Die guten Geschäftszahlen des FC Schalke können schnell zu der falschen Annahme verleiten, dass der Verein auf Rosen gebettet ist. 29 Millionen Euro Überschuss – das klingt ja nach Geschäftssinn und Weitsichtpolitik. Zur Wahrheit gehört aber auch, wie Schalke den Geschäftsbetrieb mit dem Verkauf von Spielern aufrechterhält.
Von Manuel Neuer über Julian Draxler bis zuletzt Leroy Sané: Mit Ablösesummen von fast historischer Größenordnung hat die Vereinsführung Einnahmen erlöst, die wahlweise weitere Spielerkäufe ermöglichten, Gehälter finanzierten, Tilgung von Altlasten forcierten.
Einnahmen aus Spielerverkäufen sind beileibe nichts Ehrenrühriges, sondern der Ausweis einer guten wie ertragreichen Jugendarbeit. Und dennoch: Gefährlich ist diese Politik sehr wohl. Wenn es eines gibt, das Schalke im Innersten zusammenhält, dann ist es die Identität mit den Spielern, die aus den eigenen Reihen kommen. Gehen diese Profis weg und kommen dafür andere, die Schalke nicht als Religion, sondern als Arbeitgeber verstehen, steht eben diese Identifizierung im Risiko. Nicht in der Bilanz, aber im Herzen.
Die Schalker Geschäftszahlen finden erst dann ihre Anerkennung, wenn das Management bei einem irrsinnigen Angebot sagen kann: Nein, unser Junge bleibt bei uns.
Karl-Heinz Rummenigge hat es in der Sport-Bild abermals betont: Kein Geld der Welt wird ihn als Vorstandsvorsitzenden umstimmen können, wenn der FC Bayern einen jungen Spieler halten möchte. So viel Standfestigkeit muss man sich leisten können. Der FC Schalke ist noch nicht so weit. Nicht einmal Borussia Dortmund, wie Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke im Sommer bei Mkhitaryan leidvoll erfahren musste. Als Manchester United 42 Millionen Euro bot, ließ man den Mittelfeldspieler gegen den Willen des Trainers ziehen. England hatte die tieferen Geldbörsen.
Doch Rummenigge hat recht: Die Bundesliga braucht Spieler, die das Publikum liebt.
Was wäre das für eine Mannschaft, wenn Neuer, Draxler und Sané zusammen mit Benedikt Höwedes auf Schalke spielten? Ein Traum! Leider nur ein Traum. Die anderen Klubs boten nicht nur mehr Geld, sondern auch die Aussicht auf Titel. Wie gesagt: Das ist nichts Ehrenrühriges. Aber: Grund zum Jubeln besteht auch nicht, wenn Schalke gute Geschäftszahlen präsentiert. Dafür hat der Verein, wie man so sagt, sein Tafelsilber verkauft.
Sportvorstand Christian Heidel hat den Sané-Verkauf auch damit begründet, dass er mit dem Geld eine neue Mannschaft aufbaut. Den Beweis, dass die Strategie aufgeht, ist er noch schuldig. So schön die aktuellen Zahlen sind: Die Arbeit hat gerade erst begonnen.
Diskutieren Sie mit Pit Gottschalk auf Twitter