Die Leverkusener Zweitvertretung bekam für eine sehr überschaubare Leistung jedenfalls enormen Ertrag. Weil Rot-Weiss Essen mal wieder Geschenke verteilte, statt eine überlegen bis dominant geführte Partie vorzeitig für sich zu entscheiden. Eine Unachtsamkeit von Alassane Ouedraogo reichte, um Gonzalo Vásquez das 1:1 aufzulegen (88.). Wieder mal in letzter Minute. Die Referenzfälle dieser RWE-Misere aufzulisten ist müßig.
Dass ausgerechnet Ouedraogo ursächlich am doppelten Punktverlust beteiligt war, ist beinahe tragisch. Und symptomatisch für den Spielverlauf. Bis zu dieser 88. Minute lieferte der Winterzugang nicht weniger als sein bestes Spiel für Rot-Weiss Essen ab - und fügte sich damit gut in das Gesamtbild ein, das das Team von Uwe Erkenbrecher und Ralf Aussem abgab. „Es ist schon ein bisschen paradox, was bei RWE passiert“, befand Erkenbrecher, „denn spielerisch war das ein richtiger Schritt nach vorn.“
Widersprechen mochte ihm da niemand. 4.255 Zuschauer sahen zwar, dass die Hausherren Probleme hatten, in die Partie zu kommen, spätestens nach Sebastian Stachniks Kopfballtreffer (24.) spielte aber nur noch RWE. Selbst Bayer-Coach Ulf Kirsten fiel zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als Anerkennung für den Gegner ein. „Ein geil herausgespielter Konter“, musste der Europameister anerkennen. Und wann konnte man das zuletzt behaupten? Die Kombination über Mike Wunderlich und Broniszewski war in der Tat dazu angetan, Leverkusen einen schwarzen Samstagnachmittag zu prognostizieren. Die Rheinländer hatten dem Essener Kombinations(!)fußball herzlich wenig entgegenzusetzen.
Allein verpassten die Essener es, den Vorsprung auszubauen. Dass Schiedsrichter Dirk Wijnen dabei nicht immer den souveränsten Eindruck machte, tat sein Übriges. Zunächst holte sich Stachnik die fünfte Gelbe Karte ab, weil er trotz angezeigten Abseits aufs Tor schoss (36.), vier Minuten später traf der Angreifer erneut, die Tormusik lief bereits. Doch der Referee hatte ein Foulspiel erkannt.
Doch selbst davon ließ sich der Tabellenvierte nicht unterkriegen und knüpfte eigentlich auch im zweiten Durchgang an die überzeugende Leistung des ersten Durchgangs an. Wunderlich (85., 86.) hatte das zwingende 2:0 sogar gleich doppelt auf dem Fuß, legte aber erst zu spät ab und schloss dann zu unplatziert ab. So blieb am Ende eigentlich nur die Frage nach dem größeren Ärgernis: Das verpasste 2:0 oder der späte Ausgleich?
Erkenbrecher salomonisch: „Die letzte Cleverness hat gefehlt.“ Ihm sei ohnehin klar gewesen, dass noch ein Tor falle. „Lieber wäre mir natürlich gewesen, es fällt für uns.“ Auch wenn es bekanntlich anders kam und Stachnik gesperrt ist, blickt der 55-Jährige optimistisch auf die Partie gegen Preußen Münster. „Unser größter Gegner sind sowieso wir selbst. Fußballerisch war das aber eine richtig gute Leistung. Deshalb ist mir überhaupt nicht bange.“