Sportlich ging es auf der "Sportanlage am Forsthaus" mit einem Blitzturnier der Alten Herren von Eintracht Erle, der SpVgg. Erle 19 und der eigenen "Oldies" los. Am gestrigen Samstag folgte ein Duell der 08-Alt-Herren gegen das Landesliga-Team von 1994, das mit unter anderem dem Ex-Schalker Uli Bittorf den Aufstieg in die Landesliga schaffte. Höhepunkt der Feierlichkeiten ist am kommenden Dienstag, 12. August, ein Match aus früheren Erler Spielern gegen die Traditionsmannschaft des FC Schalke 04.
Die Grün-Weißen haben für diesen Kick auch ihre Eigengewächse und späteren Profis Carsten "Erle" Wolters sowie Rüdiger Abranczik eingeladen. In den Reihen der Königsblauen werden die ehemaligen Nationalspieler Olaf Thon, Mathias Herget und Klaus Fichtel erwartet. Der passende Anlass, um ein wenig in die Geschichte des Vereins abzutauchen, der vor 50 Jahren noch zu den Größen im Gelsenkirchener Fußball gehörte.
Bereist 1907 finden sich im Nordosten Gelsenkirchens einige junge Männer zusammen, die das damals verachtete Fußballspiel kultivieren. Sie treffen sich unregelmäßig auf dem Platz an der Schulstraße, Ende 1907 stellt ihnen die Gemeinde das Grundstück am Forsthaus zur Verfügung, das bis heute die Heimat des Vereins ist. In der Gaststätte "Lindenhof", die dem Vater des Gründungsmitglieds Josef Rose gehört, steckt man die Köpfe zusammen, wie man einen geregelten Spielbetrieb stemmen kann. Im Frühjahr 1908 übernimmt Paul Eichentopf die Leitung des noch blutjungen Clubs und sorgt für die Aufnahme in den Westdeutschen Spielverband, 1909 nimmt der "Ballspielverein Buer-Erle" in den Vereinfarben blau-weiß erstmals an Meisterschaftsspielen teil. Das zunächst mit bescheidenem Erfolg, haben doch die Turnväter noch das Sagen. 1909 schließt man sich dem Turnclub Erle an, erst zwei Jahre später gelingt die Abnabelung von den Gymnastik-Puristen. Es ist der Anfang des sportlichen Aufschwungs, und die rührigen Mitglieder des Ballspielvereins Erle gönnen sich selbstbewusst die Jahreszahl 08 im Vereinsnamen.
1914, kurz vor dem Ausbruch des ersten Weltkriegs, strahlt Erle 08 in voller Blüte. Mit dem Gewinn der Bezirksmeisterschaft darf am Forsthaus der erste große Erfolg gefeiert werden. Welchen Stellenwert die Erler Fußballer in der Region genießen, belegt die Tatsache, dass gleich fünf 08er zum Auswahlteam des Bezirks Bochum-Gelsenkirchen gehören.
Als 1918 der Spielbetrieb wieder aufgenommen wird, gewinnen die Erler, die 15 im Krieg gefallene Mitglieder verlieren, in Recklinghausen gegen Wanne gleich wieder den Bezirksmeistertitel. Schnell blüht das Vereinsleben wieder auf und die Generalversammlung beschließt im Dezember 1919 nicht nur die bis heute gültige Änderung des Vereinsnamens in Erler Spielverein 08, sondern auch gleich des Outfits. Ab sofort kicken die Forsthaus-Buben in Grün-Weiß und dürfen inzwischen eine angemessene Platzanlage mit einem zusätzlichen zweiten Trainingsfeld ihr Eigen nennen.
Der sportliche Höhenflug ist unaufhaltsam, nach der erneuten Bezirksmeisterschaft sichern sich die Erler auch den Titel der neu geschaffenen Kreises Niederrhein, was mit dem Aufstieg in die Gauliga, die höchste deutsche Spielklasse, belohnt wird. In der neu geschaffenen Ruhrgau-Liga messen sich die Grün-Weißen ab 1921 mit damals so bekannten Gegnern wie ETB Schwarz-Weiß, Preußen Essen, BV Altenessen, SC Gelsenkirchen 07 und Dortmund 95, dies teilweise vor 5.000 Zuschauern am Forsthaus.
