Felix Herzenbruch weiß, wie sich ein Aufstieg anfühlt. Der 29-Jährige ist mit dem SC Paderborn von der 3. Liga bis in die Bundesliga durchmarschiert. An diesem Samstag kann er mit Rot-Weiss Essen Meister der Regionalliga West werden - und sich an der Hafenstraße unsterblich machen.
RWE ist nach dem 3:0-Sieg gegen Rödinghausen Tabellenerster und hat im Titelrennen alles in der eigenen Hand, da Konkurrent Preußen Münster gegen Wiedenbrück am Wochenende nur remis gespielt hat. Herzenbruch erzählt, wie er auf das Endspiel gegen Rot Weiss Ahlen (14 Uhr, Stadion an der Hafenstraße) blickt.
Nach zwei Jahren gibt es eine Abnutzung, da kann man der beste Trainer der Welt sein, das ist völlig normal. Und auf einmal stehen der Manager Jörn Nowak und der U19-Trainer Vincent Wagner vor dir – und es gibt im Training einen neuen Ansatz, andere Methoden und Ideen. Das setzt neue Kräfte frei.
Felix Herzenbruch
Felix Herzenbruch, Sie sind mit Paderborn bereits zweimal aufgestiegen. Worauf kommt es am Samstag für Rot-Weiss Essen gegen Ahlen an?
Es geht darum, die Nerven zu behalten. Wenn du Samstag aufstehst, hast du eine Grundspannung. Du brauchst nicht extra motiviert zu werden. Du musst einfach deine Leistung abrufen, nicht überdrehen und alles andere ausblenden – zum Beispiel, dass in jeder Kneipe in Essen gefühlt 500 Leute sitzen werden.
Wie schaffen Sie es, den Fokus zu behalten?
Am letzten Freitag, als Münster gegen Wiedenbrück gespielt hat, habe ich mir das Ergebnis nicht angeschaut. Ich habe mein Handy aufs Sofa gelegt, habe im Bett ein Buch gelesen – und erst am nächsten Morgen gesehen, dass Preußen nur 0:0 gespielt hat. Ich hätte es ohnehin nicht beeinflussen können. Man muss eine gewisse Ruhe haben.
Hinter RWE liegen jedoch unruhige Tage. Christian Neidhart wurde nach dem 1:3 im Niederrheinpokal in Wuppertal am Dienstag der Vorwoche entlassen. Was ist zwischen dem Dienstag und dem Wochenende passiert, als Sie Rödinghausen klar und deutlich besiegt haben?
Man sieht das Ergebnis von Münster. Dann war klar: Wenn wir etwas reißen wollen, müssen wir in Rödinghausen gewinnen. Ein Trainerwechsel bringt einen neuen Impuls. Der hat gewirkt, der Wechsel ist, Stand jetzt, aufgegangen.
Wäre das Wochenende unter Neidhart genauso gut gelaufen?
Vermutlich wären wir in unseren gewohnten Abläufen geblieben. Es ist das passiert, was sich die Vereinsführung vom Trainerwechsel erhofft hat: dass wir das Spiel gegen Rödinghausen durch einen neuen Impuls gewinnen.
Welche gewohnten Abläufe meinen Sie?
Nach zwei Jahren gibt es eine Abnutzung, da kann man der beste Trainer der Welt sein, das ist völlig normal. Und auf einmal stehen der Manager Jörn Nowak und der U19-Trainer Vincent Wagner vor dir – und es gibt im Training einen neuen Ansatz, andere Methoden und Ideen. Das setzt neue Kräfte frei.
Aber die Mannschaft wusste doch schon davor, worum es geht. Was hat sich nach dem Wechsel noch konkret geändert?
Es hat enorm geholfen, dass mit Vincent Wagner jemand in der Kabine ist, der genau weiß, wie es uns geht, den Verein kennt und mit RWE aufgestiegen ist (2011, Anm. d. Red). Er ist schon lange bei RWE und hat eine super Ansprache. Wagner hat uns den Druck genommen. Er ist Lehrer und Pädagoge und weiß, welche Knöpfe man drücken muss.
Nun kann Wagner auch als Trainer aufsteigen. Und Ihre Mannschaft könnte diejenige sein, die Essens Rückkehr in den bezahlten Fußball perfekt macht – nach 14 Jahren. Spornt Sie das zusätzlich an?
Ich möchte zu der Mannschaft gehören, die es geschafft hat, mit RWE in den Profifußball zurückzukehren. Noch heute schwärmen die Leute von der Oberliga-Mannschaft, die 2011 aufgestiegen ist. Die Spieler sind noch in den Köpfen der Fans, obwohl sie keine Weltfußballer waren. Wenn wir es am Samstag schaffen, wird das noch eine Stufe höher sein.
Sie würden also gerne eine Legende bei RWE werden?
Davon können Sie ausgehen (lacht). Nein, ich freue mich, wenn ich bei den Fans beliebt bin. Aber ein Aufstieg würde alles veredeln.
Können Sie sich schon ausmalen, was bei einem Aufstieg Essen los sein wird?
Nicht nur hier im ausverkauften Stadion werden Tausende Leute sein, es werden auch zehntausende Fans in der Stadt unterwegs sein. Wir wollen das einfach erreichen, wir sind so nah dran und haben lange dafür gearbeitet. Wenn du so kurz davor bist, hast du keinen Bock, in der Regionalliga zu bleiben. Das muss jetzt einfach klappen.
Aber noch ist Rot-Weiss nicht aufgestiegen. Auch Sie sind Realist und haben eine gewisse, gesunde Grundskepsis. Ist die größte Gefahr vielleicht, dass alle in Essen schon fest mit dem Aufstieg planen und ein Scheitern gar nicht in Betracht ziehen?
Die Tür ist auf – und wir wollen da durchgehen. Mit allem, was wir haben. Aber das Spiel ist noch nicht gespielt, es können so viele Dinge passieren. Münster kann hoch gewinnen und vorbeiziehen, auch wenn wir gegen Ahlen gewinnen. Aber ich bin voller Selbstvertrauen, dass wir das mit unserer Wucht vor dem ausverkauften Haus schaffen werden. Wenn wir unsere Power aus dem Rödinghausen-Spiel auf den Rasen bringen, wird es für Ahlen sehr schwer.