Vorbereitung Am 27. Juni - Marcel Koller hatte den Trainingsauftakt, den Vorgänger Peter Neururer für den 4. Juli vorgesehen hatte, kurzerhand vorverlegt - begann der Absteiger mit dem Projekt "Wiederaufstieg". Vom ersten Tag an ließ der Schweizer keine Zweifel aufkommen, dass sich der VfL mit der Favoritenrolle identifiziert und etwas anderes als Platz eins bis drei überhaupt nicht in Frage kommt.
Bochums Chefcoach hatte dafür in der Vorbereitung eine Menge umgekrempelt. Doch während sein Vorgänger den offensiven Weg über die Medien ging, wirkte Koller mehr im Verborgenen. Hier einige Beispiele: Der Schweizer ließ auf dem Trainingsgelände ein Kopfballpendel installieren, vergrößerte die Auswechselbank im Ruhrstadion, ließ den Kabinentrakt farblich von mausgrau in helles weiß umstreichen und "katapultierte" die Schiedsrichter kurzerhand aus der Trainerkabine in einen separaten Raum.
Auch im direkten sportlichen Bereich änderte sich eine Menge. So kümmert sich mittlerweile ein hauptamtlicher Torwarttrainer um die noch vier Profikeeper. Viel getan hat sich auch für die Mannschaft. Dass außerhalb eines Trainingslagers drei Mal täglich geübt wurde - abgerundet von gemeinsamen Mahlzeiten -, das gehört in der VfL-Profiliga-Zugehörigkeit zu den Raritäten. Klammert man das Testspiel gegen die Bochumer Kreisauswahl aus, das fast ausschließlich von Jungprofis bestritten wurde, hat Koller gänzlich auf Partien gegen unterklassige Gegner verzichtet.
Neu war auch, dass die VfL-Anhänger 17 Tage warten mussten, bis die Mannschaft überhaupt ihr erstes Testspiel bestritt. Und noch etwas veränderte sich: Der neue Coach unterbrach regelmäßig Trainingsspiele und Übungsformen, um gleich zu verdeutlichen, was ihm nicht gefiel. Dies war sicherlich für manchen Profi gewöhnungsbedürftig.
Doch nach nun fast sechs Wochen Vorbereitung hat sich der Umgang mit Koller eingespielt. Und der zunächst unnahbar und streng wirkende Trainer taute merklich auf und spendierte dem Team sogar zwei trainingsfreie Tage.
Testspiele
VfL Osnabrück 8:0 Bröndby Kopenhagen 2:0 Kreisauswahl BO 2:1 Beroe Stasa Zagora 3:0 Wuppertaler SV 2:1 OFI Kreta 2:0 NEC Nijmwegen 4:0
7 Spiele, 7 Siege, 23:2 Tore
Torschützen: Edu 6, China 2, Butscher 2, Diabang 2, Bechmann 2, Gane 2, Türkeri 2, van Hout 1, Navidkia 1, Colding 1, Misimovic 1, ein Eigentor
Neuzugänge Auf den ersten Blick wird klar, im Vergleich zur letzten Saison scheint der VfL ein wesentlich besseres Händchen gehabt zu haben. Denn schaut man auf die voraussichtliche Startformation am kommenden Samstag, dann sind zahlreiche Neuzugänge bereits gesetzt. Pavel Drsek, ablösefrei vom MSV Duisburg gekommen, hat den Sprung in die Startelf ebenso geschafft wie Daniel Imhof, für den der VfL ca. 250.000 Euro an St. Gallen überwies. Das größte Schnäppchen machte der Klub wohl mit dem Leihgeschäft China. Der Mann aus Rio wurde für ein Jahr ausgeliehen mit einem dreijährigen Anschlussvertrag und einer festgeschriebenen Ablösesumme. Rene Renno, Heiko Butscher, Ionel Gane und Joris van Hout kamen ablösefrei an die Castroper Straße. Damit sind die Lücken mehr als geschlossen, die Spieler wie Christoph Preuß, Aleksander Knavs oder Vratislav Lokvenc hinterlassen haben. Klug war auch der Verkauf von Peter Madsen, der immerhin noch 1,5 Millionen Euro Transfererlös brachte. In einem Jahr wäre er ablösefrei gewechselt.
