Um den Transfer von Tibor Tokody gab es in der Winterpause rund um die Landwehr jede Menge Trubel. Umso größer war die Freude, als der ungarische Angreifer am Ende doch den Weg nach Oberhausen fand. Selbst die kleinen Fans von RWO freuen sich. Nach dem Training am Freitag schallte es nach dem Duschen aus vielen Mündern: "Dürfen wir eine Autogrammkarte haben?" Tokody befriedigte den Nachwuchs und fand nebenher noch Zeit, um RS sein erstes Interview in Deutschland zu geben. "Gedolmetscht" von Agnes Lukacs (Absolventin des Studiengangs Publizistik an der Ruhr-Uni Bochum und Redakteurin bei der deutschen Ausgabe der Budapester Zeitung) spricht Tokody ausführlich über den Wechsel und seine Pläne in Oberhausen.
Tibor Tokody, erst einmal herzlich willkommen in Oberhausen. Haben Sie Sich schon in der neuen Heimat eingelebt? Gott sei Dank habe ich ganz schnell eine Wohnung gefunden, in die ich auch bereits eingezogen bin. Allerdings gibt es keine ungarisch-brasilianische WG mit Caio, der mit mir auf Wohnungssuche war. Zudem hat es mir das Team leicht gemacht. Da viele ausländische Akteure hier sind, wussten die meisten, wie schwer es ist, in einem fremden Land zu beginnen. Die haben mich daher klasse empfangen.
Bis der Wechsel zu RWO klar war, gab es immer wieder neue Schwierigkeiten. Wie haben Sie diese Zeit erlebt? Es war sehr schwer für mich. Mir war nur klar, ich musste aus Budapest weg. Ich hatte aber keine Ahnung, wo ich im Frühjahr sein werde.
Am Ende hat es dann mit dem Transfer geklappt. Wir groß war die Erleichterung? Unheimlich. Ich bin jetzt sehr froh, in Oberhausen gelandet zu sein.
Wieso gerade Oberhausen? Ich hatte auch andere Angebote aus Europa. Oberhausen war nicht explizit meine erste Wahl, erst nachdem ich mich über den Verein erkundigt hatte. Da habe ich erfahren, wie gut die Chancen auf den Aufstieg stehen. Zudem, dass das Team passt und einen sehr guten Trainer hat.
Welche Rolle hat Ihr Berater Matyas Jurascik bei dem Wechsel gespielt? Matyas ist mein Freund und Berater. Ich bin ihm dankbar, dass er mich nach Deutschland geholt hat und mir so die Möglichkeit gibt, hier Fuß zu fassen. Dabei kennen wir uns noch gar nicht so lange. Wir kommen beide aus der gleichen Gegend von Budapest und haben festgestellt, dass wir beide dieselbe Denkweise haben.
Sind Sie eigentlich mit Ihrer Verlobten Sturza Rita nach Oberhausen gekommen? Das ist etwas schwierig. Sie arbeitet bei einer Security GmbH ihrer Eltern. Daher muss sie alle paar Wochen zurück, um ihrer Pflicht nachzukommen.
Wie gehen Sie mit den regelmäßigen Trennungen um? Was soll ich machen. Es ist nicht leicht, aber wir wussten, was auf uns zukommt. Trotz dieser Tatsache wollten wir, weil wir alles gemeinsam entscheiden, diese Variante.
Kurz nach Ihrer Ankunft in Oberhausen mussten Sie wegen einer Zahnentzündung pausieren. Eine Vorsichts-Maßnahme, nachdem kurze Zeit vorher Ihr Landsmann Miklos Feher auf dem Platz gestorben war. Hatten Sie diesen tragischen Vorfall in Ihrem Kopf? Nicht wegen meiner Entzündung. Ich wurde vor meinem Vertrag in Oberhausen gründlich untersucht. Auch mein Herz. Die Sache mit Miklos war deshalb in meinem Kopf, weil wir gut befreundet waren. Ich habe die Nachricht über seinen Tod von einem Journalisten bekommen. Es war sehr schwer für mich. Wir haben in der Jugend und in der ersten ungarischen Liga zusammengespielt.
Sie haben einen guten Freund verloren. Ungarn einen hoffnungsvollen Fußballer. Warum hinkt der Fußball in Ihrem Land aktuell insgesamt hinterher? Es gibt kein Geld und keine Leute, die investieren. Auch der Staat schießt nichts dazu. Zum Beispiel verdient ein Regionalliga-Kicker in Deutschland sechs Mal soviel wie Spieler der ersten Liga in Ungarn. Zudem ist die Jugendarbeit bei uns grausig. Es gibt insgesamt nur rund 30.000 Menschen, die sich ernsthaft mit diesem Sport befassen.
Machen Sie sich Sorgen? Natürlich. Aber es geht nicht nur um den Fußball, sondern um die ganze wirtschaftliche Situation des Landes. Auch wenn der EU-Beitritt bevor steht, erwarte ich erst in zehn oder 15 Jahren eine richtig positive Entwicklung in Ungarn.
Zurück zum Sport. 1954 hatten die Ungarn beim WM-Finale von Bern eine überragende Elf. Tut es weh, nicht an diese Traditionen anknüpfen zu können? Nicht primär, weil ich da noch nicht gelebt habe. Ich weiß nur aus Geschichts-Büchern von diesem Ereignis. Mir tut weh, dass der Fußball in meiner Heimat so vernachlässigt wird. Es gibt viele Talente, die aber nicht aufgegriffen werden können, weil insgesamt zu wenig Leute was von diesem Sport verstehen.
