Der VfL Bochum bleibt sich weiterhin treu. Auch am Darmstädter Böllenfalltor spielte das Team von Trainer Ismail Atalan zwei völlig unterschiedliche Halbzeiten. Am Sonntagnachmittag allerdings mit Happy End. Innerhalb von nur fünf Minuten drehten der eingewechselte Dimitrios Diamantakos (81.) und Robbie Kruse (86.) den 0:1-Rückstand und bescherten ihrem Team den ersten Auswärtssieg der Saison.
Verdient, denn bemühte man nach dem Schlusspfiff die Statistik, dann war das Team aus dem Kohlenpott nicht nur insgesamt länger am Ball, sondern konnte auch das Gros der Zweikämpfe für sich entscheiden und lag auch im Passspiel deutlich vorn. Davon konnten rund 1.000 mitgereiste Anhänger zur Pause nur von träumen. Denn bei den so glänzend gestarteten Lilien wirkten die Gäste brav und bieder und zuweilen hilflos. So war es fast schon ein glücklicher Umstand, dass die Hausherren nur ihrer traditionellen Standardstärke gerecht wurden.
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Sulu hämmerte einen Kopfball nach Kempe-Ecke zur 1:0-Führungs ins Netz (24.). Die Folge: Der Bochumer Kabinentrakt erzitterte in der 15-minütigen Pause in seinen Grundmauern, sodass sich selbst die abgestellten Ordner zur Türbewachung die Ohren hielten. Es spricht für Atalan, dass er wusste, was zu tun war. Die Umstellung auf ein 4-4-2-System mit Diamantakos für Alexander Merkel brachte von Minute zu Minute mehr Erfolg. Atalan über die erste Halbzeit: „Darmstadt war uns in allen Belangen überlegen. In der Einstellung, im Passspiel und im Zweikampf. Wir hatten vor dem Spiel einen Plan, aber es sah so aus, dass meine Spieler einen anderen Plan hatten.“Der VfL kam allmählich in Trab und richtig munter wurde es erst, als Diamantakos nach einer Stunde (60.) einen Lupfer knapp verzog. Doch die Geschichte des Spieltags gab es zwei Minuten später. Ein Solo von Felix Bastians endete im Strafraum mit einem vermeintlichen Foul am Kapitän. Schiedsrichter Benedikt Kempkes zeigte kompromisslos auf den Elfmeterpunkt. Da es in der zweiten Bundesliga keinen Videobeweis gibt, rieben sich die Zuschauer verwundert die Augen, als der Unparteiische seine Entscheidung plötzlich revidierte. Was war passiert? Bastians klärte auf und sorgte damit gleich für viel Aufmerksamkeit: „Ich bin im Strafraum, das Bein kommt raus. Das reicht normalerweise um aus dem Tritt zu kommen, aber mein Gegenspieler hat mich nicht berührt. Der Schiedsrichter hat mich dann gefragt, ob es eine Berührung gab. Das habe ich verneint. Wir predigen im Fußball immer, dass man den Gegner mit Respekt und Anstand behandelt. Das habe ich in dieser Szene getan. Auch wenn mir bewusst war, welche Konsequenzen sich daraus für mein Team ergeben könnten. Vielleicht war es ja der gerechte Lohn, dass wir das Spiel trotzdem gewonnen haben.“
Ich dachte, mein Spieler hat nicht alle an der Waffel
VfL-Trainer Ismail Atalan über Felix Bastians
Natürlich war die Szene auch Bestandteil der Pressekonferenz. Während sich Darmstadts Trainer Thorsten Frings beim Bochumer Kapitän für seine Fairness bedankte („Ein ganz großes Kompliment an den Spieler.“) gab sein Pendant Atalan offenherzig seinen ersten Eindruck wieder: „Ich dachte, mein Spieler hat nicht alle an der Waffel.“ Um wenig später hinzuzufügen: „Ich habe schon eine Menge Respekt für seine Entscheidung.“
Und irgendwie war der zurückgenommene Elfmeter das Startsignal für eine spektakuläre Schlussphase. Zwar vergab Lukas Hinterseer (65.) frei vor Torwart Daniel Heuer Fernandes, doch mit der Hereinnahme des dritten Mittelstürmers Johannes Wurtz erhielt das Spiel eine spektakuläre Wende. Nach einer Ecke von Tim Hoogland und einem Kopfball von Anthony Losilla nagelte Diamantakos („Ich bin endlich schmerzfrei“) den Ball humorlos zum 1:1-Ausgleich ins Netz, um fünf Minuten später auch noch Robbie Kruse zu bedienen, der nach einem Schlenzer um Sulu das Siegtor markierte. Atalan: „Die zweite Halbzeit war die beste, seitdem ich in Bochum Trainer bin, aber an der ersten Hälfte müssen wir noch arbeiten.“ Sein Gegenüber Frings erkannte die Ursache für die Niederlage recht schnell: „Wir wollten die knappe Führung nur verwalten, sind vorne stehen geblieben und haben nach vorne nichts mehr investiert. Das hat sich gerächt.“