Mit Philipp Lahm als WM-Kapitän, Manuel Neuer als Nummer eins und Bastian Schweinsteiger als "Michael-Ballack-Double" will Joachim Löw die Mission "4. Stern" zum Erfolg führen: 16 Tage vor dem ersten Vorrundenspiel bei der WM in Südafrika hat der Bundestrainer nach tagelangen Diskussionen seine wichtigsten Personalentscheidungen öffentlich gemacht - und dabei in der T- und K-Frage für keine Überraschungen gesorgt.
Nun beginnt für die deutsche Nationalmannschaft mit dem heutigen Länderspiel (20.00 Uhr/live im ZDF) gegen Ungarn die heiße Phase der Vorbereitung auf die WM - allerdings erst einmal ohne ihre neuen Führungsfiguren Lahm und Schweinsteiger. Beide treten die Reise nach Budapest nicht mit an und absolvieren stattdessen im Trainingslager in Südtirol eine individuelle Einheit. Ab Montag sollen die beiden Stars von Bayern München dann wieder voll ins Geschehen eingreifen - die Erwartungen an Lahm (26) und Schweinsteiger (26) sind nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Ballack aber schon jetzt riesig. "Beide haben eine hervorragende Saison gespielt. Sie spielen eine ganz wichtige Rolle und haben durch ihr Auftreten und ihr Verhalten schon gezeigt, dass sie Verantwortung übernehmen", sagte Löw am Freitag in Girlan.
Lahm freute sich, "dass Joachim Löw mir das Vertrauen ausgesprochen hat. Unsere Zusammenarbeit war in den vergangenen zwei, drei Jahren schon sehr gut und eng. Ich bin stolz, Kapitän der deutschen Nationalmannschaft zu sein", sagte er dem SID, um dann sofort seine hohe Ansprüchen zu unterstreichen: "Ziel ist es nun, eine erfolgreiche WM zu spielen."
Der Verteidiger fülle seine Position schon seit Jahren "mit großer Klasse aus. Er hat außerdem Routine, kann die Dinge auf dem Platz sehr gut umsetzen und äußert immer deutlich seine Meinung. Er ist ein unheimlich wichtiger Ansprechpartner für mich", begründete Löw die Entscheidung für den 64-maligen Nationalspieler. Aber auch auf "Vize" Schweinsteiger ruhen im zentralen defensiven Mittelfeld große Hoffnungen. "Er soll die Rolle von Michael Ballack interpretieren. Er ist unser emotionaler Leader, unser Motor, der das Spiel aus dem Mittelfeld antreiben soll", umriss Löw die künftigen Aufgaben von Schweinsteiger (73 Länderspiele). Neben Lahm und Schweinsteiger nahm der Bundestrainer aber auch noch die erfahrenen Per Mertesacker, Arne Friedrich und Miroslav Klose besonders in die Pflicht: "Dem Mannschaftsrat kommt eine noch wichtigere Rolle zu als in der Vergangenheit. Bei unserer jungen Mannschaft wollen wir die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen." Mit seiner Entscheidung für Lahm rückte Löw auch vom Prinzip ab, dass der Spieler mit den meisten Einsätzen das Kapitänsamt übernimmt. In diesem Fall wäre Klose (94) erste Wahl gewesen. "Miro hatte eine schwierige Saison. Das Wichtigste ist bei ihm, dass er wieder in Form kommt. Er hat mir gesagt, dass er die Binde nicht zur Selbstbestätigung braucht", sagte Löw.
Im Tor vertraut der Bundestrainer nach dem Aus von Rene Adler wie erwartet dem Schalker Neuer. Der 24-Jährige setzte sich im Dreikampf mit dem Bremer Tim Wiese (28), der bei der WM als Nummer zwei geführt wird, und dem Münchner Jörg Butt, der am Freitag seinen 36. Geburtstag feierte, knapp durch. "Es war eine sehr, sehr enge Entscheidung", betonte Bundestorwarttrainer Andreas Köpke und fügte an: "Manuel hat eine sehr gute Saison gespielt und ein Riesenpotenzial." Trotz der Enttäuschung gerade bei Wiese erwartet Köpke, "dass sich die beiden voll reinhängen, im Training Druck auf Manuel ausüben, 100 Prozent fokussiert und allzeit bereit sind, falls etwas passiert". Am Samstag in Ungarn wird nun wie angekündigt Neuer zwischen den Pfosten stehen. Ansonsten wollte sich Löw vor dem vorletzten Test vor dem WM-Auftakt am 13. Juni in Durban gegen Australien kaum in die Karten blicken lassen. Klose solle Spielpraxis sammeln, verriet er. Zudem wird der lange Zeit verletzte Marcell Jansen wohl nach der Pause zum Einsatz kommen. Sicher ist zudem, dass neben Lahm und Schweinsteiger auch Butt und Thomas Müller in Südtirol bleiben. "Sie hatten eine hohe Belastung. Ich habe den Mut, sie nicht einzusetzen. Sie sollen in den kommenden Wochen ihre Topform abrufen", meinte Löw. Als einziger Bayern-Profi wird Neuling Holger Badstuber in Budapest dabei sein, "um die Atmosphäre zu erleben". Allzu große Erwartungen hat der Bundestrainer nicht an die Partie in Ungarn, schon gar nicht, was die Mannschaftsfindung für die WM anbelangt: "Ich habe vor der endgültigen Nominierung am 1. Juni noch die Gelegenheit, das ein oder andere zu sehen. Aber Einspielen werden wir uns hauptsächlich über das Training." Ziel sei es trotzdem, "dass wir gewinnen und uns seriös präsentieren".