Doch die in Deutschland einziehende Wirtschaftskrise macht auch im Gelsenkirchener Norden nicht halt. "Bei einzelnen Spielern zeigten sich als Folge der Geldinflation materialistische Einstellungen, unter denen naturgemäß auch die Mannschaftsleitung litt. Geschäftemacher bekamen Oberwasser; alte, verdiente Mitarbeiter in der Vereinsleitung zogen sich verbittert zurück", steht es in der Festzeitschrift zum 50-jährigen Jubiläum geschrieben.
Erst 1935 schafft Erle 08 die Rückkehr in die Gauliga, bleibt aber nur zwei Jahre in der höchsten Spielklasse und rutscht 1939 sogar in die Kreisklasse ab. Zuvor muss der Erler Spielverein im Mai 1938 auf Anordnung des Reichssportführers mit den Turnvereinen Erle sowie Spiel und Sport Erle 1930 eine Zwangsehe zum Spiel- und Turnverein 08 eingehen. Es ist kein Bund fürs Leben, doch nach dem zweiten Weltkrieg muss Erle 08 auch aus anderen Gründen fast wieder ganz von vorn anfangen. Die Bombenangriffe auf Gelsenkirchen haben auch die Platzanlage am Forsthaus in Schutt und Asche gelegt. Die Stadt stellt dem Verein ein Gelände an der Oststraße zur Verfügung, gut einen Kilometer von der eigentlichen Heimat entfernt.
Neun lange Jahre dauert, ehe Erle 08 aus dem Schatten der dominierenden Clubs aus der Nachbarschaft treten kann. Während im Schatten von Schalke 04 sich die STV Horst als zweite Kraft im Vertragsfußball profiliert, begegnen die Grün-Weißen im Norden der Stadt den Konkurrenten SC Hassel und BV Buer 07 langsam wieder auf Augenhöhe. Nachdem 1953 der Aufstieg in die Landesliga durch eine Heimniederlage vor 12.000 Zuschauern gegen den SV Zweckel leichtfertig verspielt wird, gelingt parallel zum "Wunder von Bern" der Aufstieg in die höchste Amateurklasse.
Und um das Glück in Erle komplett zu machen, ermöglichen städtische Zuschüsse, Einnahmen aus Totogeldern und eine Finanzspritze der Zeche "Graf Bismarck" die Rückkehr ans Forsthaus. Treibende Kräfte sind das Ehrenmitglied Theodor Claassen, Arbeitsdirektor im benachbarten Steinkohle-Kraftwerk, und 08-Vorsitzender Heinz Koprowski. Die gründlich renovierte Platzanlage, die neben einem Rasen- und einem Aschenplatz auch ein Jugendheim beherbergt, weiht die Jugend-Kreisauswahl Gelsenkirchens mit einem Spiel gegen Junioren aus Berlin ein.
Der Neuling sorgt in der Landesliga gleich Furore und läuft am Ende der Saison mit sechs Punkten Vorsprung auf der Zielgerade ein. 45:11 Zähler fahren Torwart Manfred Gudasch, Läufer Eitel Paara und Co. ein. Für die tolle Quote von 81:31 Toren sorgt aber vor allem Gerd Büttner, der mit 32 Treffern Torschützenkönig wird. "Mein Großonkel", sagt Peter Gendreiko stolz.
Der heutige Vorsitzende ist noch nicht geboren, als der Vater seiner Mutter den SV Erle fast in den Vertragsfußball schießt. In der Relegationsrunde um den Aufstieg kommt es nicht nur zum Duell mit dem Ortsnachbarn Eintracht Gelsenkirchen, sondern der VfB Bielefeld, Dortmund 95 und die Sportfreunde aus Siegen sind weitere hohe Hürden auf dem Weg in die Zweite Liga West.
