußball dreht. Wenn es in der Öffentlichkeit diskutiert wird, gibt es immer unterschiedliche Meinungen. Dann entsteht hin und wieder ein Bild, als ob wir nicht gut vorbereitet sind. Das sehe ich nicht so, da bin ich sehr, sehr gelassen. Was den sportlichen Teil angeht: In Florenz haben wir eine deprimierende Niederlage kassiert, man darf aber nicht vergessen, dass die Mannschaft drei Monate vorher in Paris sehr gut gespielt hat. Wer Fußball kennt, weiß, dass es immer auf und ab geht. Nun war ein echtes Down. Ich sehe Florenz auch als Chance, zu zeigen, was man besser machen kann.

Dennoch: Erst die vernichtende Studie der Stiftung Warentest zur Sicherheit in den deutschen Stadien, dann das sportliche Debakel in Italien und zuguterletzt ein neuer Bestechungsskandal in der Liga. Ich stelle Sie mir in Ihrer Eigenschaft als geschäftsführender DFB-Präsident in der Rolle des Feuerwehrmanns vor, der gar nicht weiß, welchen Brandherd er zuerst löschen soll!

Dass sich viele Gruppen wie die Stiftung Warentest mit uns befassen, zeigt auch, dass man die eigene Bedeutung gerne eine wenig unterstreichen will. Ich sehe mich auch nicht als Feuerwehrmann, sondern gehe da ganz gelassen mit um. Die neuen Meldungen über mutmaßliche Manipulationen müssen wir allerdings sehr, sehr Ernst nehmen. Das sind wir dem Fußball schuldig. Von einem neuen Wett- und Manipulationsskandal zu reden, halte ich nach dem jetzigen Stand der Dinge für überzogen. Wir sind aber aus der Geschichte des Falles Hoyzer Jahren gewarnt. Wir werden Betrug in unserem Sport nicht zulassen. Und wenn er stattfindet, werden wir dem nachgehen und versuchen, alles aufzuklären. Hier geht es nicht um Manipulation im Sport, sondern um Kriminalität. Diese spielt sich in vielen Bereichen unserer Gesellschaft ab, da ist der Fußball keine heile Welt.

Nach dem Fall Hoyzer und den ersten Anfangsverdachten, die Spiele und Spieler aus der Zweiten Liga sowie der Regionalliga betrafen, soll nun ein deutscher Nationalspieler angeworben worden sein, sich an Manipulationen zu beteiligen. Die Geschichte weitet sich aus!

Im Moment sind wir noch in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft bei der Aufarbeitung des Sacherverhaltes. Wir haben heute Kontakt mit der Staatsanwaltschaft in München aufgenommen DFB-Chefjustiziar Goetz Eilers hat dabei Informationsaustausch hinsichtlich konkreter Hinweise verabredet. DFB und DFL stehen in ständigem Kontakt und werden vorerst keine weiteren Stellungnahmen in dieser Angelegenheit abgeben, um die laufenden Ermittlungen nicht zu stören. Wenn wir in den nächsten Tagen zu klareren Sachverhalten kommen, hören mit Sicherheit auch die Spekulationen auf. Zurzeit kann ja leider jeder jeden verdächtigen.

War das auch ein Thema für das Treffen am Mittwoch-Abend mit Frau Merkel?

Ich mache kein Geheimnis daraus, dass wir uns schon länger kennen. Kurz nach ihrem Amtsantritt war ich bereits bei ihr eingeladen. Sie war auch bei meinem 60. Geburtstag in Mönchengladbach zugegen, was mich sehr gefreut hat. Da war sie noch Oppositionsführerin. Damals hat sie angekündigt, dass sie gerne auch mal Jürgen Klinsmann sprechen würde. Das habe ich dann vor einigen Wochen vermittelt. Das Telefonat hat in der Bibliothek, in der wir hier sitzen, stattgefunden. Wir hatten vorgesehen, sie darüber zu unterrichten, was noch bis zur WM passiert und uns über ein paar Dinge zu unterhalten, die Themen nach der WM beinhalten. Wir haben da sehr gute Konzepte was den Schul- und Mädchen-Fußball betrifft.

Der FC Schalke 04 hat am Donnerstag das zuletzt angekratzte Image des deutschen Fußballs im direkten Vergleich mit Italien etwas gerade gerückt. Was erwarten Sie noch von den Königsblauen?

Ich freue mich sehr über die Entwicklung von Schalke. Mirko Slomka macht offenbar einen sehr guten Job, die Mannschaft strahlt Festigkeit aus. Allerdings halte ich diesen aktuellen Vergleich für ein wenig überzogen. Werder ist gegen Juve unglücklich ausgeschieden, da standen in der Bremer Mannschaft ein halbes Dutzend deutsche Nationalspieler auf dem Platz, die sich sehr gut verkauft haben. Bayern ist dagegen in Mailand nicht so richtig aus den Schuhen gekommen, das war schon deutlich. Die Bundesliga hat offenbar, wenn es in der Champions League in die Runde der letzten 16 geht, ihre Schwierigkeiten, mit den großen Mannschaften mitzuhalten.

Auch in der Bundesliga ist wieder Spannung eingekehrt, am Sonntag kommt es in München zum Gipfel zwischen Bayern und Schalke. Trauen Sie den Königsblauen zu, die Meisterschaft wieder völlig offen zu gestalten?

Diejenige Mannschaft, die jetzt hinter Bayern zu Stabilität kommt und vor allem nicht zu Hause leichtfertig Punkte abgibt, hat noch eine gute Chance, da oben einzugreifen. Das kann Schalke sein, aber auch Hamburg oder Werder. Und was die Bayern angeht: Sie haben zuletzt etwas Vorsprung eingebüßt, daher sehe ich die Meisterschaft noch nicht entschieden. Ich bin gespannt, wie es am kommenden Sonntagabend aussieht.

Interview: Heiko Buschmann

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