Es ist ein ganz gewöhnlicher Sonntag in Remscheid. Die Kirchturmuhr schlägt zur 15. Stunde. Das Thermometer misst Temperaturen um die 20 Grad, der Himmel ist wolkenlos. Es herrscht bestes Fußball-Wetter im altehrwürdigen Röntgen-Stadion. Doch der Blick auf die maroden Tribünen löst Tristesse aus. Gerade einmal 250 Zuschauer haben sich in die ehemalige bergische Hochburg verirrt. Zu einem Landesliga-Spiel zwischen dem FC Remscheid und Kapellen-Erft. Es ist nur ein Beispiel für den Niedergang des Fußballs im Bergischen Land.
Vor 27 Jahren warf Remscheid Gladbach aus dem Pokal
Der Aufsteiger aus der Bezirksliga verliert sein Heimspiel schlussendlich mit 1:2, steht nach mittlerweile zwölf Partien auf einem Abstiegsplatz. Nach der Partie schreitet der FCR-Trainer gedankenverloren über den Rasen. Zdenko Kosanovic versucht ehemalige Atmosphäre aufzusaugen. "Vor 27 Jahren war hier die Hölle los", schwelgt der 53-Jährige in Erinnerungen. Damals sorgte Remscheid in der zweiten Runde des DFB-Pokals gegen Borussia Mönchengladbach für die große Sensation und warf die Fohlenelf aus dem Wettbewerb. Kosanovic stand selbst auf dem Platz, dirigierte seine Mitspieler im Mittelfeld entschlossen. Als Trainer lässt er die Zügel lockerer, schließlich sind seine Spieler keine Profis. "Ich versuche ihnen den Spaß am Fußball zu vermitteln", sagt der frühere Profi. Und das nicht vor 7.000 euphorischen Fans wie vor einem knappen Viertel-Jahrhundert, sondern vor wenigen hundert Zuschauern.
Nur wenige Kilometer entfernt, durch die Wupper getrennt, liegt die Klingenstadt Solingen. Früher noch durch den Klub Union Solingen bekannt, sind die hergestellten Messer mittlerweile das einzige markante Merkmal der Großstadt. Das ehemalige Stadion am Hermann-Löns-Weg liegt brach. 1989 wurde dort das letzte Profi-Spiel bestritten. Noch besitzt es aber den Charme der alten Tage – als Vereine wie der FC Schalke 04 oder Borussia Dortmund dort gastierten. Oder im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Borussia Mönchengladbach mit 16.000 Zuschauern ein Besucherrekord aufgestellt wurde. Vor fünf Jahren wurde Union nach einem abgeschlossenen Insolvenzverfahren aufgelöst. Seitdem streiten sich zwei Vereine um die offizielle Nachfolge. Sowohl der OFC Solingen als auch der BSC Union Solingen proklamieren für sich, der Folgeverein der einst so traditionsträchtigen Union zu sein. Beide Klubs spielen in der Kreisliga A – so kommen die Anhänger zumindest noch einige Male im Jahr zu brisanten Derbys. Am kommenden Sonntag ist es wieder soweit. Der BSC will das Erbe des früheren Vorzeige-Vereins weiterführen: "Wir sind ein Verein mit großer Tradition. Unsere erfolgreiche Historie ist Bestandteil unserer Identität", heißt es auf der vereinseigenen Homepage.
Stadion am Hermann-Löns-Weg soll abgerissen werden
Doch von der erfolgreichen Vergangenheit kann man sich sowohl in Solingen als auch in Remscheid nichts mehr kaufen. Das hier und jetzt zählt. Und dort sind die Traditionsvereine zu einer grauen Maus verkommen. Beim FCR versuchten die Verantwortlichen mit Thorsten Legat als Trainer wieder ein wenig Glanz ins Bergische Land zu bekommen. Es misslang genauso wie das Experiment der Unioner mit Thomas Brdaric als Trainer. Kosanovic ist in Remscheid nun um Kontinuität bemüht: "Wir wollen hier etwas aufbauen, aber das benötigt Zeit", sagt er. Zeit, die dem Stadion am Hermann-Löns-Weg in Solingen nicht mehr bleibt. Im kommenden Jahr soll die Arena einer Wohnsiedlung weichen und abgerissen werden. Es ist ein weiterer Punkt, der den stetigen Niedergang in der Fußball-Kultur des Bergischen Landes verdeutlicht.