Nur noch eine Minute war in der regulären Spielzeit zu absolvieren, müde schleppten sich die Spieler des FC Schalke 04 über den Platz, waren glücklich, im Spiel beim 1. FC Nürnberg einen Punkt mit letzter Kraft über die Zeit bringen zu können. Da legte sich Thomas Ouwejan noch einmal den Ball zu einem Freistoß zurecht. Gefühlvoll flankte Ouwejan in die Mitte, Danny Latza stieg am höchsten und köpfte den 2:1 (1:0)-Siegtreffer für S04. Die Schalker feierten den ersten Auswärtssieg der Saison überschwänglich, in der Tabelle kletterten sie vorübergehend auf den 14. Platz.
Vor dem Anpfiff stand die Fanfreundschaft im Mittelpunkt. „Ein Bündnis für die Ewigkeit“ schlossen die beiden Fangruppen vor dem Spiel mit einer Aufschrift auf einer sehenswerten Choreographie, die sich über das halbe Stadion erstreckte. Seit Monaten hatten sie diese vorbereitet, und Schalkes Trainer Karel Geraerts hatte seinen Spielern sogar erlaubt, sie beim Einlaufen „für fünf Sekunden zu genießen“. Danach aber sollten sie sich auf das Spiel konzentrieren.
Das klappte sehr gut. Geraerts hatte sein Team im Vergleich zur 1:2-Pokalniederlage beim FC St. Pauli auf vier Positionen umgestellt. Für Simon Terodde, Tobias Mohr (beide verletzt) sowie Danny Latza und Ibrahima Cissé (beide Bank) rückten Tomas Kalas, Thomas Ouwejan, Lino Tempelmann und Dominick Drexler ins Team. Das Schalker Team, im 3-5-2-System sortiert, übernahm das Kommando, die Nürnberger, die vor zweieinhalb Tagen im DFB-Pokal spielten, wirkten sehr müde.
Schon in den ersten zehn Minuten hätten sich gute Chancen für Schalke ergeben können, wenn Bryan Lasme nicht gute Zuspiele verstolpert hätte. Die erste dicke Gelegenheit hatte der Ex-Nürnberger Tempelmann in der 10. Minute, der nach einem Ouwejan-Flachpass in den Strafraum den Pfosten traf. Obwohl kein Nürnberger am Ball war, entschied Schiedsrichter Wolfgang Haslberger auf Ecke. Die schoss Tempelmann in die Mitte, Henning Matriciani erwischte den Ball perfekt, doch Torwart Christian Mathenia lenkte den Ball zur nächsten Ecke.
Die Schalker Defensive hatte das Spiel gut unter Kontrolle, vor allem Abwehrchef Marcin Kaminski, der linke Innenverteidiger Derry John Murkin und Sechser Ron Schallenberg spielten völlig anders als noch unter Geraerts-Vorgänger Thomas Reis. Nur eine große Chance ließ Schalke in der ersten Hälfte zu, und die entsprang einem bösen Fehlpass von Torwart Ralf Fährmann (15.). Jens Castrop schnappte sich den Ball, schoss aber drüber – Glück für Fährmann, Glück für Schalke.
Zwischen der 15. und 35. Minute verflachte das Spiel, vor allem, weil es den Schalkern nicht gelang, für Entlastung zu sorgen. Was zum Beispiel Sturmspitze Kenan Karaman mit dem Ball veranstaltete, war sehr gut. Bei Lasme, Matriciani und Kalas aber sah das ganz anders aus – ihre offensiven Aktionen hatten eher mit Zufall als mit Qualität zu tun.
Dass Schalke in der 36. Minute in Führung ging, war zwar verdient, hatte sich zu diesem Zeitpunkt nicht angedeutet. Murkin schlug einen weiten Pass nach vorn, Karaman behauptete sich erstklassig im Zweikampf, behielt die Übersicht und setzte mit einem klugen Querpass Drexler ein. Der Routinier blieb cool und schob den Ball lässig zum 1:0 ins Tor. Nur 60 Sekunden hätte Karaman beinahe auf 2:0 erhöht. Nach einem Tempelmann-Pass traf er aber den Pfosten, Schalkes zweiter Alumiumtreffer. Als Schiedsrichter Haslberger zur Pause pfiff, applaudierten die rund 10.000 mitgereisten Schalker unter den 50.000 Fans im ausverkauften Max-Morlock-Stadion.
FC Schalke 04: Fährmann - Kalas, M. Kaminski, Murkin - Matriciani (46. Kabadayi), Schallenberg, Tempelmann - Ouwejan (90.+3 Baumgartl) - Drexler (64. Latza) - Lasme (85. Polter), Karaman (63. Topp)
Schiedsrichter: Wolfgang Haslberger (Freising)
Zuschauer: 50000 (ausverkauft)
Tore: 0:1 Drexler (36.), 1:1 Flick (47.), 1:2 Latza (89.)
Gelbe Karten: Schleimer, Horn, Brown, Castrop / Matriciani, Murkin
In der Kabine erwischte Nürnbergs Trainer Cristian Fiel offenbar die richtigen Worte. Direkt nach dem Wiederanpfiff übernahmen sie das Kommando, erarbeiteten sich nach wenigen Sekunden ihre erste Ecke. Die konnte Tempelmann aus dem Strafraum klären, den Nachschuss des Nürnbergers Nathaniel Brown blockte die Schalker Deckung vor die Füße von Florian Flick. Der Ex-Schalker versenkte den Ball mit einem Rechtsschuss im linken Eck des Schalker Tores – 1:1, welch ein Desaster-Start in die zweite Hälfte für die Königsblauen.
Die waren so schockiert, dass nur 60 Sekunden später aus der Führung beinahe ein Rückstand geworden wäre. Kaminski übersah bei einem Rückpass den Nürnberger Benjamin Goller, der den Ball aufnahm, Torwart Fährmann umkurvte und aufs Tor schoss. Kaminski machte seinen Fehler wieder gut und klärte kurz vor der Torlinie.
Das Spiel begann nun von vorn, die vor der Pause schläfrigen Nürnberger spielten nun viel selbstbewusster, übernahmen das Kommando. Trotz des Pokal-Stresses waren sie der Führung nun näher, auch wenn ihnen ab der 49. Minute die Durchschlagskraft etwas fehlte. Den Schalkern gelang kaum noch Entlastung, sie wirkten mit zunehmender Spielzeit müde und unkonzentriert, wurden zu Fouls gezwungen. Karaman musste zu allem Überfluss in der 63. Minute verletzt raus. „Auf geht’s Schalke schießt ein Tor“ riefen die Fans. Danach sah es aber nicht mehr aus.
Lediglich nach von Thomas Ouwejan geschossenen Ecken und Freistößen wurde es gefährlich im Nürnberger Strafraum – und Standardsituationen hatten die Schalker in der Endphase reichlich. Die Nürnberger verzettelten sich nun immer wieder in Diskussionen mit dem schwachen Schiedsrichter Haslberger, der einige Zweikämpfe falsch bewertete. So verlor der Club etwas den Fokus.
In den letzten Minuten bekamen beide Teams noch einen Matchball: Der Nürnberger Kanji Okunuki schlenzte den Ball über das Tor (84.) – Latza traf nach einem (natürlich) Ouwejan-Freistoß und brachte die Schalker Kurve zum Brodeln.