Beim Vortrags- und Diskussionsabend im Rahmen der Reihe »1:0 – Kultur gegen Rassismus« in Köln hatte es Michael Weiss vom Berliner apabiz (Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum) nicht leicht. Die schwierige Aufgabe des Referenten bestand darin, Licht in das Dunkel um »rechte Lifestyle-Marken« zu bringen.
Die Szene ist schon jetzt sehr groß – Weiss sprach von mehr als 100 rechtsextremen Modelabels – aber sie wächst und verändert sich ständig. Viele der Firmen versuchen derzeit, in das Fußballgeschäft einzusteigen, um dort Geld zu verdienen, so Experte Weiss. Dafür arbeiten sie gerne mit schwammigen Begriffen, die es dem gemeinen Fußball-Fan sehr schwer machen, die jeweilige Modemarke als »rechte Meinungsmache« zu identifizieren. Doch nicht nur die Fußball-Zuschauer sind verwirrt, auch staatliche Behörden beißen sich an der Entschlüsselung der verwendeten Codes mitunter die Zähne aus. Weiss sagt: »So wird eine Marke – häufig auch aus Unwissenheit – gekauft und bleibt erlaubt.« Gelingt es dem Staatsschutz dagegen, ein Zeichen oder einen Schriftzug zu verbieten, ist schnell eine Abwandlung kreiert. Das Katz-und-Maus-Spiel beginnt von vorne.
In seinem Vortrag nahm Weiss immer wieder Bezug auf die brandenburgische MediaTex GmbH. Diese habe sich 74 Modemarken schützen lassen und mache einen Jahresumsatz von mehreren Millionen Euro. Hauptvertriebsprodukt sind dabei vermutlich die Textilien der deutschlandweit bekannten Marke »Thor Steinar«. Das Tragen der Marke ist zwar in keinem Bundesland strafrechtlich verboten, jedoch stuft der Verfassungsschutz Brandenburg das Label als »Erkennungs- sowie Abgrenzungsmerkmal« der rechtsextremistischen Szene ein. Grund dafür sei unter anderem das »Spiel mit mehr oder weniger verhohlenen Andeutungen an der Grenze zur Strafbarkeit«. Und dieser Umgang sei charakteristisch für das Sortiment der Firma, so die Verfassungsschützer.
Während Gesetzgeber und Judikative über Paragraphen und deren Auslegung streiten, ist das Label weit verbreitet, wird als Kennzeichen genutzt und verärgert nicht nur die Fans.
Zivilcourage gegen rechte Meinungsäußerung?
In vielen Bundesliga-Stadien ist das Tragen der Textilien deshalb bereits verboten: In manchen Stadionordnungen ist das Interdikt allgemein gehalten (wie beim FC St. Pauli), in anderen wird der Markenname explizit erwähnt (zum Beispiel in Dortmund und Düsseldorf). In Köln ist die Marke allerdings (noch) erlaubt. Und das soll auch so bleiben. Denn auf dem Symposium sprachen sich neben dem FC-Sicherheitsbeauftragten Udo Litjens und dem Fan-Beauftragten Rainer Mendel auch viele Fan-Club-Vertreter dafür aus, die Marke nicht zu indizieren. »Man muss innerhalb der Fan-Szene Zeichen setzen und dafür sorgen, dass die Träger jeglicher rassistischer Botschaften im Block nichts zu suchen haben«, so der allgemeine Tenor. Der favorisierte Lösungsansatz heißt: Zivilcourage gegen rechte Meinungsäußerung. Eine ehrenvolle Sicht der Dinge. Doch funktioniert das in der Praxis?
Das Argument, ein Verbot würde das Übel nicht bei der Wurzel packen, lässt Michael Weiss nicht gelten. Er teilt die Auffassung des Verfassungsschutzes Brandenburg. »Symbole im Allgemeinen stellen eine Identität her, zeigen eine Zugehörigkeit und stecken damit ein Territorium ab. Das wirkt, vor allem auf Jugendliche, mitunter anziehend“, erklärt Weiss und spricht sich für ein von aufklärender Arbeit flankiertes Verbot aus: »Viele junge Menschen kommen allein dadurch mit der rechten Szene in Berührung, dass im Stadion Kontakte entstehen. Wird dieser Szene durch ein Verbot das Errichten einer Plattform erschwert, schwindet die Anziehungskraft. Im besten Fall bleibt der Kontakt ganz aus.«
Auch die Deutsche Fußball-Liga empfiehlt laut DFL-Geschäftsführer Holger Hieronymus den Vereinen, ein Hindernis in die jeweilige Stadionordnung mit aufzunehmen. Vorschreiben könne man es den Klubs aber allein schon deswegen nicht, weil viele nicht Eigentümer ihres Stadions seien, so Hieronymus. Darüber hinaus pflichtet er Weiss bei: »Ein Verbot darf nicht alleine stehen bleiben. Wir müssen in jeder Richtung Aufklärungsarbeit leisten, um die breite Masse für die Problematik zu sensibilisieren und um das Drängen rechter Ideen in die Öffentlichkeit wirksam zu bekämpfen.«
Die meisten Vereine fühlen sich von der DFL in diesem Zusammenhang gut beraten. St. Pauli-Pressesprecher Christian Bönig sagt: »Die DFL hat Spezialisten am Werk, was das Entschlüsseln von Codes angeht. Wir helfen im Gegenzug mit Erfahrungswerten aus der Praxis.« Der Hamburger Klub vom Millerntor war der erste Bundesligist, der vor fünf Jahren ein Verbot aussprach. »Die Formulierung in der Stadionordnung ist bei uns allgemein gehalten«, erklärt Bönig. »Wir müssten ansonsten ständig auf die sich verändernden Marken reagieren.« Auch in Dortmund und Düsseldorf gibt es die universell gehaltenen Ausdrucksweisen, die das Verbreiten rassistischer Botschaften verbieten. Dazu wurde aber dort der Markenname »Thor Steinar« explizit in die Stadionregeln aufgenommen.
Man ist sich also bei vielen der genannten Bundesligisten einig, dass die Marke »Thor Steinar« vor allem vom rechten Milieu getragen, dort als Erkennungssymbol benutzt wird und dass man das – vorsichtig gesagt – nicht schätzt. Gemeinschaftliches und entschlossenes Handeln können in einem solchen Fall der Übereinstimmung helfen. DFL und Vereine bemühen sich um Absprachen, die weit reichen können. Nur der Deutsche Fußball-Bund bezieht in dieser Sache nicht eindeutig Stellung. Die Marke »Thor Steinar« blieb am Mittwochabend beim Länderspiel gegen Norwegen im Stadion zwar verboten, der DFB berief sich hier aber auf die Düsseldorfer Stadionordnung, welche die Marke verbietet. »Hätte das Spiel in Köln stattgefunden, hätte man die Gegebenheiten prüfen und darüber sprechen müssen«, sagt DFB-Sicherheitsbeauftragter Helmut Spahn.
Die nicht eindeutige Situation stiftet also in Fußballdeutschland für allerhand Verwirrung, zum Beispiel auch bei der Dortmunder Polizei. Auf Nachfrage von 11freunde.de versicherte Pressesprecher Wolfgang Wieland zunächst, dass in der Besucherordnung des Westfalenstadions die Marke »Thor Steinar« nicht explizit erwähnt sei, nur um später erstaunt auf die Tatsache zu reagieren, dass die Marke dort schon seit anderthalb Jahre indiziert ist. Die Kollegen vor Ort wissen das hoffentlich besser, sind es doch sie, die unter Umständen einen Platzverweis vollstrecken müssen.