Es mag dem ein- oder anderen Fußballfan womöglich gar nicht mehr so präsent im Kopf herumschwirren, doch bevor die Corona-Pandemie vor gut einem Jahr in Deutschland Einzug hielt, sah sich der deutsche Fußball - anders als heute - nicht etwa Problemen wie der Fahndung nach geeigneten Hygienekonzepten oder den bundesweit leeren Stadien ausgesetzt. Es war ein anderes, schon eine lange Zeit im Profifußball schwelendes Thema, dass unmittelbar vor dem ersten Corona-Lockdown im März 2020 die Massen elektrisierte und beschäftigte, sie in zwei Parteien spaltete und einen neuen Höhepunkt erreichte: Der nach wie vor anhaltende Zwist zwischen Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp und den organisierten Fanszenen der deutschen Profivereine.
Zur kurzen Rekapitulation: Es war der 29. Februar 2020. Beim Bundesligaspiel zwischen der TSG Hoffenheim und dem FC Bayern München rückte das sportliche Geschehen vollends in den Hintergrund. Nachdem es am gesamten Spieltag schon Anfeindungen auf Plakaten gegen Hopp gegeben hatte, eskalierte die Situation in Sinsheim während des Spiels gegen den Rekordmeister dann endgültig. Andauerndes Hochalten von Transparenten und Schmähgesange gegen den Hoffenheimer Mäzen brachten die Partie an den Rande eines Abbruchs, Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge stellte sich symbolisch gemeinsam mit Hopp und den Spielern vor die Fankurve, alle applaudierten - ein Bild, dass die Titelseiten vieler renommierter Zeitungen am nächsten Tag füllen sollte. Rummenigge sprach anschließend vom "hässlichen Gesicht des Fußballs". So weit, so bekannt. Doch was die am Samstagabend um 23.30 Uhr ausgestrahlte ZDF-Doku "Der Prozess: Wie Dietmar Hopp zur Hassfigur der Ultras wurde" unter anderem über diesen Fußballnachmittag aufdeckt, bringt viele Fans in den sozialen Medien derzeit auf die Palme.
Reaktionen offenbar inszeniert
Wie beispielsweise auf "Zeit.de" oder im "Spiegel" im Vorfeld des Sendetermins zu lesen ist, bringe die Doku ans Licht, dass vieles von den Geschehnissen, die sich damals nach der Unterbrechung der Partie auf dem Hoffenheimer Rasen zutrugen, inszeniert waren. So werde im Laufe des Films ersichtlich, dass die Münchener Ultragruppe "Schickeria" Uli Hoeneß im Vorfeld der Partie im Münchener Löwenbräukeller von der geplanten Aktion berichtet habe. Dieser war also eingeweiht. Beim weiteren Fortschreiten der Doku stellt sich laut den Berichten heraus: Die Bayern wandten sich an Hoffenheim, der DFB wurde in Kenntnis gesetzt - und sogar Sky-Kommentator Kai Dittmann, der die Vorfälle live voller Entrüstung kommentiert hatte, habe Bescheid gewusst.
Der Tenor der Fußballfans in den sozialen Netzwerken ist eindeutig: Fassungslosigkeit, Enttäuschung, Unverständnis. Auch der Bezahlsender "Sky" kommt in den zahlreichen Kommentaren der User auf Twitter nicht besonders gut weg. Der DFB gab inzwischen zu, dass es im Fall Hopp "wahrscheinlich eine Übersensibilisierung gab".
Hopp selbst kommt in der Doku nicht zu Wort
Aufgedeckt wurden diese Details von den Machern der 44-minütigen Dokumentation, Jochen Breyer und Jürn Kruse. Das Pikante dabei: Breyer führte im Januar 2020 durch den Neujahrsempfang der TSG Hoffenheim, einige Zeit später wurde im von ihm moderierten "Aktuellen Sportstudio" ein Clip von Hopp ausgestrahlt, in dem dieser sich zu den Geschehnissen äußerte und von "perfider Hetze" der Fans sprach. Kritische Nach- oder Rückfragen Breyers blieben dabei aus.
Wer nun angesichts dieser Vorgeschichte etwa eine einseitige Berichterstattung durch das ZDF befürchtet, sieht sich, wie obige Kommentare sowie Details zeigen, stark getäuscht. Vielmehr lässt Breyer alle Seiten zu Wort kommen, auch mit ansonsten wenig redebereiten Mitgliedern der organisierten Fanszene spricht er. Hopp selbst kommt nicht zu Wort - dagegen sein Freund Hoeneß und sein Anwalt Christoph Schickhardt. Hoeneß' Aussage "Hier gibt es nichts zu verstehen. Es gibt nur ein Opfer und nur eine Gruppe, die schuldig ist" darf nach dem Schauen der Doku vom Zuschauer durchaus kritisch hinterfragt werden.