Die Schuldenlast der Stadt Essen ist dem Vernehmen nach regelrecht erdrückend. Wie kommt es dazu, dass sich die Kommune dennoch derart für einen Fußballverein engagiert?
Mit wenigen Worten die Komplexität eines kommunalen Haushaltes und die Möglichkeiten zu erklären, die auch eine Nothaushaltskommune nach wie vor hat, ist schlechterdings nicht möglich. Von daher nur ein paar Erläuterungen zu der Stadionfinanzierung: Wir dürfen Kredite für Investitionen aufnehmen, deren Höhe allerdings von der Kommunalaufsicht der Bezirksregierung Düsseldorf gedeckelt wird und sich an der Summe orientiert, mit der die Stadt jährlich die alten Kredite tilgt. Essen tilgt jährlich rund 50 Mio. Euro und darf in einer Größenordnung von zwei Drittel dieser Summe – somit rund 33,3 Mio. Euro - neue Kredite aufnehmen (das heißt dann Kreditrate). Das heißt, die Stadt entschuldet(!) sich von Jahr zu Jahr mit ihren Investitionen. Wofür wir in diesem gesetzten Rahmen dann das Geld ausgeben, das ist wiederum eine Frage der kommunalen Selbstverwaltung. Den städtische Eigenanteil am Stadionbau in Höhe von 24 Mio. Euro können wir zudem über drei Haushaltsjahre strecken. Und noch eines ist wichtig: Obwohl wir das Stadionprojekt selbst nicht aus dem Konjunkturpaket II finanzieren, kommt uns dieses Paket allerdings sehr gelegen, weil viele der in den nächsten Jahren geplanten Investitionen (vor allem im Schulbereich) jetzt aus dem Konjunkturpaket II vorzeitig finanziert werden und somit im normalen Haushalt entsprechend Luft geschaffen wurde für die Finanzierung des Stadions.
Was versprechen Sie sich von dem Engagement?
Zum einen ist das Stadion nun einmal marode. Die Haupttribüne stand bereits vor einem Jahr kurz vor der Schließung und auch die Gegentribüne hat zum Teil über 50 Jahre auf dem Buckel. Andererseits haben wir natürlich Interesse daran, dass in einem neuen Stadion ein Verein mit Perspektive spielt, zumal wir auch nur dann eine Chance haben, die Betriebskosten des Stadions irgendwann mal an den Verein weiterzuleiten. Und: Rot-Weiss Essen – obwohl nur Viertligist – ist nach wie vor ein großer Integrationsfaktor für viele Menschen in unserer Stadt, vor allem im Essener Norden. Von daher ist es für mich auch ein Akt von Wahrung der sozialen Symmetrie in unserer Stadt. Wir haben in den letzten zehn Jahren vor allem sehr viel in den Kulturbereich investiert also Saalbau/Philharmonie, Lichtburg, Folkwang-Museum und so weiter und da halte ich dieses Engagement für Rot-Weiss Essen für absolut angemessen.
Christian Hülsmann.
Der RWE-Vorstandsvorsitzende Stefan Meutsch sagte, der Vereine liege angesichts von rund 12 Mio. Euro Verbindlichkeiten sozusagen auf der Intensivstation. Wäre also ohne die „lebenserhaltenden“ Maßnahmen der Stadt die sprichwörtlichen Lichter ausgegangen?
Eines vorweg: Die Stadt Essen hat ja nun beileibe nicht 12 Mio. übernommen. Richtig ist aber, dass es ohne unser Engagement und das Engagement städtischen Beteiligungsunternehmen vor allem im Sponsoring sehr schwer für den Verein geworden wäre. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass bei Rot-Weiss das Image einer „Betriebssportmannschaft“ der Stadt Essen entsteht? Das sehe ich nun wahrlich nicht, zumal sich die Stadt aus allen sportlichen Belangen herausgehalten hat und gut daran tut, sich in der Richtung auch weiterhin zurückzuhalten.
Die Stadt ist Bauherr, wann erfolgt also der erste Spatenstich fürs neue Stadion?
Ich lege mich jetzt nicht mit einem konkreten Datum fest. Wir sind aber sehr zuversichtlich, dass wir noch in diesem Sommer beginnen können.
Zuletzt keimten wieder Gerüchte auf, dass der Handelshof-Verkauf gefährdet ist. Gibt es irgendein Szenario, bei dem die Finanzierung des neuen Stadions kippt?
Mit dem Handelshof-Verkauf sind wir vom Grundsatz rund. Die Beschlüsse der Rats- und Aufsichtsgremien liegen vor und auch mit dem Käufer besteht Einvernehmen. Warum das Projekt im Moment stockt, hat mit einem anderen Thema zu tun. Irgendwo unter dem Hotel oder knapp daneben verläuft ein Teil des städtischen U-Bahn-Netzes. Und dieses U-Bahn-Netz ist vor einigen Jahren über ein sog. US-Lease-Geschäft („Cross-Boarder“) verkauft worden. Da nicht auszuschließen ist, dass auch ein möglicher Verkauf des Handelshofes diesen Vertrag tangiert, haben wir uns vorsichtshalber entschieden – da geht es auch um viel Geld - ein offizielles Verfahren bei unserem US-Vertragspartner einzuleiten. Allerdings hat der Verkauf des Handelshofes keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Stadionbau, da uns die Bezirksregierung den Handelshof-Erlös ohnehin auf die jährliche Kreditrate anrechnen wird, wie in der Einfangsfrage bereits erwähnt. Allerdings hätte der Verkauf des Handelshofes den Vorteil, dass dann unsere städt. Tochter GVE – Eigentümerin des Handelshofes und Bauherrin des Stadions – auf einen Schlag viel Geld in die Hand bekäme und somit eine flexiblere Mittelbewirtschaftung vornehmen könnte. Ohne Handelshof-Erlös bekäme sie das Geld über drei Jahre verteilt unmittelbar aus dem städtischen Haushalt.
Wie viel Wahlkampf steckt hinter dem Engagement der Stadt?
Wir sind seit mehr als zwei Jahren an dem Thema dran, zunächst einmal nur bezogen auf das Stadion. Da war noch nichts mit Wahlkampf. Wir hofften seinerzeit, sehr viel schneller zum Ziel zu kommen. Erst im Laufe der Zeit mussten wir feststellen, dass das Stadion nicht das einzige Problem ist, sondern auch Rot-Weiss Essen selbst. Von daher hat das alles mit Wahlkampf herzlich wenig zu tun. Andererseits: Bei manchen Zeitgenossen ist offenkundig immer Wahlkampf, getreu dem Motto: Nach der Wahl ist vor der Wahl.