Pechstein steht vor einer der größten Herausforderungen ihrer Karriere: Sie will mit aller Macht beweisen, dass sie noch nicht zum alten Eisen gehört. `Ich fühle mich nicht zu alt. Ich habe durch das Alter die Erfahrung, mich richtig einzuschätzen. Dies ist mein Saisonhöhepunkt, darauf ist alles aufgebaut´, sagt Pechstein und setzt sich zwei Medaillen als WM-Ziel.
Auch Gold über 3000 m am Freitag und 5000 m am Sonntag hat sie nach eigener Aussage noch lange nicht abgeschrieben, und ihr Selbstvertrauen ist so groß wie ihre Medaillensammlung. Dass sie seit dem Weltcup-Finale 2005 in Calgary kein großes Einzelrennen mehr gewonnen hat, ist ihr egal. Auch die zahlreichen schmerzlichen Niederlagen in der laufenden Saison konnten dem Ego der Berlinerin nichts anhaben.
Als Claudia Pechstein in Klobenstein Mitte Januar ihre schwächste EM seit 14 Jahren lief (Platz fünf) und ihr Europameisterin Martina Sablikova zwölf Sekunden auf ihrer Lieblingsstrecke 5000 m abnahm, zuckte sie mit den Schultern und ging zum Angriff über: `Jetzt läuft es einmal nicht so gut, und schon steckt man mich in eine Schublade. Keine Ahnung, warum es so schlecht gelaufen ist - aber ich kann´s noch.´
Vor allem Sablikova lief sie regelmäßig hinterher, doch auch nach fünf Niederlagen gegen die 19-Jährige in dieser Saison ist Pechsteins Optimismus ungebrochen. Der Rückstand auf Sablikova werde immer kleiner, meinte Pechstein, nachdem sie beim Weltcup-Finale in Calgary über 3000 m anderthalb Sekunden hinter der Tschechin ins Ziel gekommen war.
Neben Sablikova, die über 3000 m nicht ansatzweise so stark ist wie über 5000 m, waren auch Daniela Anschütz-Thoms und die Kanadierin Kristina Groves schneller - Pechstein hakte es ab. Zweifel und Zweifler sind bei ihr unerwünscht, Pechstein sieht sich immer in einer Position der Stärke. Ihr Trainer Achim Franke unterstützt sie in ihrer Sichtweise: `Sie hat ihre Grenzen noch nicht erreicht.´ Franke war bei allen zehn Titelkämpfen an ihrer Seite und führte sie über 5000 m zehnmal aufs Podest.
Das Wort Karriereende hört Pechstein nur ungern, obwohl es mittlerweile auch ausgewiesene Expertinnen in den Mund nehmen. `An ihrer Stelle hätte ich meine Karriere beendet. Es ist doch eine Schande, dass sie jetzt bis zu den hinteren Plätzen durchgereicht wird´, meint die dreimalige Olympiasiegerin Karin Enke-Richter. Auch die Sponsoren scheinen nicht mehr so recht an die Beamtin auf Lebenszeit bei der Bundespolizei zu glauben.
Nach ihrem zweiten Platz über 5000 m bei den Winterspielen 2006 in Turin hatten Pechstein und ihr Manager Ralf Grengel ein Ziel formuliert. Ein Profiteam sollte gegründet werden, mit einem global agierenden Unternehmen als Sponsor. Das Projekt scheiterte schon in der Planungsphase, weil sich kein Geldgeber fand. In den seltenen Momenten, in denen Pechstein öffentlich über einen möglichen Rücktritt spricht, bringt sie die kommende Saison mit der Mehrkampf-WM in Berlin ins Gespräch. Konkret wird sie dabei nicht. Gut möglich, dass sie auch 2010 bei den Winterspielen in Vancouver noch dabei ist. Pechstein: `Ich habe noch nie eine Saison ohne Probleme gehabt. Mein Traum ist es, einmal gesund durchzukommen. Daher habe ich vor Jahren schon mal ans Aufhörer gedacht. Aber jetzt nicht.´