Der jüngste Rassismus-Eklat beim Chemnitzer FC zieht immer weitere Kreise. Für das Heimspiel des Fußball-Drittligisten am Freitag (18.00 Uhr) gegen 1860 München haben mehrere Fanklubs ihren Boykott angekündigt - aber nicht aus Protest gegen die rechtsradikalen Auswüchse, sondern als Reaktion auf den Streit mit der sportlichen Leitung des Klubs. Die Himmelblauen rechnen damit, dass rund 500 Fans weniger ins Stadion kommen.
„Einige Plätze in der Südkurve werden frei bleiben, auch die Stimmung wird sicher darunter leiden. Das akzeptieren wir“, sagte Klub-Sprecher Steffen Wunderlich dem SID und fügte an: „Wir hätten gerne mit allen Fans unseren ersten Heimsieg in der neuen Saison gefeiert.“
Doch ein Miteinander von Klubspitze und Teilen der Ultras ist nach den Vorfällen vom Wochenende beim Tabellen-19. derzeit undenkbar. Sportdirektor Thomas Sobotzik wurde von einigen Fans als „Judensau“ beschimpft. Der DFB nahm Ermittlungen auf, „wir sollten eine Stellungnahme abgeben, das haben wir getan“, sagte Wunderlich.
Jetzt schießen die Ultras zurück. Sie reden von Sippenhaft, weil Sobotzik als Leiter der Fußball-GmbH den Chemnitzer Spielern nach der Partie am Samstag bei Bayern München II (2:2) verboten hatte, zu den Fans in die Kurve zu gehen. Damit seien auch Anhänger bestraft worden, die nichts mit den Rassismus-Attacken gegen Sobotzik zu tun hatten.
„Lasst die Kurve leer. Setzt Zeichen. Für die GmbH sind alle Fans aktuell nur lästiger Dreck, der für das eigene Dauerversagen missbraucht wird“, kündigten die Chemnitzer Ultras laut dem Forum Faszination Fankurve an. Schon beim letzten Heimspiel gegen den 1. FC Magdeburg hatte es einen Boykott gegeben.
Die Eskalation kommt für den Klub zur Unzeit. Insolvenzverwalter Klaus Siemon, längst Hassobjekt der Ultras, muss den Klub eigentlich weiter umkrempeln, nachdem die Fußball-GmbH aus dem Gesamtverein ausgegliedert wurde. Am Montag läuft das Mandat des Notvorstandes ab, mit dem sich Siemon auch in aller Öffentlichkeit viele Kämpfe geliefert hat.
Die bisherigen Mitglieder Annette Neuerburg, Frank Sorge und Andreas Georgi werden laut Freie Presse dem neuen Notvorstand nicht mehr angehören. Das Gremium erhält also ein neues Gesicht und hat gleich viel zu tun. Eine Mitgliederversammlung muss einberufen werden, auf der ein neuer Aufsichtsrat gewählt werden kann.
Mehrere Baustellen belasten also derzeit die Arbeit des Klubs, der überfordert wirkt. In dem fürs Image verheerenden Streit mit den Ultras samt aller rassistischer Beleidigungen ist kein Ende in Sicht.
Erstaunlich ist, mit welcher Seelenruhe der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und auch die Politiker dem monatelangen Wirken zusehen. Am Wochenende sind Landtagswahlen in Sachsen, vielleicht kann der Verein danach etwas mehr Hilfe erwarten.
Bis dahin schlittert der Klub weiter durch die Krise und gilt bundesweit als der Verein mit dem großen Rechtsextremismus-Problem. Das schreckt auch mögliche Geldgeber ab. Entscheidungen seien immer kontrovers zu sehen, sagte Daniel Maaß, seit Juni Anti-Rassismus-Beauftragter im Klub, dem SID, „aber hier richten sogenannte Fans einen massiven Schaden am Klub an und demaskieren sich selbst“. sid