Neuer Nationaltrainer Ihres Landes ist Lothar Matthäus. Die erste Begegnung unter seiner Regie wurde mit 2:0 gegen Armenien gewonnen. Eine Hoffnung? Auf jeden Fall. Auch wenn die finanziellen Mittel fehlen. Allein die Tatsache, dass sich so eine Person mit unserem Fußball beschäftigt, ist einfach klasse.
Kennen Sie ihn schon persönlich? Noch nicht. Da ich aber zurück ins Nationalteam möchte, hoffe ich, ihn bald kennenzulernen. Dafür muss ich natürlich erst in Oberhausen meine Leistung bringen.
Könnte es also sein, dass wir Matthäus bald im Stadion Niederrhein begrüßen dürfen? Das hoffe ich doch.
Matyas Juracsik sagte, er sehe Sie besser als Ihren Landsmann Imre Szabics vom VfB Stuttgart. Wie ist Ihre Meinung? Ich bin mit Imre gut befreundet. Daher will ich kein Urteil abgeben. Ich hoffe natürlich, besser als er zu werden.
Vielleicht ja in Oberhausen, wo Sie bis zum Juni 2007 unterschrieben haben. Warum so lange? Weil mir dieser Vertrag angeboten wurde und ich an das Team glaube. Die Truppe ist nahe am Aufstieg und ich will meinen Teil dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen.
Könnten Sie zusammen mit dem Brasilianer Caio zum neuen Traumduo werden? Mal schauen. Wenn der Trainer es vielleicht auch so sieht, soll es so sein.
Ihr neuer Coach Jörn Andersen verglich Sie vom Typ her bereits mit Ulf Kirsten. Kennen Sie ihn und wer ist Ihr sportliches Vorbild? Mit Kirsten verglichen zu werden, ist ein großes Kompliment, weil er ein wirklich guter Stürmer war. Dafür bin ich dem Coach zu großem Dank verpflichtet. Ich hoffe, diese Meinung bestätigen zu können. Mich beeindruckt besonders Oliver Kahn. Er ist ein großer Sportler und eine tolle Persönlichkeit. Für mich verkörpert er die deutsche Nationalmannschaft. So muss man sein, um Erfolg zu haben.
Vor Ihrem Engagement in Oberhausen durften Sie in einen Testkick bereits im Dress des Wuppertaler SV gegen Kahn antreten. Und es war ein tolles Gefühl. Ich arbeite, um das wiederholen zu können.
Wie haben die ungarischen Medien eigentlich über Ihren Wechsel nach Oberhausen berichtet? Die großen Tageszeitungen und die Sportseiten haben über den Transfer geschrieben.
Gab es Kontakte zu anderen ungarischen Akteuren vor Ihrem Wechsel nach Deutschland. Immerhin agieren mit dem Stutgarter Imre Szabics , dem Bremer Kristian Lisztes, den Berlinern Pal Dardai und Gabor Kiraly sowie dem Cottbusser Zsolt Löw einige Landsmänenr in der ersten und zweiten Liga. Nein, ich habe nur mit Jurascik und meiner Frau über den Wechsel gesprochen. Zudem kenne ich nur Szabics und Löw, mit dem ich in der Jugend und bei Ujpest Budapest zusammengespielt habe.
Kommen wir zu Ihrem neuen Arbeitgeber RW Oberhausen. Sie wurden mit jeder Menge Vorschuss-Lorbeeren empfangen... ...die ich unbedingt bestätigen will. Für mich ist das eine große Herausforderung. Ich will versuchen, die Wünsche des Trainers zu erfüllen. Ich habe alles getan, um das Vertrauen zu bekommen. Jetzt ist es an mir, es auch zurückzugeben.
Wobei Sie sofort von der Zahnentzündung zurückgeworfen wurden. Das hat mich geärgert. Ich war nach der Antibiotika-Behandlung einige Tage schlapp. Aber ich bin jung. Daher brauche ich nicht lange, um wieder voll da zu sein. Leider wurde die ganze Sache in den Medien etwas aufgebauscht. Es wurde teilweise geschrieben, ich habe Herzprobleme. Das stimmt natürlich überhaupt nicht.
Es gab anscheinend Kommunikations-Probleme. Wie verständigen Sie sich mit den Mitspielern? Mit etwas Englisch oder ein wenig Deutsch. Hoffentlich im Sommer komplett auf Deutsch. Dafür lerne ich drei Mal pro Woche mit einem Sprachlehrer, der vom Verein engagiert wurde.
Zudem wurde Ihnen vom Förderverein Oberhausen jemand zur Seite gestellt, an den Sie sich mit allen Alltagsfragen wenden können... ...was eine tolle Geste vom Club ist. Ich kenne die Person noch nicht, freue mich aber über die Hilfe. In Ungarn werden selbst die einheimischen Akteure nicht so gut behandelt. Daher habe ich hier nur noch die Aufgabe, gut zu spielen.
Gegen den KSC saßen Sie letzte Woche noch auf der Tribüne, konnten den Zuschauerrekord live miterleben. Wie waren Ihre Eindrücke? Ich war schon überrascht. In Ungarn kommen höchstens zu den Topspielen der ersten Klasse 10.000 Besucher. Das hat mir gefallen.
Den ersten eigenen Test bestritten Sie gegen den Oberligisten ETB Schwarz-Weiß Essen. Es endete 0:2. Was mich auch gestört hat. In meinem ersten Spiel konnte ich noch nichts zurückgeben. Ich war enttäuscht über meine Leistung.
Was erwarten Sie speziell von sich in den letzten Begegnungen? Ich will nicht mit Toren geizen. Vor drei Jahren mit 20 Jahren war ich in Budapest mit 16 Treffern Torschützen-König. So möchte ich mich auch hier zeigen. Ich möchte das Vertrauen des Vereins endlich zurückgeben.