Nach einer 0:3-Niederlage in Bielefeld gewinnen die Erler das erste Heimspiel am "Katharinenwäldchen" in Hassel gegen Dortmund 95 durch ein Tor von Barek mit 1:0. Die folgende 1:3-Niederlage in Siegen bedeutet fast schon das Aus der 08er-Träume, die im finalen Spiel gegen die SG Eintracht durch ein 0:1 endgültig begraben werden müssen. Während die Ückendorfer den Aufstieg ins Unterhaus des Lizenz-Fußballs feiern dürfen, bleibt Erle in der Landesliga.
Zum 50-jährigen Bestehen greifen die Grün-Weißen erneut oben an, Trainer Winfried Noell löst Ludorf als Coach ab und geht mit einer leicht verjüngten Erler Mannschaft optimistisch ins die Meisterschaft. In der Hinserie stürmt die Truppe an die Tabellenspitze, hat aber nicht das Stehvermögen und landet am Ende nur auf dem undankbaren zweiten Platz.
Einer der jungen Burschen im 08-Trikot ist Dieter Paczinski. Der rechte Läufer schafft von der Jugend gleich den Sprung in die "Erste", erlebt das persönliche Highlight in seiner noch jungen Fußballer-Karriere aber erst ein Jahr später. "Wir standen in der Hauptrunde des DFB-Pokals. Eintracht Gelsenkirchen haben wir vorher schon mit 2:0 rausgekegelt und jetzt kam Schalke", erinnert sich Paczinski. "11000 Zuschauer waren am Forsthaus, aber leider haben wir mit 1:2 verloren", mussten sich die Erler gegen den Deutschen Meister von 1958 geschlagen geben.
Bis 1969 hält sich 08 in der höchsten Amateurklasse, doch die Schließung der Zeche "Graf Bismarck" prägt auch die wirtschaftliche Situation im Verein. Der Abstieg in die Landesliga kann zwar zwei Jahre später mit der Rückkehr in die dritte Klasse wett gemacht werden, doch der schleichende Abschied vom Spitzen-Fußball auf der Amateurebene ist unaufhaltsam. 1974 gelingt zwar noch einmal der Wiederaufstieg in die Verbandsliga, in der man bis 1980 kickt, doch dann verschwindet Erle 08 im Niemandsland des hiesigen Fußballs.
Im letzten Viertel-Jahrhundert macht sich der Club nur noch als Brutstätte späterer Bundesliga-Profis einen Namen. Neben Carsten "Erle" Wolters, noch heute bei den "Zebras" in Duisburg aktiv, und dem Schalker Thomas Kläsener gehört auch Olaf Skok zu den Erler Jungen, die später Karriere machen. Vater Dieter, 1965 von der 08-Jugend in die erste Verbandsliga-Mannschaft aufgerückt, hat diese Möglichkeit nicht. Mit Werner Knoth, Johnny Matebel, Werner Kopaz und Werner Papies gehört er zu den späteren Erler Urgesteinen, die dem Verein stets treu bleiben.
Zum hundertsten Geburtstag hatten sich die Erler eigentlich die Rückkehr in die Verbandsliga vorgenommen, doch ausgerechnet zum großen Jubiläum ging es erneut eine Etage abwärts.
Das Jubiläumsprogramm: Sonntag, 10. August, 11 Uhr: Festempfang am Forsthaus Montag, 11. August, 18.45 Uhr: Erle 08 – Heßler 06 Dienstag, 12. August, 18.30 Uhr: Auswahl Erle 08 - S04-Traditionself Donnerstag, 14. August, 18 Uhr: Erle 08 II - SpVgg. Erle 19 Freitag, 15. August, 18 Uhr: Erle 08 - Vestia Disteln (1. Meisterschaftsspiel) Samstag, 16. August, 10 Uhr: Mädchen-Fußballturnier Samstag, 16. August, 18 Uhr: Jubiläumsball (Gerhart-Hauptmann-Realschule)