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Schiedsrichter: Cetin Sevinc und die interkulturelle Kompetenz
Mit Selbstvertrauen Richtung Bundesliga

Schiedsrichter: Cetin Sevinc und die interkulturelle Kompetenz
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Sein großer Traum ist die Bundesliga. Deniz Aytekin und Babak Rafati haben es vorgemacht. Während die beiden Schiedsrichter mit türkischem und iranischen Migrationshintergrund bereits in der deutschen Eliteklasse angekommen sind, möchte auch Cetin Sevinc bald in den richtig großen Arenen pfeifen.

Das Zeug dazu hat er. Während Aytekin und Rafati jedoch beide in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, siedelte Sevinc erst im Alter von elf Jahren mit seinen Eltern und seinen Geschwistern aus dem Südosten der Türkei nach Deutschland über.

Sevinc gilt als eine der großen Nachwuchshoffnungen im deutschen Schiedsrichterwesen. Derzeit pfeift der erst 26 Jährige in der A-Junioren-Bundesliga und bei den Senioren in der NRW-Liga, zudem assistiert er in der Regionalliga, der vierthöchsten deutschen Spielklasse. "Zwei bis drei Mal pro Wochenende bin ich im Einsatz", hat sich der Elektromeister ganz der schwarzen Zunft verschrieben. "Viel Zeit für ein anderes Hobby oder eine Freundin bleiben da nicht", fällt auch der Diskobesuch für ihn meistens flach.

Dafür ist er in seinem Sport umso erfolgreicher. Mit "positiven Rückmeldungen der Schiedsrichterbeobachter" ausgestattet, könnte bei weiterhin guten Leistungen schon gegen Ende der Saison der Sprung in die Regionalliga gelingen. "Das wäre eine schöne Bestätigung meiner Arbeit. Natürlich ist, wie bei jedem anderen Fußballer und Schiedsrichter auch, die nächst höhere Liga mein Ziel", will sich Sevinc mittelfristig mit den Besten seiner Zunft messen.

Dabei hatte er sich die schwarze Kluft anfangs eigentlich nur wegen des Geldes übergezogen. "Mein Bruder Süleyman hat sich mit dem Pfeifen sein Taschengeld aufgebessert. Da dachte ich mir, wenn das so leicht ist, dann mache ich das auch", erinnert er sich zurück.

Das war vor neun Jahren. Doch im Gegensatz zu seinem Bruder, dem der Einsatz für die paar Euro Aufwandsentschädigung schnell zu hoch wurde, war er von der Schiedsrichterei fasziniert. "Es hat nicht lange gedauert, bis ich Spaß an der Sache gefunden habe. Ich bin dann zu meinem Obmann gegangen und habe ihn gefragt, wie ich das ernsthaft betreiben kann", schmunzelt der in Waltrop lebende, aber für den ESV Herne pfeifende Referee.

Mit 19 Jahren musste sich Sevinc, der seine Jugend in Dortmund verbrachte und beim Hombrucher SV auch selbst gegen den Ball trat, dann für das Leben als Spieler oder als Schiedsrichter entscheiden. Das fiel ihm nicht schwer. "Ich habe gemerkt, wie ich mich durch diese wichtige Aufgabe auch als Mensch in meiner Persönlichkeit immer weiter entwickelt habe", sei er in seinem Auftreten durch ein gestärktes Selbstbewusstsein auf und auch außerhalb des Platzes gereift. "Ich lerne viele interessante Menschen kennen und bin bundesweit unterwegs", zählt Sevinc weitere Vorzüge auf.

Allerdings verschweigt er auch die Schattenseiten nicht. "Als Schiedsrichter musst du es abkönnen, dich auch regelmäßig anpöbeln und beschimpfen zu lassen", gibt Sevinc zu, dass dies nicht jedermanns Sache sei.

Neben einer guten körperlichen Fitness, die er sich neben den Lehrveranstaltungen und Trainingslagern der Verbände durch mindestens zwei Laufeinheiten pro Woche holt, hilft ihm in vielen Situationen seine interkulturelle Kompetenz. "Durch meine Mentalität, die denen vieler Spieler ähnelt, die auf dem Platz zu den Problemfällen zählen, kann ich mich vielleicht besser in diese hineinversetzen und sie nehmen von mir eher etwas an", stimmt Sevinc zu. "Da wird dann auch schon mal auf Türkisch zur Ordnung gerufen."

Dennoch erleichtert ihm seine Herkunft nicht immer die Arbeit. "Wie in vielen Lebenslagen muss ich als ausländischer Mitbürger auch auf dem Platz 110 Prozent Leistung abrufen, um bei einigen Menschen zu 100 Prozent anerkannt zu werden", seien rassistische Ausfälle bei den Zuschauern zwar nicht an der Tagesordnung, kämen aber immer mal wieder vor. "Besonders als Assistent an der Linie bekommst du das hautnah mit. Aber irgendwann stehst du da drüber", will sich Sevinc seinen Spaß an der Pfeiferei nicht durch ein paar unverbesserliche Ewiggestrige kaputt machen lassen. "In der Regionalliga habe ich schon mal in Braunschweig an der Seite von FIFA-Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer vor 16.000 Zuschauern gewunken", berichtet Sevinc stolz.

Weitere Highlights waren im Sommer die Leitung des Freundschaftsspiels Preußen Münster gegen Glasgow Rangers und vor allem ein Einsatz beim Halbfinale der WM 2006 in Deutschland. Sevinc kam allerdings nicht beim Spiel der DFB-Elf gegen Italien zu Ruhm und Ehre, sondern bei der Weltmeisterschaft der Menschen mit Behinderungen. Im Stadion Rote Erde in Dortmund pfiff er seinerzeit beim 5:0 der Deutschen gegen die Niederlande. "Das war in der Tat ungewöhnlich", nickt Sevinc.

Die Niederländer hatten sich geweigert, unter dem angesetzten Schiedsrichter aus Südkorea zu pfeifen, weil sie mit diesem in der Vorrunde schlechte Erfahrungen gemacht hatten. Kurzfristig sollte ein Ersatzmann gefunden werden. Voraussetzungen: Er musste dem Spiel gewachsen sein und durfte kein Deutscher sein. Die Wahl fiel auf ihn, dabei besitzt Cetin Sevinc längst einen deutschen Pass.

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