Sie spielen allerdings nicht nur gegen elf, sondern gegen 66 Millionen Franzosen. Hand aufs Herz: Ist das nicht auch ein wenig einschüchternd? Höwedes: Einschüchternd ist das nicht, im Gegenteil, im Halbfinale gegen den Gastgeber, das ist doch etwas ganz Besonderes. Die Stimmung wird großartig sein, das sind Dinge, mit denen ich mich nochmal pushen kann. Das war vor zwei Jahren genauso. Das Spiel gegen die Brasilianer war einmalig, das wird niemals wieder so sein, dass ein Halbfinale mit 7:1 endet…
Eigentlich haben wir jetzt auch wieder mindestens ein 7:1 erwartet… Höwedes (lacht): Natürlich habt ihr das. Aber im Ernst: Manchmal scheint es so, dass es in Deutschland eine Selbstverständlichkeit ist, dass wir immer ins Halbfinale kommen. Dabei muss man sich mal vergegenwärtigen, dass wir nun zum sechsten Mal in Folge bei einem Turnier in einem Halbfinale stehen. Davon können Top-Nationen wie Brasilien, Argentinien oder Spanien nur träumen. Und da können andere gern die Spiele schlechtreden wie sie wollen. Fakt ist, dass Deutschland einmalig stark ist in Turnieren.
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In diesem Halbfinale ist aber auch der Gegner wieder ziemlich stark. Höwedes: Frankreich ist wahnsinnig stark, hat großartige Qualität in der Offensive mit Giroud, mit Payet, mit Pogba, mit Griezmann. Es ist eine Freude gegen den Gastgeber zu spielen. Es wird eine riesen Euphorie im Land und im Stadion sein, jeder wird inbrünstig diese Hymne singen. Das wird ein Gänsehaut-Moment sein für uns alle. Und trotzdem konzentrieren wir uns mit dem Anpfiff nur noch auf unsere Sache.
Man kann zumindest nicht behaupten, dass Sie gegen Gastgebernationen schlechte Erfahrungen hätten… Höwedes: Den Halbfinaltag in Belo Horizonte gegen Brasilien werde ich mein Leben nicht vergessen. Die ganze Stadt war damals gelb. Wir fuhren mit dem Mannschaftsbus durch eine gelbe Wand vom Hotel bis zum Stadion. Und ich hatte von der Abfahrt bis zum Abspielen der Nationalhymne eine Dauergänsehaut. Das war phänomenal. Und auch in Marseille werden natürlich Unmengen von Menschen in Blau herumlaufen, "Allez les Bleus" rufen und ihre Mannschaft nach vorne peitschen. Und genau das ist auch geil. Bisher hatten wir immer die Heimspiele, weil unzählige Fans angereist sind aus Deutschland. Diesmal wird es eben andersherum sein.
Wir haben drauf geachtet: Fast alle Ihrer Kollegen kommen an und haben beim Betreten des Stadions Kopfhörer auf, hören Musik. Sie machen das nicht. Warum nicht? Höwedes: Ich will die ganze Atmosphäre aufsaugen. Ich will das mitkriegen, wenn die Leute schreien, wenn die den Mittelfinger zeigen, wenn die herumpöbeln. Ich mag das, das ist eine einzigartige Stimmung. Für solche Spiele ist man als Fußballer geboren