Sie sind wieder gut in der Universitätsstadt angekommen und genossen gestern ihren freien Tag. Die Sieger von München, endlich wieder auf Aufstiegskurs. Drei Spiele ohne Sieg vor der Begegnung in der Allianz-Arena, da stand dem sensiblen Bochumer Umfeld schon wieder der Angstschweiß auf der Stirn.
Der komfortable Abstand zu Platz vier schien sich in Luft aufzulösen, der Atem der aufbegehrenden Meute war schon im Nacken zu spüren. Doch der VfL blieb cool, behielt auch bei schlimmen Platzverhältnissen die Nerven, spielte aus einer sicheren Deckung, wartete geduldig auf die entscheidende Chance und nutzte sie konsequent. Nach dem Schlusspfiff von Schiedsrichter Florian Meyer brauchte man nicht lange nach Indizien zu suchen, die die Wichtigkeit des Auswärtserfolges unterstrichen. Wie von Geisterhand geführt, bildeten die VfL-Profis in der eigenen Hälfte einen Spielerkreis, zu dem sich blitzschnell die Co-Trainer, die medizinische Abteilung, die Ersatzspieler und der Zeugwart gesellten. Inmitten der Traube stand Trainer Marcel Koller und herzte jeden Einzelnen. Gestern verriet der Schweizer: "Es war ein sehr wichtiger Sieg. Da fährst du nach München, musst die Mannschaft gleich auf fünf Positionen verändern. Dann ist da ein Gegner, der in einem einwöchigen Trainingslager die Mannschaft zusammen geschweißt hat, und die Tatsache, dass die Löwen seit einem halben Jahr daheim nicht mehr gewonnen haben und man denkt, jede Serie hat ein Ende, hoffentlich nicht gegen uns. Wer das alles weiß, versteht unsere Freude und Erleichterung."
Bevor sich der Coach am Mittwoch-Nachmittag mit der DVD der Partie Freiburg gegen Braunschweig zurück zog, plauderte er noch einmal locker über Dinge, die ihm aufgefallen waren. Zum Beispiel über Zvjezdan Misimovic, an dem sich erneut die Geister der Fans im Stadion und am Bildschirm schieden. "So intensiv nach hinten gearbeitet hat er noch nie, das hat mir sehr gut gefallen. Allerdings hat er in zwei, drei Situationen die Sache zu locker genommen. Da muss man auch einmal rustikal sein und nicht versuchen, zu glänzen."
Aber der Regisseur war nicht der Einzige, der auffiel. Die jungen Dennis Grote und Thomas Rathgeber zeigten sich erstaunlich präsent. Koller: "Natürlich mussten sie erkennen, dass ein Auswärtsspiel noch etwas ganz anderes ist, aber das war ordentlich. Sie sind auf einem guten Weg." Auf dem befindet sich auch Tommy Bechmann, der nicht nur die Münchener Abwehr dauerhaft beschäftigte, sondern der nebenbei noch Lehmann fast völlig aus dem Spiel nahm. "Seine Laufbereitschaft war einfach sensationell", schwärmte der Cheftrainer. Was Koller gegen Offenbach noch so bemängelt hatte, auch das wurde in München abgestellt: "Mir fehlte die letzte Überzeugung beim Torabschluss, dieser unbedingte Wille war gegen die Kickers nicht vorhanden."
Nicht bei Heiko Butscher, der nicht lange überlegte, ob er nicht doch den starken linken Fuß nehmen sollte, sondern den Ball schmerzlos in die Maschen knallte. Koller: "Genau so muss es sein." Und dann gestattete der 45-Jährige noch einen Rückblick in die jüngste Vergangenheit: "Natürlich waren viele ängstlich als sie auf das Auswärts-Startprogramm der Rückrunde schauten, doch mir war klar, wenn wir aus einer kompakten Abwehr spielen können und der Gegner zu einer offensiveren Spielweise gezwungen ist, dann werden wir erfolgreich sein." Koller sollte recht behalten: 1:0 in Cottbus, 2:0 in Rostock, 1:0 in München, und hätte Edu seine Großchance genutzt, wäre in Dresden (0:0) auch ein Dreier möglich gewesen. Der Ex-Kölner: "Es ist so gekommen, wie wir es geplant haben. Aus einer massiven Deckung schnell nach vorne zu spielen, dazu unsere Gefährlichkeit bei Standards." Erstaunlich dabei, in allen vier Auswärtsbegegnungen der Rückserie blieb der VfL ohne Gegentor. Koller: "Das ist eine tolle Sache, wir stehen schon sehr gut."
Nachdem der bayerische Löwe nun erlegt ist, wenden sich ab heute Maltritz und Co. dem Braunschweiger Löwen zu. Dompteur Koller möchte die Blau-Gelben natürlich ebenfalls besiegen, und damit endlich im sechsten Anlauf den ersten Sieg über einen Aufsteiger feiern. Es ist schon erstaunlich, dass der VfL gegen die vermeintlich schwächsten Gegner die größten Mühen hat. Ob Koller seine Mannschaft ändern wird, ist offen. Denn zur Stunde steht fest, dass lediglich der am Montag gesperrte Thomas Zdebel wieder zur Verfügung steht. Rein van Duijnhoven und Filip Trojan befinden sich in der Reha, Marcel Maltritz und Pavel Drsek konnten am Dienstag nur ein Lauftraining absolvieren.
Über den VfL Bochum berichtet Günther Pohl