Er jubelte wie ein Großer! Entfesselt klopfte er sich auf die Brust, streckte das RWE-Emblem in Richtung der Essener Fankurve, als wolle er es sich vom Trikot reißen. Es ist die Geschichte einer Teenie-Bande um den Siegtorschützen Michael Wiese, die eine phasenweise turbulente Saison versöhnlich ausklingen lässt. Nachdem die U19 der Essener mit einem Sieg über den Nachwuchs des Champions-League-Finalisten Borussia Dortmund das Stadion Essen an gleicher Stelle vor gut neun Monaten eröffnet hat, machte ein 18-Jähriger den Strich unter diese Saison.
Dieses 1:0 gegen die Sportfreunde Siegen brachte Premieren, Abschiede und zahlreiche Kuriositäten hervor, wie sie so schnell wohl nicht wiederkommen werden. Als Schiedsrichter Christian Fischer Rot-Weiss Essens Saison beendete, standen bei den Hausherren, Hendrik Bonmann und Kai Nakowitsch mit eingerechnet, tatsächlich sieben U19-Akteure auf dem Feld, Thomas Denker hatte bereits die Kapitänsbinde von Benedikt Koep übernommen. Vor allem aber hatte der als Linksverteidiger aufgebotene Wiese RWE nach einem Eckball auf die Siegerstraße gebracht (82.).
Schon in der unmittelbar vorausgegangenen Aktion konnte Fatih Tuysuz einen Kopfball von Wiese erst auf der Linie klären. Dann eben im zweiten Versuch! Erneut gab Marvin Ellmann bei seiner Abschiedsvorstellung einen Eckball herein, was in dieser Saison auch noch nicht vorgekommen sein dürfte. Doch diesmal staubte der Youngster ab und sorgte dafür, dass mindestens einer in Essen den 25. Mai 2013 nicht wegen eines Fußballspiels in London in Erinnerung behalten wird.
Außer dass auch die anderen A-Jugend-Akteure, die für die Vielzahl an verletzten und gesperrten Spielern in die Bresche springen mussten, ihre Sache überaus gut lösten und Hoffnungen auf künftige Einsätze weckten, darf dieses Spiel ansonsten getrost aus dem Gedächtnis gelöscht werden. Auch wenn RWE sich mit dem Heimsieg Platz vier sicherte, so war die Luft auf beiden Seiten doch sichtbar dahin. Wie es nun einmal so ist, in der letzten Stunde vor den großen Ferien, wenn ein Großteil bereits im Urlaub weilt.
Umso mehr war es ein Tag, um Bilanz zu ziehen und die lautete diesmal ungewöhnlich einmütig: "Es gibt zwei Perspektiven: Eine kurzfristige und eine langfristige. Kurzfristig ist es so, dass ich äußerst ungern verliere, langfristig haben wir uns 50 Punkte vorgenommen und sind weit darüber auf Platz fünf gelandet", resümierte Siegens Trainer Michael Boris.
Die eigenen Ziele hat mit dem vierten Platz auch Rot-Weiss Essen übererfüllt. Gleichwohl darf sich Waldemar Wrobel auf eine Auszeit freuen: "Die Saison war hinten raus sehr anstrengend, unterm Strich aber doch sehr zielführend und erfolgreich", findet der 43-Jährige. "Es gab sehr viele Höhen und am Ende auch einige Tiefen, die aber zu erklären sind. Wir wissen also, wo wir ansetzen müssen und haben uns jetzt den Urlaub verdient." Amen.