Sorg führte die arg überlegene, aber offensiv nicht immer konsequente DFB-Auswahl am Samstag zu einem 2:0 (1:0) in Weißrussland und damit zum zweiten Sieg im zweiten Spiel der Qualifikation zur EM 2020.
Auch am Dienstag (20.45 Uhr/RTL) in Mainz gegen das punktlose Estland wird der 53-Jährige noch das Sagen haben: Sein Chef Löw muss sich wegen einer Arterienquetschung als Folge eines Sportunfalls weiter schonen. Der Weltmeister-Trainer braucht sich allerdings keine größeren Sorgen zu machen - seine Mannschaft erledigte ihre Aufgabe in Borissow souverän, wenn auch ohne übermäßigen Spielwitz. Ohnehin bestehen nach dem 3:2 zum Auftakt in den Niederlanden kaum Zweifel am EM-Ticket.
Das Führungstor von Leroy Sane (12.) nach starkem Pressing war ein frühes Signal. Sorg applaudierte zufrieden im Stehen. Danach ließ die Inspiration im deutschen Angriff zwar nach, der 71. Sieg im 100. EM-Qualifikationsspiel war dennoch absolut verdient. Marco Reus (62.) erzielte nach kluger Vorlage von Matthias Ginter das 2:0.
Löw erlebte am 4715. Tag seiner Amtszeit noch mal etwas Neues. Der Bundestrainer sah ein Spiel seiner Mannschaft erstmals in 13 Jahren nur im Fernsehen. In täglichen Telefonaten hatte er Sorg auf Taktik und Gegner eingeschworen - und eine Überraschung ersonnen: Der solide Jonathan Tah verteidigte unerwartet an der Seite von Niklas Süle und Ginter in der Dreierkette. Lukas Klostermann (rechts) und Nico Schulz (links) standen auf den Außenpositionen sehr hoch.
Sorg kam an seinem "sehr besonderen Tag" in Sneakers und mit dunklem Polo-Shirt zwei Minuten nach seiner Mannschaft in die kleine, futuristische Arena. Er umarmte zur Begrüßung den früheren Bundestrainer Jürgen Klinsmann, von dem er bei RTL interviewt wurde. "Selbstverständlich hatte Joachim Löw bei der Aufstellung das letzte Wort", berichtete Sorg, er kündigte "hohes Tempo" und Dominanz ab der ersten Minute an.
So kam es. Mit Spielfreude und schnellen Vorstößen in die Tiefe sollte der weißrussische Riegel geknackt werden, bei Ballbesitz standen alle Spieler bis auf Torhüter Manuel Neuer tief in der gegnerischen Hälfte. Serge Gnabry und Klostermann scheiterten mit einer ersten großen Doppelchance (9.), Reus schlenzte knapp am Tor vorbei (11.) - dann schoss auch schon Sane zu seinem vierten Länderspieltor ein.
Danach ließ der klare Favorit für fünf Minuten die Zügel schleifen. Klostermann musste im letzten Moment gegen Stanislaw Drahun retten (29.), dann lenkte Neuer einen Kopfball von Nikita Naumow (30.) über die Querlatte und dribbelte kurz darauf riskant, aber gekonnt an der Eckfahne. Die Strippenzieher Ilkay Gündogan und Joshua Kimmich, der das 1:0 vorbereitet hatte, beendeten die einzige kurze Problemphase im Spiel mit guten Schusschancen (35./42). Gegen neun Defensivspieler in zwei Ketten war auch nach der Pause Geduld gefragt.
Deutschland spielte handballartig um den Strafraum herum, Weißrussland gab Geleitschutz und grätschte dann machtvoll dazwischen, so auch bei Gelegenheiten von Sane (48.) und Klostermann (54.). Sobald erobert, schlugen die technisch limitierten Gastgeber den Ball lang und hoch nach vorne, ohne damit Wirkung zu erzielen. Mit dem zweiten Tor war das Spiel quasi gelaufen, weitere Treffer wären möglich gewesen (Gnabry, 66./Sane, 83., Pfosten).
Somit trennen die deutschen Nationalspieler nach kräftezehrenden Monaten noch 90 Minuten von den Ferien. Nach dem Estland-Spiel geht es endlich in den Sommerurlaub - allerdings nicht für Tah und Klostermann: Die spielen ab dem 17. Juni in Italien und San Marino noch die U21-EM. (sid)