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Auch Bjarne Riis gesteht Epo-Doping ein
Telekom-Toursieg 1996 erschummelt

Auch Bjarne Riis gesteht Epo-Doping ein
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Mit dem Doping-Geständnis von Bjarne Riis als erstem Toursieger hat die Vergangenheitsbewältigung im Radsport am Freitag eine neue Dimension erreicht. Der Däne gab zu, zwischen 1993 und 1998 Epo und Wachstumshormone genommen zu haben, also auch beim Gewinn der Frankreich-Rundfahrt 1996 als Kapitän des Teams Telekom, dem er von 1996 bis 1999 angehörte. Jan Ullrich, Tourzweiter 1996 und Sieger 1997, mauert dagegen weiter, obwohl nunmehr sieben seiner damaligen Telekom-Kollegen Manipulationen gestanden haben. Der 33-Jährige hat in der Schweiz erneut Einspruch gegen die Herausgabe von Dokumenten an die Staatsanwaltschaft Bonn eingelegt, wie die Süddeutsche Zeitung meldet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit Bestürzung auf die Welle der Bekenntnisse reagiert und alle Doping-Sünder aufgerufen, das `Schweige-Kartell zu brechen´. Es tue sich ein Abgrund auf, sagte sie: `Im Radsport hat es offensichtlich ein bislang unvorstellbares Ausmaß an systematischer und fortgesetzter Manipulation gegeben.´ Der Sieg in der Tour 1996, den er vor seinem Edelhelfer Ullrich errang, wird Riis nicht aberkannt. Man werde die Geschichte nach Ablauf der achtjährigen Verjährungsfrist nicht neu schreiben, sagte der irische UCI-Präsident Pat McQuaid dem sid in einer ersten Stellungnahme des Weltverbandes.

Auch Erik Zabel werde sein Grünes Trikot von 1996 behalten. Der Berliner Jens Voigt, der seit 2004 für den Riis-Rennstall CSC fährt, zeigte sich überrascht und erleichtert: `Erst hat es mich wie ein Tiefschlag getroffen. Aber jetzt bin ich froh, dass die Mannschaft bestehen bleibt. Ich freue mich riesig auf die Tour de France.´ Voigt, Profi seit 1997, bekräftigte erneut: `Ich habe in meiner ganzen Karriere noch nie gedopt, ich war immer sauber.´ Zuvor hatten Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Rolf Aldag und Erik Zabel und Kritik am Verbleib von Aldag als Sportdirektor des T-Mobile Teams das Bild nach den Doping-Geständnissen der früheren Telekom-Profis vom Vortag geprägt.

Foto: firo.

Zwei ehemalige Teamkollegen erklärten, Doping-Angebote abgelehnt und deshalb ihre Karriere beendet zu haben. Als `reinen Zynismus´ bezeichnete Scharping-Vorgängerin Sylvia Schenk das Festhalten von T-Mobile an Aldag. `Das ist das völlig falsche Zeichen. Wieso sollen wir glauben, dass alle notorischen Lügner und Betrüger geläutert sind?´ Sportler, die gedopt hätten, müssten zumindest längere Zeit aus dem Verkehr gezogen werden. Die Pressekonferenz in Bonn sei `eine Inszenierung gemäß Salamitaktik´ gewesen. Man habe jede Aussage über den Zeitraum nach 2002 vermieden: `Das abgerungene Geständnis hat nur Taten umfasst, die strafrechtlich verjährt sind.´

Ex-Zehnkämpfer Frank Busemann sagte zu Zabels Behauptung, nur eine Woche 1996 Epo genommen zu haben: `Das ist schwer zu glauben.´ Mit dem Frankfurter Dietrich Thurau und dem Schweizer Rolf Järmann widersprachen zwei frühere Profis der Darstellung von Aldag und Zabel, innerhalb einer Mannschaft habe der eine nicht von dem anderen über Doping gewusst: `Das kann man ihnen eigentlich nicht abnehmen´, sagte Thurau. Eine Lanze für Zabel brach UCI-Präsident Pat McQuaid. Der Milram-Kapitän solle seine Karriere fortsetzen, sagte er dem sid. `Erik ist eine Ikone im Radsport. Wenn er sagt, dass er seit Mitte 1996 sauber war, und das glaube ich ihm, dann kann er im Peloton ein echtes Vorbild für die jungen Fahrer sein. Damit würde er unserem Antidopingkampf weit mehr nutzen als durch einen Rücktritt. `

Aus Sicht des Weltverbandes spreche auch nichts gegen einen WM-Start des 36-Jährigen im September in Stuttgart, meinte der Ire: `Selbst nach Auffassung des IOC und der Welt-Antidoping-Agentur WADA gelten Verstöße nach acht Jahren als verjährt.´ Das BDR-Präsidium will Pfingstsamstag auch über eine mögliche WM-Nominierung Zabels beraten. `Es wird keine General-Amnestie geben, aber auch keine Pauschalverurteilung. Wir werden jeden Fall einzeln prüfen´, sagte BDR-Chef Rudolf Scharping. Sylvia Schenk forderte dagegen, man solle in Stuttgart nur `mit neuen Gesichtern´ antreten: `Medaillen wären damit wahrscheinlich nicht zu gewinnen, wohl aber Vertrauen.´ Auch müsse man überlegen, ob man überhaupt deutsche Radfahrer zu den Olympischen Spielen 2008 nach Peking schicke.

Foto: firo.

In den Fällen Aldag und Zabel müsse Recht auf Resozialisierung durch `tätige Reue´ erarbeitet werden, meinte die Ex-Präsidentin. `Zum Beispiel durch eine freiwillige Buße an die Antidoping-Agentur NADA.´ Auch für T-Mobile müsse es heißen: `Wir stecken Millionen ins Team und ebenso viel in den Antidopingkampf.´ Nur ein Ethik-Code sei reine Kosmetik. Die Bonner Ex-Profis Uwe Raab und Bernd Gröne erklärten, vor der Kündigung 1995 von Teamleitung oder Betreuern zum Doping aufgefordert worden zu sein.

`Als ich abgelehnt habe, war ich weg vom Fenster, meine Karriere besiegelt´, sagte der 44-jährige Raab der Mitteldeutschen Zeitung. Gröne zog in der Recklinghäuser Zeitung ein bitteres Fazit: `Im Grunde bin ich der Doofe, der nur mit dem, was er in den Beinen hatte, die Berge bei der Tour hochgeklettert ist und aussortiert wurde, weil er nicht mehr gut genug war.´ Die Bonner Staatsanwaltschaft überprüft, ob die Betrugsvorwürfe gegen Jan Ullrich noch Bestand hätten, nachdem manches dafür spreche, dass auch die Teamleitung von der verbreiteten Dopingpraxis Kenntnis hatte. Von einer Einstellung der Ermittlungen könne aber keine Rede sein.

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