Niemand hat die Absicht, kein Stadion zu errichten. Zumindest wagt das angesichts des maroden Georg-Melches- Stadions schon seit geraumer Zeit niemand mehr öffentlich kundzutun. Und tatsächlich. Was mit Insolvenz und Zwangsabstieg bereits zum Treppenwitz der Vereinsgeschichte zu werden drohte, konkretisiert sich nun täglich. Schon sind die ersten Tribünen erkennbar, die Umrisse des neuen Spielfelds zeichnen sich seit Monaten zunehmend deutlich ab. Das Happy End einer schier unendlichen Geschichte.
Völlig geräuschlos geht der Neubau aber nicht über die Bühne. Das hat eine Baustelle eben so an sich. Nun droht aber eine neue eröffnet zu werden, denn der Bau wird teurer als gedacht. Durch steigende Rohstoffpreise, vor allem die Stahlkonstruktion der Dächer wird kostspieliger als befürchtet, könnten die Kosten schon bald die 33-Millionen-Euro-Marke knacken. Doch damit nicht genug. Die Planer haben in ihrer Kalkulation schlicht vergessen, den Abriss des alten Georg- Melches-Stadions einzuberechnen. Ein peinlicher Planungsfehler. Noch werde erörtert, wie man damit in der Öffentlichkeit umgehe, heißt es von Seiten der GVE (Grundstückverwaltung Essen). Wie teuer dieser Fauxpas die städtische Tochtergesellschaft, die das Projekt als Bauherr überwacht, zu stehen kommt, ist noch offen.
Absehen lässt sich derweil, dass obendrein höhere Kosten für die Baugenehmigung anfallen. Etwa eine Million mehr als zunächst veranschlagt. Immerhin: dass dies zu Lasten der Stadt geschieht, steht nicht zu befürchten, kassiert diese doch von ihrer Tochtergesellschaft die Gebühren, die sie selbst veranschlagt. Selbst Markus Kunze von der GVE gibt zu, dass das Geld „letzendlich von der rechten in die linke Tasche wandert.“
Doch auch so wird das Stadion die veranschlagte Kosten Schallmauer durchbrechen, das scheint bereits gewiss. Bei Projekten dieser Größenordnung keine Überraschung. Das weiß jeder Häuslebauer aus eigener Erfahrung zu berichten. Dass das Budget deshalb erhöht wird, ist beim Stadionbau allerdings ausgeschlossen. Dennoch gilt es, eine funktionstüchtige Spielstätte zu errichten. Die Quadratur des Kreises? Bei der GVE heißt es flapsig: „Wir bauen so weit wir kommen.“
Alle Posten stehen auf dem Prüfstand
Ganz so blauäugig gehen die Verantwortlichen freilich nicht vor. Vielmehr stehen derzeit alle Posten auf dem Prüfstand. Einsparpotenziale hat die GVE bereits ausgemacht. Gekürzt wird von oben herab, beginnend im Luxussegment. „Kein Viertligist der Welt braucht ein hochmodernes Ticketing- System oder voll ausgebaute VIP-Logen“, meint Kunze. Auch wurde bereits diskutiert, ob die Gästetribüne nicht ohne Dach auskommen würde. Nach aktuellem Stand werden aber wohl alle vier Tribünen ein Dach bekommen. Der Auftrag ist für vier Dächer ausgeschrieben. Dafür, diese direkt zu montieren, spricht neben statischen Gründen auch, dass ein späterer Anbau ungleich teurer käme. Gespart werden soll dafür an Sicherheits- und Medienrichtlinien. "Es ist nicht nötig, eine Flutlichtanlage zu installieren, die Sky in HD übertragen lässt. Wir bauen ein Zweitligastadion, das haben wir immer gesagt. Das Tolle ist aber, dass alles nachrüstbar ist. Wenn der Verein eines Tages in die Verlegenheit kommen sollte, kann man dieses Stadion erstligareif machen“, versichert Kunze.
Vier Tribünen, eine Rasenfläche und ein Warmgebäude Mit welcher Grundausstattung sich der Regionalligist Rot-Weiss Essen jedoch bescheiden muss, ist dagegen noch nicht bis aufs Letzte absehbar. „Wir alle wissen, dass RWE wohl noch ein paar Runden in der vierten Liga drehen wird. Vier Tribünen, eine Rasenfläche und ein Warmgebäude. Das ist das, was ein Viertligist braucht“, weiß Kunze. Und zumindest diese Basisversion soll im kommenden Sommer in Betrieb genommen werden, was gleich die nächste Preisfrage aufwirft: Stadt und Verein verhandeln bereits intensiv über die Stadionmiete. Die soll einen möglichst großen Teil der Betriebskosten von etwa 700.000 Euro wieder herheinholen. Ohne RWE jedoch die Luft abzuschnüren.
Klar ist jedoch: bei einem Aufstieg erhöht sich der Preis für den Hauptmieter. „Die Mediengelder verdreifachen sich dann in der 3. Liga ungefähr. Das muss sich auch in der Miete widerspiegeln“, sagt Kunze. Ob ein Sponsor mit dem Kauf der Namensrechte Geld einspielen wird, ist ebenfalls noch offen. Klar ist nur: Georg Melches-Stadion wird die neue Spielstätte nicht heißen. Zumindest der Diskussionsstoff reicht also bis zum Sommer.