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Geschlagen, bedroht, beleidigt – Wie funktioniert die Spruchkammer?
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Revier: Geschlagen, bedroht, beleidigt – Wie funktioniert die Spruchkammer?
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„Der Spieler wird wegen tätlichen Angriffs gegen den Schiedsrichter für vier Monate gesperrt.“ Immer wieder ist im Zusammenhang mit Vergehen auf beziehungsweise am Rande des Fußballplatzes von Urteilen der Spruchkammer zu hören. Ab welchem Ausmaß ist die Grenze überschritten, wann reicht die Rote Karte nicht mehr aus? RevierSport online verschafft einen Einblick in den juristischen Teil des Sport.

Uwe Horstmann ist seit einem Jahr Vorsitzender der Kreisspruchkammer Herne und schaut am Ende dieser Saison auf insgesamt 71 Urteile zurück. „Wir müssen uns mit schwerwiegenden unsportlichen Tätlichkeiten, zum Beispiel Kopfstößen, auseinandersetzen. Grundsätzlich werden Reaktionen gegen Schiedsrichter geahndet. Überhaupt gar kein Verständnis haben wir für sexuelle Beleidigungen, denn diesen Wortschatz will man im Spielbetrieb nicht hören. Heute geht es leider oft direkt unter die Gürtellinie“, erläutert Horstmann den Verhandlungskatalog. Vereine haben außerdem innerhalb von 48 Stunden die Möglichkeit Einspruch gegen Entscheidungen des Unparteiischen zu erheben. Verwaltungsangelegenheiten, wie Fristüberschreitungen, können dagegen oftmals schriftlich behandelt und mit einer Geldstrafe für die betroffenen Klubs quittiert werden. Spielabbrüche mussten in der vergangenen Zeit im Kreis Herne nur sehr selten verhandelt werden.

Differenziert werden muss zwischen mündlich und schriftlich zu klärende Belangen. „Über die Hälfte der Vorfälle können nur persönlich bearbeitet werden, weil die Sachlage oftmals noch nicht hundertprozentig klar ist“, begründet Horstmann und ergänzt: „Im Spielbericht kann beispielsweise stehen, dass der Schiedsrichter geschlagen wurde. Dies hört sich nach einem gravierenden Fall an, aber hinterher stellt sich heraus, dass ihm lediglich die Gelbe und Rote Karte aus der Hand geschlagen wurde. Somit ist es teilweise weniger schlimm als zuvor angenommen wurde.“ Das folgenschwerste Urteil in seiner Amtszeit war eine 27-monatige Sperre, verhängt an einen Alt-Herren-Spieler in der vorletzten Saison.

Auszug aus der Spielordnung: § 27 Sperrstrafen gegen Spieler in einzelnen Fällen (1) Gegen Spieler sind folgende Strafen zu verhängen: 1. nach einem Feldverweis auf Dauer wegen unsportlichen Verhaltens Sperre von mindestens zwei Wochen bis zu drei Monaten. (...) 5. Wegen Beleidigung oder Bedrohung des Schiedsrichters oder eines Schiedsrichterassistenten vor oder nach dem Spiel oder nach Zeigen der gelb/roten Karte Sperre von mindestens vier Wochen bis zu sechs Monaten (...). 8. Wegen tätlichen Angriffs gegen Spieler oder Zuschauer Sperre von mindestens 6 Wochen bis zu 18 Monaten. In besonders schweren Fällen ist auch eine Sperre auf Dauer möglich. (...) 9. Wegen tätlichen Angriffs auf den Schiedsrichter oder einen -assistenten Sperre von mindestens einem Jahr bis zu drei Jahren, in minderschweren Fällen Sperre von mindestens sechs Monaten. In besonders schweren Fällen ist auch eine Sperre auf Dauer möglich.

In dieser Spielzeit war das Höchstmaß eine 18-monatige Zwangspause aufgrund einer mehrfachen Tätlichkeit gegen einen Kontrahenten.

Am Tag der Urteilssprechung, die in der Regel alle zwei bis drei Wochen erfolgt, versammeln sich die Mitglieder der Kreisspruchkammer, der oder auch die Beschuldigten, die beiden Vereinsvertreter, gegebenenfalls Zeugen sowie der Schiedsrichter in der Gaststätte „Ritterstuben“ in Herne um zunächst die Bestandaufnahme vorzunehmen. „Nach der Beweiserfassung können wir das Urteil fällen“, vervollständigt der ehrenamtlich tätige Mitarbeiter des FLVW Herne. Die Mehrheit der Beschlüsse erfolgt auf der Grundlage des Paragraphen 27.1 der Spielordnung. „Danach können wir fast alles regeln. Für Verwaltungsproblematiken ist außerdem der Paragraph Acht der Rechts- und Verfahrenordnung wichtig, sehr selten beziehen wir uns dagegen auf die Schiedsrichterverordnung“, erklärt Horstmann. Im Falle einer Einsprucherhebung wird das Verfahren zunächst an die Bezirksspruchkammer und anschließend an die letzte Instanz, an die Verbandsspruchkammer in Kaiserau weitergeleitet.

Bei einem Blick auf die zurückliegenden Urteilssprechungen im Kreis Herne rückt zunächst der Schiedsrichter in die Rolle des Hauptleidtragenden, der Beleidigungen, Bedrohungen sowohl durch Spieler als auch Betreuer sowie Tätlichkeiten wie Schlagen über sich ergehen lassen musste. Der Vorsitzende revidiert dieses Bild aber: „Zuletzt war es so der Fall, aber im gesamten Saisonverlauf halten sich die Anzahl der Belange, in denen der Unparteiische beteiligt ist mit den Begehen gegen die Gegenspieler die Waage.“

Für das Amt des Vorsitzenden der Kreisspruchkammer ist keine juristische Ausbildung notwendig, lediglich ein Grundverständnis von Gesetzestexten. „Die verteidigenden Rechtsanwälte haben oft keine Ahnung von unseren Paragraphen, von unserer ‚Roten Fibel’ und können den Vereinen von daher meistens nicht weiterhelfen“, betont Uwe Horstmann.

Unbestritten ist dagegen der Sachverhalt, dass die A-Liga kaum Schauplatz schwerwiegender Vergehen ist. Die beiden untersten Klassen machen den Löwenanteil unter sich aus. Horstmann begründet dies mit einer vorsichtig ausgesprochenen Mutmaßung: „Genauso wie sich das spielerische Niveau zwischen der A- und der C-Liga unterscheidet, verhält es sich auch bei den Schiedsrichtern. Die Besseren pfeifen in der Kreisliga A, zudem werden diese Partien nicht von unseren eigenen Kameraden angeführt, sondern von den Kollegen aus Gelsenkirchen und Recklinghausen. Die Anzahl der Vergehen hängt sicherlich auch von der Autorität des Referees ab.“

Bleibt zu hoffen, dass die Kreisspruchkammer in der kommenden Saison seltener Urteile aussprechen muss.

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