Abwehr Nachdem in der abgelaufenen Spielzeit ohne Frank Fahrenhorst, einem völlig überschätzten Aleksander Knavs und einem indisponierten Raymond Kalla oft das reine Chaos herrschte, ist die VfL-Deckung merklich gefestigt. Gegen vier europäische Erstligisten blieb der VfL in der Vorbereitung ohne Gegentor. Rein van Duijnhoven ist topfit, Skov-Jensen und Rene Renno stehen gleichwertig dahinter. Pavel Drsek und Marcel Maltritz bewohnten während des Trainingslagers nicht nur ein Zimmer, sondern ergänzen sich als Innenverteidiger hervorragend. Auf den Außenpositionen kann China in die Rolle von Colding schlüpfen, rangeln sich Bönig, Butscher und Meichelbeck um die Position links, wobei die beiden letzten jederzeit auch in der Innenverteidigung aushelfen können.
Mittelfeld Auch hier fällt der Vergleich mit anderen Zweitliga-Spitzenteams eindeutig zugunsten des VfL aus. Neben Routinier Thomas Zdebel hat Koller mit Daniel Imhof eine ideale Ergänzung gefunden. Imhof ist ballsicher und variabel einsetzbar. Zudem technisch stark und wie Zdebel einer, der auch in heiklen Situationen Ruhe und Übersicht behält. Im offensiven Mittelfeld herrscht Gedränge. Dort rangeln, weil Koller in der Raute zwei Positionen defensiv besetzt, vier Spieler um zwei Plätze. Zumindest beim Saisonstart ist eine Vorentscheidung gefallen. Marcel Koller über seinen Brasilianer China: "Der ist mir auf der Verteidiger-Position verschenkt. Seine Offensiv-Power brauche ich im Mittelfeld." Chinas Tore in der letzten Vorbereitung unterstreichen dies. Aber wer ist der Frontmann? Zur Stunde jedenfalls "Zwetschge" Misimovic, der hinter den Spitzen in der Vorbereitung trotz zuweilen schlampiger Defensivarbeit glänzte. Die letzten sechs Vorbereitungstreffer leitete er ein. Hinter ihm steht Dariusz Wosz als Routinier, aber auch der Iraner Navidkia Gewehr bei Fuß.
Angriff Trotz der Verletzung von Joris van Hout besitzt der VfL schon beim Start einen Erstliga-reifen Angriff. Momo Diabang ist zwar noch gesperrt, Gane noch nicht ganz so weit, aber mit Edu und Bechmann kann der VfL schon am Samstag in Saarbrücken für Furore sorgen. Wobei der Brasilianer vielleicht sogar zum Topspieler der Liga werden könnte. Den Vorwurf, er sei kein Knipser, konnte er mit sechs Toren in der Vorbereitung entkräften. Zwei ganz hungrige Talente stehen noch etwas hinten an. Dennis Grote und Haluk Türkeri sind frech genug, sich auf Anhieb in der zweiten Liga zu etablieren. Und dann macht Filip Trojan nach überstandenem Kreuzbandriss Fortschritte.
Stärken Der VfL besitzt eine spielstarke Mannschaft, die für Zweitliga-Verhältnisse überdurchschnittlich besetzt ist. Störfaktoren wie Aleksander Knavs und Filip Tapalovic sind aussortiert, es stimmt auch außerhalb des Rasens.
Schwächen Der VfL hat seinen Kader sehr knapp gehalten. Der eine oder andere mittrainierende Youngster ist sicherlich für einen Einsatz noch nicht reif. Ein Verletzungspech wie in der vergangenen Saison könnte den VfL vor Probleme stellen. Joris van Hout ist da schon ein warnendes Beispiel.
Prognose Der VfL ist nicht nur Aufstiegsfavorit, sondern auch der Aufsteiger. Keiner scheint personell besser besetzt.
Die Wunschelf: van Duijnhoven - Colding, Maltritz, Drsek, Bönig (Meichelbeck) - Zdebel, China, Imhof, Misimovic - Bechmann, Edu