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Polen: Ex-Nationalspieler Marco Reich spielt künftig in der Ekstraklasa
"Niemand hat Anspielungen auf den Zweiten Weltkrieg gemacht"

Polen: Ex-Nationalspieler Marco Reich spielt künftig in der Ekstraklasa

Der Ex-Nationalspieler Marco Reich ist beim polnischen Erstligisten Jagiellonia Bialystok gelandet. Den Kontakt in die 180 Kilometer östlich von Warschau entfernte Stadt stellte Ex-Bundesliga-Profi und Reich-Berater Thomas Sobotzik her. Nun schildert der 31-Jährige der Sportzeitung "Przeglad Sportowy" seine ersten Eindrücke von Polen.

Marco, was waren Ihre ersten Wörter, die Sie auf polnisch gesprochen haben?

Zuerst habe ich das Wort mit "K" gelernt (RS Anm. Kurwa=Scheiße, Nutte). Mittlerweile kenne ich schon einige Worte der polnischen Sprache. Es sind auch viele Schimpfworte dabei, jedoch werde ich auf dem Spielfeld meinen Frust in deutscher Sprache ablassen.

Wie haben Sie Ihre ersten Wochen in Bialystok erlebt?

Die Trainingseinheiten sind verdammt hart, jedoch habe ich das im Vorfeld erwartet. Von meinen Mannschaftskollegen bin ich sehr gut aufgenommen worden. Niemand hat Anspielungen auf den Zweiten Weltkrieg gemacht. Ebenfalls hat mich keiner beleidigt. Ich bin zufrieden.

Haben Sie sich schon in Bialystok eingelebt?

Ein Haus habe ich bereits gefunden. Jetzt warte ich darauf, dass meine Familie nachkommt. Vor dem Ligastart werde ich mein Haus sicherlich eingerichtet haben. Den Alltag meistere ich auch irgendwie. Jedoch kaufe ich nur in Geschäften mit Einkaufswagen ein. So kann ich der schwierigen polnischen Sprache noch aus dem Weg gehen und muss die Verkäuferin nicht fragen. Allerdings muss ich dazu sagen, dass die Menschen in Bialystok sehr hilfsbereit sind und mir schon oft unter die Arme gegriffen haben. Wenn es mal mit der Verständigung nicht klappt, dann benutze ich die internationale Zeichensprache.

Kann man die Vorbereitung in Polen mit der in der Bundesliga oder in England vergleichen?

In Polen ist der Trainingsumfang größer als in Deutschland. Das war für mich eine Überraschung. In England sieht die Vorbereitung hingegen ganz anders aus. In Bialystok gefällt es mir besonders, dass wir in jeder Einheit mit dem Ball arbeiten, dass ist weder in Deutschland noch auf der Insel der Fall.

Sie können der erste Deutsche sein, der in der Ekstraklasa ein Tor schießt. Ist das für Sie eine besondere Motivation?

Ob ich Tore erziele ist zweitrangig. Mein Ziel ist es Jagiellonia im Kampf um den Klassenerhalt zu helfen. Ich will, dass mich die Fans in Bialystok auch nach meinem Engagement in guter Erinnerung behalten.

Sie spielen nun in einem Land, in dem die Stadien sehr marode sind. Es gibt keine U-Bahnen, kaum moderne Gebäude und keine kilometerlangen Autobahnen. Ist das nicht ein komisches Gefühl?

Eure Stadien werden doch immer besser. Für die EM 2012 wird Polen ganz Europa moderne Spielstätten präsentieren, davon bin ich überzeugt. Irgendwann werdet ihr auch U-Bahnen und moderne Autobahnstrecken haben. Vor der WM 2006 waren die Stadien in Deutschland auch nicht die besten auf der Welt. Der deutsche Meister Bayern München hat in einem maroden Olympiastadion gespielt. Ich bin mir sicher, dass die EM ganz Polen einen Schub geben wird und das nicht nur in der Stadionfrage.

Sie galten mal als einer talentiertesten Spieler in Deutschland. Jedoch haben sie nur ein Länderspiel bestritten und das war sogar noch ein Testspiel.

Mein Länderspiel-Debüt habe ich im Alter von 21 Jahren gegeben und es blieb leider bei diesem einzigen Auftritt. Jedoch wurde ich noch öfters für Qualifikationsspiele nominiert, doch dann kam ich nicht zum Einsatz. Als ich dann meinen Stammplatz in der Bundesliga verloren habe, war das die logische Folge, dass ich mich vom A-Nationalteam immer weiter entfernt habe. Meine Karriereleiter zeigte steil nach unten. Ich konnte nie mehr an meine Leistungsgrenze anknüpfen.

Können Sie sich vorstellen länger als zwei Jahre in Polen zu bleiben?

Sag niemals nie. Doch man hat mich schon vor den harten Wintern in Bialystok gewarnt. Warten wir doch mal den März ab. Es kann aber auch so sein, dass es mir und meiner Frau so sehr gefällt, dass wir bis zum Ende unseres Lebens in Polen bleiben.

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