Nach der landesweiten Razzia zittert der gesamte italienische Profi-Fußball. Der Verdacht der Bilanzfälschungen, mit denen Italiens Top Klubs ihre Verluste in Millionenhöhe vertuscht haben sollen, wirft einen düsteren Schatten auf den Calcio. "Die Ermittlungen betreffen 53 Klubs", gab Liga-Präsident Adriano Galliani zu. Die Geschäftsstellen von allen Serie-A- und B-Klubs wurden durchsucht.
Durchsucht wurden auch die Büros des italienischen Fußball-Verbandes (FIGC) in Rom und der Liga in Mailand. "Die große Jagd auf die gefälschten Bilanzen hat begonnen. Die Folgen für den italienischen Fußball sind unabsehbar", schrieb die Sporttageszeitung Gazzetta dello Sport in ihrer Freitagausgabe. Der italienische Ministerpräsident und Boss von Champions-League-Sieger AC Mailand, Silvio Berlusconi, zeigte sich besorgt: "Ich weiß nicht, was dahinter steckt, ich hoffe jedenfalls, dass sich bald alles klären wird."
Juventus hat "nichts zu verheimlichen"
Milan-"Vize" Galliani warnte vor den gravierenden Imageschäden. "Die Untersuchung schadet dem Image des Fußballs, der dem Staat enorme Summen an Steuern zahlt", meinte Galliani. Von der Untersuchung unbetrübt zeigte sich dagegen der Juventus-Turin-Manager, Roberto Bettega. "Wir sind ein börsennotierter Klub und unsere Bilanzen sind vollkommen in Ordnung. Wir haben nichts zu verheimlichen", meinte Bettega.
Italiens Ex-WM-Star von 1982, Paolo Rossi, sieht die Lage anders. "Ich weiß nicht, wie sich der italienische Fußball aus diesem Sumpf befreien will. Die enormen finanziellen Interessen, die im Spiel sind, haben jegliches Gleichgewicht gesprengt. Die Mehrheit der Klubs biegt die Gesetze zu ihrem eigenen Nutzen. Im Ausland ist die Lage anders. Klubs, die für Betrügereien verantwortlich sind, haben kein einfaches Leben", so Rossi.
"Skandal wird ein nicht übersehbares Ausmaß erreichen"
Auslöser der Ermittlungen war der Chef des Serie-A-Klubs FC Bologna, Giuseppe Gazzoni Frascara. Dieser hatte vor wenigen Wochen einige seiner Kollegen beschuldigt, Bilanzen zu fälschen und Gewinne vorzutäuschen, um weiterhin Starspieler verpflichten zu können. "Auf diese Weise werden Vereine geschädigt, die ihre Bilanzbücher in Ordnung halten und korrekt handeln", bemängelte er.
Er setzte auf eigene Initiative ein Recherche-Team von Treuhändern und Privatdetektiven ein und legte das daraus entstandene Dossier den Staatsanwälten vor. "Die Ermittlungen sind erst am Anfang, der Skandal wird ein nicht übersehbares Ausmaß erreichen", so Gazzoni Frascara. "Seit Jahren habe ich dem Fußballverband und der Liga unklare Fälle angezeigt, niemand hat auf mich gehört. Nur die Steuerfahndung hat Interesse gezeigt", sagte der Bologna-Chef im Interview mit der römischen Tageszeitung La Repubblica.
Die Ermittler vermuten, dass italienische Top-Klubs ihre Spieler für Fantasie-Ablösesummen verkauft haben sollen, um damit ihre Bilanzen zu schönen. Zu den Transfers, die ins Visier der italienischen Staatsanwälte geraten sind, zählt der Wechsel des argentinischen Stürmers Hernan Crespo von AC Parma zu Lazio Rom im Jahr 2000 im Wert 55 Millionen Euro.