Die Ausgangslage bei Rot-Weiss Essen ist vor den letzten sechs Spielen in der 3. Liga in Ordnung. Als Aufsteiger hat RWE fünf Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz.
Zudem hat die Mannschaft von Trainer Christoph Dabrowski ein Restprogramm, bei dem es eigentlich machbar sein muss, die noch nötigen fünf oder sechs Punkte zu holen, die es vermutlich zum Klassenerhalt braucht.
Soviel zur Theorie auf dem Papier. Die Realität ist derzeit eine andere. Denn da ist der Trend beunruhigend. Drei Siege aus den letzten 17 Spielen, die Mannschaft scheint zu stagnieren.
Jungen Spielern gelingt der nächste Schritt nicht, Zugänge, die als Führungsspieler eingeplant waren, können nicht das zeigen, was sie in der Vergangenheit bei anderen Klubs bereits ausgezeichnet hat. Konsequenz: Scouts anderer Klubs sehen kaum einen RWE-Spieler, der für höhere Aufgaben infrage kommen würde - eine bittere Bilanz.
Rot-Weiss Essen: Die Mannschaft hat den Fan-Kredit verspielt
Zudem ist es für viele der Essener Akteure das erste Mal, dass sie Gegenwind vom Publikum bekommen. In den letzten beiden Regionalliga-Spielzeiten gab es kaum Grund zum Klagen. 90 Punkte und dann 87, die zum Aufstieg reichten. Fast alles war gut in Essen, in dieser Spielzeit hatte die Mannschaft dank der starken letzten beiden Spielzeiten irre viel Kredit.
Auch nach den ersten sechs sieglosen Partien gab es keinen Unmut, die Kulisse stand wie der zwölfte Mann hinter der Elf. Doch seit der Partie bei Viktoria Köln (0:1 am 13. Februar 2023) hat sich der Wind etwas gedreht.
Dort gab es die ersten negativen Äußerungen, die auch nach den Heimsiegen gegen den BVB II und Freiburg II nicht verstummten. Im Gegenteil: Nach dem 0:3 gegen Waldhof Mannheim wurde es in negativer Sicht zum ersten Mal richtig ungemütlich an der Hafenstraße.
"Wir wollen Euch kämpfen sehen", "Wir haben die Schnauze voll" und "Dabrowski raus"-Rufe waren lautstark zu vernehmen. Der Unmut ist zu Teilen zu verstehen. Da ist auf der einen Seite die Ausgangslage, nach der RWE es als Aufsteiger weiter in der eigenen Hand hat, die Liga zu halten.
Da sind aber auch die Leistungen der letzten Wochen, die Grund zur Sorge bereiten. Vier der letzten fünf Partien gingen verloren - zur Wahrheit gehört, dass es hier nur gegen Top-Teams ging.
Zur Wahrheit gehört aber auch. RWE war fast in jeder der Partien gegen Saarbrücken (0:3), Wehen Wiesbaden (1:3), Dresden (1:2) und Mannheim (0:3) chancenlos. Man hatte nie das Gefühl, dass RWE in diesen Begegnungen was hätte holen können.
Fehlende Schnelligkeit, fehlende Führung, fehlende Linie, fehlende Torgefahr aus dem Mittelfeld, fehlendes Konzept. Natürlich auch Verletzungspech, die Liste der Mankos ist lang. Und in der finalen Phase kann man das nicht gebrauchen.
Wenn die linke Hand nicht weiß, was die rechte macht, dann wird es schwierig auf dem Niveau, Torchancen zu kreieren
Thomas Eisfeld
Zumal die Worte von Thomas Eisfeld alle Alarmglocken läuten lassen müssen. Er betonte nach dem Mannheim-Spiel: "Wenn die linke Hand nicht weiß, was die rechte macht, dann wird es schwierig auf dem Niveau, Torchancen zu kreieren. Der Spieler, der bei uns den Ball hat, ist teilweise die ärmste Sau. Das Spiel mit dem Ball ist uns im Vergleich zum letzten Jahr etwas abhanden gekommen."
Sechs Spieltage vor dem Saisonende sollte die linke Hand wissen, was die rechte macht. Hier kommt der Trainer ins Spiel, der nun mit seiner Mannschaft die Kurve kriegen muss.
Er kann dabei auf den Rückhalt der Verantwortlichen zählen, das sollte ihm Vertrauen geben. Denn klar ist: RWE-Boss Marcus Uhlig hat nach dem Freiburg-Spiel eine Trainerdiskussion, die intern nie geführt worden sein soll, für beendet erklärt. Uhlig glaubt felsenfest an Dabrowski, daher wird er seine Meinung zwei Wochen später nicht geändert haben.
Dabrowski wird gegen Zwickau am kommenden Sonntag auf der Bank sitzen, zumindest eine Sache, die bei RWE derzeit geklärt ist. Viele andere Themen werden durch die Leistungen der letzten Monate neu betrachtet werden müssen.
Zum Beispiel die Kaderplanung. Seit Marcus Steegmann als Chefscout und Kaderplaner am 31. März vorgestellt wurde, dürfte sich die Meinung über den Kader vermutlich etwas verändert haben. Wenn RWE in der neuen Saison den nächsten Schritt gehen möchte, dann muss ein großer Schnitt her.
Dann benötigt der Kader Schnelligkeit, junge Spieler, die es schaffen, den nächsten Schritt bei RWE auch zu gehen. Offensivspieler, die für mehr Kreativität sorgen. Man könnte die Liste erweitern, doch zuvor muss erst mal der Klassenerhalt geschafft werden.
Mit einem Sieg in Zwickau könnte man alle Gemüter beruhigen, um dann schnell die nötigen Schritte einzuleiten...