„Sie wird sicher versuchen, mich von ihr wegzuhalten, ich bin ja schließlich zehn Zentimeter kleiner und werde versuchen aus der Halbdistanz zu kommen“, erklärt die 23-Jährige, betont aber: „Ich will gar nicht abwarten, wie ihre Taktik aussieht, sondern meinen Kampf durchziehen.“
Dass die Athletin der Ruhrcity Boxpromotion überhaupt noch einmal um den WM-Gürtel boxen muss, ist Folge eines „traurigen Abends“. Rückblick: Am 20. Dezember bestreitet Raoui ihren ersten WM-Kampf im Züricher Hallenstadion gegen Eileen Olszewski aus den USA. Nach den zehn Runden fühlt sich die amtierende Europameisterin wie die sichere Siegerin, muss aber ein Unentschieden der Punktrichter hinnehmen. „Ich war wirklich das traurigste Gesicht des Abends, denn ich habe gemerkt, dass ich sie härter und öfter getroffen habe. Selbst meine Gegnerin war nach der Urteilsverkündung baff“, erinnert sich Raoui, die jetzt nur noch einen Wunsch hat: Gegen Tabusso gewinnen und den schon vereinbarten Rückkampf - der bis Mitte Juni über die Bühne gehen muss - gegen Olszewski für sich entscheiden.
„Ich hoffe, dass sie nicht vorher absagt, denn das hat sie schon drei Mal getan“, erläutert Raoui und fügt an: „ich möchte einfach beweisen, dass ich die verdiente Weltmeisterin bin.“ Bis es soweit ist, muss aber zunächst Tabusso bezwungen werden, dafür hat „The Beauty Beast“ harte Trainings- und Sparringswochen hinter sich. Vor allem der obligatorische „schlimmste“ Trainingstag zweieinhalb Wochen vor einem Kampf hatte es in sich. „Da habe ich 20 Runden Sparring absolviert. Zunächst neun Runden gegen die vier Klassen höher eingestufte Goda Dailydaite, dann hat mich unser Coach Isa Topal mit seinen 90 Kilo nochmal über elf Runden gefordert. Danach war ich wirklich platt.“
Bevor in der kommenden Woche die Entspannungsphase vor dem Fight ansteht, trainiert die 1,55 Meter große Ex-Kickboxerin zwei Mal täglich von montags bis freitags. Auch samstags steht eine Einheit auf dem Programm. Und das alles nur für den großen Traum: „Ich will Weltmeisterin werden, dafür gebe ich alles.“
Und wandelt damit auf den Spuren ihres großen Vorbilds Lucia Rijker. Die Niederländerin hat sogar als Schauspielerin in „Million Dollar Baby“ auf sich aufmerksam gemacht und während ihrer aktiven Karriere zahlreiche Titel gewonnen. „Sie ist eine der stärksten Boxerinnen aller Zeiten“, zollt Raoui großes Lob. Dabei hat Rijker auch als Kampfsportlerin begonnen, Raoui wurde Deutsche Meisterin im Kickboxen und im Sanda. „Dann habe ich mir aber einen Kreuzbandriss zugezogen und konnte nicht mehr so zutreten wie zuvor, außerdem war dann immer auch die Angst vor erneuten Verletzung im Spiel“, erinnert sich Raoui, die mit dem Wechsel zum Boxen keine Probleme hatte: „Das gehörte schon zuvor zu meinem Trainingsumfang und da ich bei meinem ersten Kampf gleich ein Erfolgserlebnis feiern konnte und sofort Europameisterin wurde, bin ich dabei geblieben.“
Besonders erfreut ist das Revierkind über die Unterstützung aus ihrer Heimat. Deshalb hat Raoui für das Event in der Landeshauptstadt für ihre Fans auch eine besondere Überraschung parat: Wer sich beim Kartenkauf beeilt, kann mit dem Fanbus zum Austragungsort gefahren und anschließend wieder nach Hause gebracht werden. Und auf der Rückfahrt wird auch die dann hoffentlich mit dem WM-Gürtel ausgestattete Raoui im Bus Platz nehmen - mit einem Umweg über die After-Show-Party in der Oberhausener Disco „Adiamo“.
Zuerst aber will sich Raoui noch den Hauptkampf des Abends zwischen Alexander Povetkin und Jason Estrada ansehen - wenn sie rechtzeitig „mit der Dopingkontrolle fertig wird“. Vorfreude auf den WM-Kampf ist bei Raoui zwar zu spüren, aber Euphorie ist noch nicht erlaubt: „Erst wenn die Arbeit getan ist.“