Das mit dem Erfolg ist allerdings so eine Sache: Besonders die zweite Mannschaft, von RevierSport noch vor wenigen Wochen zu einer der zehn schlechtesten Fußballmannschaften aller Zeiten gekürt, schrieb Geschichte: Als erfolglose Losertruppe, deren Durstrecke die von Inter Bochum und Co. locker in den Schatten stellte.
"Viele kannten das Gefühl, ein Spiel zu gewinnen gar nicht"
Doch die schier unendliche Pleitenserie ist seit Sonntag Geschichte! Mit 4:2 siegte der C-Ligist gegen Eintracht Gelsenkirchen II. Ein gewonnenes Fußballspiel und das damit verbundene Glücksgefühl war für einige Akteure eine ganz
neue Erfahrung. „Viele kannten das Gefühl, ein Spiel zu gewinnen gar nicht“, berichtet Patrick Rahner. Der Stürmer steuerte selbst zwei Tore zum historischen Ereignis bei, außerdem trafen Pascal Baumgart und Marvin Schwontkowski für das bis dahin wieder einmal punktlose Schlusslicht.
Rahner lässt den bedeutenden Moment an jenem Mittag des 11. März noch einmal Revue passieren: „Wir gehen relativ früh nach einer Ecke mit 1:0 in Führung, kassieren in der 35. Minute dann aber den Ausgleich.“ Kurz vor der Pause pfeift Schiedsrichter Stefan Florian dann einen Elfmeter für die Gäste und die leidgeprüften Westfalen denken schon, dass es mal wieder nicht sein soll mit einem Unentschieden oder sogar mit einem Sieg. Doch Schalke-Keeper Eike Lehrhove pariert, es geht mit einem Unentschieden in die Kabine. „Wenn wir da das 1:2 bekommen, läuft das Spiel sicherlich anders“, unkt Rahner im Rückblick – doch auch so müssen die Hausherren einen Nackenschlag verpacken, denn der zweite Eintracht-Treffer folgt kurz nach dem Seitenwechsel.
Aber dann gelingt Rahner ein Doppelpack, Teamkamerad Schwontkowski macht sogar noch das 4:2! Was nach dem Abpfiff folgt, werden die Beteiligten noch ihren Enkeln berichten: „Wir sind uns alle in die Arme gefallen und haben uns tierisch gefreut. Man muss allerdings fairerweise sagen, dass auch sechs Spieler von der Ersten dabei waren, das hat schon etwas ausgemacht.“ Die spielt allerdings auch in der C-Kreisliga. Und so wurde die Sensation nach Spielschluss gemeinsam und gebührend gefeiert: Zwei Kisten Bier ließ der Vorstand spontan springen, Champagner wäre angesichts des Anlasses zwar passend, aber nicht so lecker gewesen.
Zwei große Fragen bleiben. Erstens: Wann hat die Schalker Reserve denn nun zum letzten Mal gewonnen? Im Mai 2006 soll es gewesen sein, vor dem Sommermärchen, vor Obama, Banken- und Eurokrise also. Da war auch Rahner noch nicht dabei, denn der 24-Jährige gibt zu, dass er erst durch eines jener Horrorergebnisse auf den sympathischen Underdog aufmerksam wurde. „Ich glaube, das war ein 0:28. Ich hatte damals jedenfalls nicht so viel Zeit zu trainieren und da habe ich mir mit ein, zwei Kumpels gesagt: Das sehen wir uns mal an.“ Trotz der sportlichen Misere war die Stimmung gut, die familiäre Atmosphäre ist das Pfund, mit dem der Klub, der tatsächlich gemeinsame Wurzeln mit dem großen FC Schalke 04 hat, wuchert.
Noch ein Sieg? Rahner macht sich keine Illusionen
Bliebe noch die zweite Frage: Hat man an der Grenzstraße Blut geleckt, bläst das Schlusslicht von der untersten Sohle nun zur großen Aufholjagd? Rahner, der bei der Stadt Krefeld eine Beamtenlauf anstrebt, antwortet so, dass es Fußball-Romantikern fast die Tränen in die Augen treibt: „Unser Trainer hat uns in all den Jahren vor jeder Partie gesagt, dass auch dieses Spiel wieder bei 0:0 anfängt. Am Sonntag haben wir endlich gesehen, dass es sich lohnt, zum Training zu kommen, zu den Spielen zu fahren, sich immer wieder das Trikot anzuziehen. Ich hoffe wirklich, dass uns das jetzt noch einmal neue Motivation gibt und sich das auch an den Ergebnissen ablesen lässt. Auch wenn das nicht heißen muss, dass wir direkt noch mal gewinnen oder in dieser Saison noch mal einen Punkt holen.“
Die aktuelle Tabelle der C 2 Gelsenkirchen: reviersport.de/fussball/211316-spieltag.html