Tag 10, Donnerstag, 24. Januar:
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Café in Ghana
Ghana trifft heute in Accra in seinemzweiten Vorrundenspiel auf Namibia, und auch in Takoradi warten alle gebannt auf den Anpfiff. Auf einer Brachfläche vor den Toren der Stadt hat man eine gigantische Leinwand aufgebaut, und für einen Cedi Einlass werde ich Zeuge meiner ersten „public viewing“- Veranstaltung auf afrikanischem Boden! Ein Erlebnis der besonderen Art. Vor den Einlasstoren gibt es Tumulte, weil sich viele das Eintrittsgeld nicht leisten können und versuchen, sich an der Schlange vorbeizumogeln. Furchterregend ausschauende Polizisten greifen rigoros durch, und gemeinsam mit drei VfB-Stuttgart-Fans, die ich vor dem Eingang getroffen habe, bin ich heilfroh, als wir heil auf dem Gelände angekommen sind. Nach dem 1:0 durch Agogo bricht die Hölle los. Zu Tausenden ziehen die Einheimischen durch die Straßen der Stadt. Überall hört man Trommeln, sieht man Menschen fröhlich tanzen. Ghana ist glücklich, Ghana ist stolz.
Tag 11, Freitag, 25. Januar:
Heute ist Großspieltag in Sekondi, der Nachbarstadt von Takoradi. Elfenbeinküste gegen Benin und Nigeria. Mit einem uralten tro-tro (ein ausgedienter Kleinbus, der in Ghana den öffentlichen Nahverkehr ersetzt) erreiche ich das Stadion, das einen eigentümlichen Anblick bietet. Inmitten einfacher Lehm und Wellblechhütten wirkt der hypermoderne Betonbau wie ein Fremdkörper, und vor allem die Video-Anzeigetafel bietet angesichts der ärmlichen und einfachen Umgebung ein recht bizarres Bild. Errichtet von China, hat Ghana für den Bau mit der Abtretung eines Teils seiner Fischfangrechte an China bezahlt. Für ein modernes Fußballstadion, dessen weiterer Verwendungszweck unklar ist, dürften Sekondis Fischer nun also nicht mehr in ihren eigenen Gewässern fischen...
Im Stadion herrscht fantastische Stimmung. Vier verschiedene Fangruppen – das heißt vier verschiedene Trommel und Tanzrhythmen. Eine unbeschreiblich Ansammlung von Geräuschen, die ergänzt wird durch an Elefantengebrüll erinnernde Tröten sowie die allgegenwärtige „National Supporters Union of Ghana“, die in jedem Stadion vertreten ist und zu den vier Rhythmen noch einen fünften beisteuert.
Tag 12, Samstag, 26. Januar:
Bevor die Reise nach Kumasi in die Landesmitte Ghanas geht, steht eine Woche Urlaub an. Busua ist ein Traum. Kilometerlanger Sandstrand, eine spottbillige Lehmhütte direkt am Meer und eine kleine Bar, in der ich die restlichen Vorrundenspiele via TV verfolge. Als ich das kleine Örtchen Busua erkunde, glaube ich meinen Augen nicht zu trauen: Vor einem Gasthaus namens „Zweite Heimat“ hängt tatsächlich die deutsche Fahne! Der Besitzer heißt Nana und erklärt mir, einst sei eine Deutsche in Busua gelandet und habe ihm erzählt, der Ort sei für sie wie eine zweite Heimat.
Seitdem sei er in Deutschland vernarrt und freut sich über jeden deutschen Besucher. Ich lasse mir für drei Cedis Yam mit einer Bohnensoße servieren, genieße ein gut gekühltes Star-Bier und denke über die „zweite Heimat Ghana“ nach.