Samstag-Morgen ging es vom Kölner Flughafen mit Easy-Jet los, in der Geburtsstadt der Beatles ging der Flieger "nach 70 Minuten" runter. Das Doppelzimmer im "Thistle Hotel" war noch nicht fertig, so dass man sich im nahen Pub umtrieb. Der Name: "Pig and whistle."
Agolli: "Das war nur ein halbes Haus, irgendwie wie im Krieg. Knapp 100 Leute, das Ding war rappelvoll." Das alles zu organisieren, war schlichter Kinderkram. "An die Karten zu kommen, war ein echter Akt", grinst Agolli, "das Stadion ist doch irgendwie bis 2013 ausverkauft, für die Tickets muss man sonst eigentlich jemanden umbringen." Loeschin nickt: "Die werden schon vererbt." Alles für eine ehrwürdige Arena, die "mitten in der Pampa liegt", betont Agolli, "dort beklagt sich keiner über mangelnde Infrastruktur, die Stadien liegen teils zentral im Wohngebiet."
Auch wenn in Europas Kulturhauptstadt 2008 seit 2000 Pläne für einen Neubau im Stanley Parc existieren. Problem erkannt, Problem gebannt, es klappte. Im besagten Pub saß das Duo dann zusammen mit Everton-Anhängern, der absoluten Konkurrenz der "Reds." Agolli: "Das ist ungefähr so wie Altenessen und Katernberg." Also mächtig herzlich. Als deutsche Kleingruppe musste das nicht interessieren. Loeschin nahm eher "das Rauchverbot" zur Kenntnis, "im Pub, dann auch im kompletten Stadion."
Zum Vergleich: In der Schalker Veltins-Arena glühen die Glimmstengel. Agolli nahm es entspannt: "Dafür wurde man auch nicht gefilzt, das ging alles völlig locker, in Deutschland muss man ja bald die DNA-Probe abgeben." Dass die ein Spiel begleitenden "Bobbies" stellenweise "echte Kanten waren", entging Agolli nicht.
Die Plätze waren hinter einem Tor. Der Coach: "Fünf Minuten vor dem Anpfiff startete dieser unglaubliche Gesang." Aus über 46360 - plus Agolli und Loeschin - Kehlen dröhnte "You'll never walk alone" - Agolli und Loeschin spürten die Gänsehaut. "So was gibt es bei uns überhaupt nicht mehr, diese Leute leben ihre Fankultur doch völlig anders", ist sich Agolli sicher. Selbst hohe Preise - das Essener Gespann zahlte je 36 Pfund - schrecken niemanden. Agolli: "Liverpool war richtig schlecht, ich habe aber hinterher trotz der Enttäuschung nicht einen Pfiff gehört." Die Veltins-Arena hätte gebrodelt. Der Ex-Stürmer: "Man steht immer hinter der eigenen Mannschaft, für diese Tickets wird auf einiges im Leben verzichtet."
Begeisterung, die noch Monate nachwirken wird. "Mir als Fußballer ging das runter wie Öl, das ist noch echte Anhängerkultur." Was beiden wichtig war. Agolli: "Vor dem Anpfiff gab es keinen Heckmeck, kein Ringelpietz mit Anfassen. Ein ganz nüchterner Ablauf." Weil die Begeisterung und das Kribbeln ohnehin da sind und nicht künstlich erzeugt werden müssen.
Natürlich hatte man Aufträge, die parallel zu erfüllen waren. So reklamierte Agollis Spielerin Steffi Weichelt ein Steven Gerard-Trikot, das sie natürlich auch bekam. Aus einem Fan-Shop mit einer Warteschlange, "die weiß ich wie lang war", sinniert Agolli.
Die Fußballatmosphäre elektrisierte, mit der britischen Speisekarte hatte nicht nur Agolli seine Schwierigkeiten. "Das war nicht mein Ding", gibt er zu. Dafür hatte er aber kein Problem mit der Einlasskontrolle in einem Restaurant. "Da stand irgend so ein Pinguin, der aber nicht merkte, wie ich hinten rum ging. Hinterher war er ganz schön knurrig." Der Hinweis auf Sprachdefizite half in der Situation. Bei den Abläufen auf der Straße bekam Agolli manchmal auch große Augen. "Linksverkehr", schüttelt er mit dem Kopf. Einmal wurde er von Loeschin schnell von der Fahrbahn gezogen.
Überhaupt hatte der A-Lizenzinhaber Glück, überhaupt seinen Fuß auf die Insel setzen zu dürfen. "Mensch, ich hatte meinen Pass vergessen", feixt Agolli, "dabei hatte mich Detlef vorab noch gefragt." Irren ist menschlich, es war der Führerschein, der nicht viel brachte. Beim Bundesgrenzschutz konnte er sich am Flughafen ein provisorisches Dokument ausstellen lassen, um überhaupt in Richtung Flieger zu kommen. Den richtigen Ausweis ließ er sich von Abwehrakteurin Carina Chojnacki im Rahmen einer Höllentour zum Flughafen bringen. "Alles war ganz knapp, sie erreichte mich, da stiegen wir gerade in den Flieger", schmunzelt Agolli. Mit Stewardess "Gigi" Whitman hatte er den Deal, dass sie das Papier am "Gate" in Empfang nehmen sollte. Loeschin: "Dafür haben wir sie sofort zum nächsten Heimspiel eingeladen." Das ist am 2. März gegen den FFC Frankfurt.
Das wird ein Highlight, eine Katastrophe ereignete sich an einem anderen Datum: 15. April 1989. Ort war das Hillsborough-Stadion in Sheffield, alles passierte während des FA Cup-Halbfinalspiels zwischen Liverpool und Nottingham Forest. Zu viele Besucher waren im FC-Block, Anhänger wurden gegen den Zaun gedrückt: 96 Tote und 730 Verletzte. Ein Grund, warum es in englischen Stadien nur noch Sitzplätze und keine Zäune gibt. "Im Stadion existiert eine Gedenkstätte", erklärt Agolli. Loeschin: "Dort sind auch alle Namen der Opfer aufgeführt." Blumen werden immer wieder niedergelegt. Und - Agolli: "Unglaublich, ein einzelner Wimpel lag dort auch, der war von Rot-Weiss Essen." Auch das ist Fankultur.
Genau wie das "Pin" im Pub ein Muss ist. "Wir hatten einige am Samstag-Abend", zählte Loeschin, "das waren jeweils 0,568 Liter." Die Marke war Forster's, eher nicht britisch, sondern australisch. Kein Aspekt, der störte, genauso wenig wie die Tatsache, dass "das gesamte Hotel voller Liverpooler Fans" war. Etliche tausend reisen für die Heimspiele von weit her an.
Loeschin: "Das war eine Party." Der Rückflug der SGS-Vertretung mit TUI Fly wurde von Manchester gestartet, die Taxifahrt dorthin kostete 68 Pfund, für eine Wette, die vorab abgegeben wurde, gingen zehn Pfund über den Mersey. Loeschin: "Der entscheidende Treffer sollte zwischen der 81. und 90. Minute fallen. Die Quote war 18 zu eins." Das Tor konnte allerdings nach 46 Zeigerumdrehungen festgestellt werden. Agolli: "Die Wettbude war zwischen den Hot Dog-Ständen." Wie gesagt: Kultur, Fußball pur, mit allen britischen Facetten.