Der Bezirksligist, genau genommen nur der Spieler Gzim Alijaj, ist am vergangenen Sonntag negativ aufgefallen. Seine Tätlichkeit gegen den Schiedsrichter beim Meisterschaftsspiel gegen Sendenhorst ist im wahrsten Sinne des Wortes ein herber Schlag - auch für den eigenen Klub. Denn Türkgücü-Trainer Thomas Hein weiß, dass es ganz schnell gehen kann und die mühsam verdiente Reputation auf einmal zu Nichte ist. "Besonders als Verein mit unserem Namen", seufzt Hein. "Dabei hat sich der Klub in den letzten Jahren immer ausgesprochen fair verhalten und sich auch über die Grenzen des Kreises Soest hinaus einen guten Ruf erarbeitet, das ist jetzt alles erstmal angekratzt", bedauert der Übungsleiter den Vorfall am Wochenende.
Denn da leistete sich einer seiner Akteure einen Schlag gegen den Schiedsrichter. "Alijaj hat selbst einen Ellbogenschlag abbekommen, sein Gesicht war am Mittwoch total entstellt, das Auge stark zugeschwollen", erklärt Hein den Auslöser der unentschuldbaren Reaktion. "Darauf hin ist er ausgerastet, hat über zwei gegnerische Spieler hinweg nach dem Schiedsrichter geschlagen. Ich habe keine Ahnung, wie feste er ihn getroffen hat. Aber das ist auch ganz egal, so etwas darf ihm einfach nicht passieren", stellt der Werler Coach klar.
Nach dem Spielabbruch gibt es nur Verlierer
Und um Missverständnissen vorzubeugen schiebt er nach: "Das alles kann nur der Versuch einer Erklärung, keinesfalls eine Entschuldigung sein. Alijaj weiß selbst nicht, was in ihn gefahren ist, bereut die Tat und will sich auch beim Schiedsrichter noch persönlich entschuldigen." Den Spielabbruch will der Familienvater dann auch gar nicht infrage stellen: "Ich habe vollstes Verständnis für den Schiedsrichter, alleine die Regeln lassen ja schon gar keine andere Entscheidung zu."
Trotz der fortdauernden Personalsorgen, die sich nach der Sperre für Alijaj und durch den angekündigten Rücktritt von Ciallella (siehe Haupttext) noch verschärfen, will Türkgücü sich nicht vom Spielbetrieb zurückziehen. Das ergab eine Sitzung von Vorstand und Mannschaft am Mittwochabend, bei der "fast alle gesagt haben, dass sie weitermachen", so Hein. Nach dem wahrscheinlichen Abstieg müsse in der A-Kreisliga dann ein Neuaufbau "mit jungen Spielern aus dem Ort" erfolgen. "Der Verein muss sich konsolidieren. Sportlich und finanziell", findet der Trainer. Denn zudem drücken den Klub hohe Verbindlichkeiten gegenüber dem Verband.
Von einem Rauswurf Alijajs aus dem Verein will man in der Wallfahrtsstadt absehen. "Das ist eigentlich ein prima Kerl und im Moment ist er durch die Verletzung schon genug gestraft." Um eine sehr lange Sperre kommt der Übeltäter natürlich nicht herum. "Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wie das alles abläuft, habe mit soetwas noch nie zu tun gehabt", versichert Hein. Das klingt glaubhaft, der 43-Jährige ist zwar schon lange im Geschäft aber alles andere als ein Lautsprecher seiner Zunft. "Klar würde ich das Spiel gerne noch mal beginnen, aber wenn die Partie jetzt mit 2:0 für den Gegner gewertet wird, ist das auch nicht das größte Problem."
Denn neben dem Schiedsrichter, der "sich hoffentlich erholt und nicht Angst davor hat, wieder einen Fußballplatz zu betreten" (Hein), ist auch der Verein Türkgücü Werl der hauptsächlich Leidtragende. Neben dem enormen Image-Schaden hat der Bezirksligist ein gravierendes personelles Problem - und das nicht erst seit Sonntag: Schon in der Hinrunde mussten die Werler in Wolbeck in Unterzahl antreten und bekamen dafür die bittere Quittung: 11:0 hieß es am Ende für die Gastgeber!
"Auch wenn es viele nicht verstehen - ich fühle mich wohl"
Und nach dem jüngsten Zwischenfall fällt nicht nur Alijaj aus, sondern wohl auch Adriano Ciallella, der nach dem Abbruch wutentbrannt seinen Rücktritt bekannt gab. "Das muss sich Adriano jetzt überlegen, ob er das wirklich durchzieht", runzelt Hein die Stirn. Denn die Personaldecke beim Liga-Schlusslicht ist extrem dünn. "Ich war ja froh, dass ich 12, 13 Leute beim Training hatte, bei meinem Vorgänger waren es noch weniger", berichtet Hein, der jetzt hofft "die Saison wenigstens vernünftig beenden zu können." Dass heißt zum einen, keine weiteren Negativ-Schlagzeilen zu schreiben. Zum anderen, nicht abzuschenken: "Wir wollen keine Wettbewerbsverzerrer sein, das wäre nicht fair." Und in den letzten zehn Meisterschaftsspielen will der SV "wenigstens mit einem Reservespieler antreten", wie der Bankkaufmann festhält.
Hein kann schon wieder schmunzeln, als er das sagt. Auch wenn es sportlich überhaupt rosig aussieht: Das rettende Ufer ist für "die Türken" in weite Ferne gerückt. "Ich kann mir aber auch absolut vorstellen, in der A-Kreisliga hier zu arbeiten. Denn ich wusste überhaupt nicht, was mich erwartete, als ich hier in der Winterpause hingekommen bin. Das war schon ein Risiko, vielleicht erwarten einen ja nur Chaoten, aber das Gegenteil war der Fall."
Der Schlusssatz des Westönners klingt wie ein Pladöyer für den von Finanz- und Personalkrisen gebeutelten Verein: "Auch wenn es viele sicher nicht verstehen - ich fühle mich wohl hier. Ich wohne mit meiner Familie fünf Minuten vom Platz entfernt und will nicht eine halbe Stunde zum Training fahren. Das ist nicht meine Welt - die ist irgendwo rund um den Kirchturm."