Die Verbindlichkeiten geben die Marschrichtung an. Teure Stars wie Marcio Amoroso, Torsten Frings oder Henrique Ewerthon können die Borussen nicht mehr verpflichten, die Herausforderungen der Zukunft müssen mit der Jugend bewältigt werden. Das notgedrungene Motto kommt in der breiten Öffentlichkeit zudem gut an. Weg von den Söldner-Millionären, hin zum erfolgshungrigen Nachwuchs, der sich mit dem Verein identifiziert. Doch entpuppt sich diese Idealvorstellung in der Realität als Top oder Flop? Ein Rückblick auf die unterschiedlichsten Wege der Nachwuchstalente beim BVB in der jüngsten Vergangenheit bringt vielleicht etwas mehr Klarheit.
Beginnen wir in der Saison 1994/95, in der nach 32 Jahren endlich die meisterschaftslose Zeit beendet wurde. Als sich die beiden Star-Angreifer Stephane Chapuisat und Karlheinz Riedle verletzten, schoss ausgerechnet der sogenannte Baby-Sturm mit Lars Ricken und Ibrahim Tanko die Borussen zu Titel. Während der Erstgenannte sich langfristig in der Liga etablieren konnte, erfüllten sich die hochtrabenden Voraussagungen für den ghanaischen Königssohn nicht. Nach mehreren Verletzungen und seiner Kiffer-Affäre versuchte der Afrikaner sein Glück beim SC Freiburg, wo er heute als Mitläufer gelegentlich seine Chance erhält. In der Spielzeit 96/97 sollte der Stern von Vladimir But aufgehen. Der Russe wurde schon als Jugendlicher ins Revier geholt, da er als das größte Mittelfeldtalent seines Landes galt. Er blieb ein ewiges, setzte beim BVB zwar einige Akzente, doch letztendlich scheiterte er an sich selbst, weil seine Profi-Einstellung etliche Wünsche offen ließ. Über den Weg Freiburg und Hannover ist der erst 27-Jährige inzwischen vollkommen in der Versenkung versunken. Ebenso wie Frank Riethmann, der im gleichen Jahr aus der Jugend hochgezogen wurde.
Zwölf Monate folgte die Beförderung für Christian Timm. Der leichtgewichtige Offensivmann unternahm zwei Jahre lang den Versuch, sich in der Startelf zu etablieren. Unterm Strich bleiben 15 Einsätze für die Dortmunder. Der Wechsel nach Köln erwies sich für ihn als Glücksfall, wenn auch nur sporadisch. Sogar die Bayern jagten ihn, aber er blieb zunächst in der Domstadt. Mehrere Verletzungen warfen ihn zurück, vor allem später in Kaiserslautern. Inzwischen unternimmt der 26-Jährige beim Zweitligisten Greuther Fürth den Versuch, wieder Tritt zu fassen.
Die richtigen Schritte fand dagegen in atemberaubender Schnelligkeit im Sommer 2000 Christoph Metzelder, der für bescheidene 200.000 Euro aus Münster geholt wurde. Der damals 19-Jährige wurde zum Shooting-Star schlechthin, denn keine zwei Jahre später errang er mit der Nationalmannschaft in Japan und Korea die Vize-Weltmeisterschaft. Den Adler würde er heute noch regelmäßig tragen, wenn ihn nicht seine lädierte Achillessehne fast zwei Jahre lang aus dem Verkehr gezogen hätte. Zum BVB-Profikader gehörte damals auch Francis Bugri, der aber in der Regel bei den Amateuren Spielpraxis sammelte und in der letzten Saison beim VfB Lübeck seine Brötchen verdiente.
Als Vertragsamateur schnupperte 2001 Florian Kringe zum ersten Mal Bundesligaluft. Über den Umweg 1.FC Köln hat sich der Blondschopf inzwischen in Dortmund etabliert. Zu Beginn stand an seiner Seite Supertalent Emmanuel Krontiris, der kurz zuvor für stolze 300.000 Euro vom Drittligisten Tennis Borussia Berlin losgeeist wurde. Matthias Sammer wollte den 17-Jährigen unbedingt haben. Es wurde keine glückliche Verbindung. Der Angreifer ist nun Reservist beim TSV 1860 München. Vor drei Jahren stieg der pfeilschnelle David Odonkor ins bezahlte Fußballgeschäft ein. Er ist heute U21-Nationalspieler, hat aber keinen festen Platz bei den Borussen. Ist unzufrieden und würde sich gerne einen Verein suchen, der in der ersten Liga spielt. Ein Angebot des SC Paderborn hat er vor kurzem ausgeschlagen. Sahr Senesie dagegen war sich nicht zu schade, sogar in der dritten Liga einen Neuanfang zu machen und schloss sich dem Süd-Regionalligisten TSG Hoffenheim an. Glücklich ist auch Salvatore Gambino beim BVB schon lange nicht mehr. Der Deutsch-Italiener sorgte mit zwei Tore gegen Bayer Leverkusen vor rund 24 Monaten für Schlagzeilen. Nach dem Weggang von Matthias Sammer verblasste sein Stern immer mehr. Wollte im Sommer gerne nach Stuttgart wechseln, doch da sein Entdecker dort seinen Trainerstuhl räumen musste, bleibt ihm derzeit nur die harte Reservebank im Revier.
Mit der müssen sich immer mehr Markus Brzenska sowie Marc-André Kruska anfreunden. Leonardo Dede verriet, dass er dem wendigen Mittelfeldspieler mehrfach Trost zu kommen ließ, da ihm zunächst Nuri Sahin, der bisher letzte Youngster, auf dem die schwarz-gelben Hoffnungen liegen, den Rang abgelaufen hat. Von Sascha Rammel, der im Wintertrainingslager vor eineinhalb Jahren gefeiert wurde, spricht dagegen kaum noch jemand.