Alexander Baumjohann erlebt derzeit ein Wechselbad der Gefühle. Als das Mittelfeld-Talent am Freitag in Ahlen sein Comeback nach fünfjähriger Abwesenheit in einer Junioren-Auswahl des DFB beurteilen sollte, verschlug es ihm fast die Sprache. "Was soll ich dazu sagen?", meinte er mit leerem Blick und wiederholte dies selbst auf die dritte Nachfrage gebetsmühlenartig. Trainer Horst Hrubesch nahm dem 22 Jahre alten Ausnahme-Talent die Wertung ab. "So wie alle anderen" habe der U21-Debütant gespielt - nach der höchsten Niederlage der U21-Geschichte (0:4 gegen die B-Mannschaft der Niederlande) ein deutliches Urteil.
Im Anschluss nahm sich Hrubesch den Spielmacher zur Brust und versicherte vor der EM-Generalprobe am Dienstag gegen Weißrussland: "Er hat verstanden. Ich bin sicher, wir werden einen anderen Baumi sehen." Den sahen die Fans von Borussia Mönchengladbach in dieser Saison meist in der Bundesliga. Ein 70-Meter-Solo zum Tor des Monats August 2008 gegen Werder Bremen (3:2), wunderschöne Weitschuss-Treffer gegen 1899 Hoffenheim (1:1) und Hannover 96 (3:2) und gute Leistungen brachten ihm einen Vertrag bei Rekordmeister Bayern München ab Sommer ein.
Erkennt eine Weiterentwicklung bei Baumjohann: U21-Trainer Horst Hrubesch (Foto: firo).
Gemeinsam mit den Stürmern Grafite (VfL Wolfsburg) und Andrej Voronin (Hertha BSC Berlin) steht er als Spieler des Monats März zur Wahl. Und schließlich sah auch Hrubesch eine Nominierung für die letzten beiden Tests der U21 vor der EM in Schweden (15. bis 29. Juni) als "logisch" an. Ausgerechnet Hrubesch, der Baumjohann zu gemeinsamen U17-Zeiten in Absprache mit dessen damaligem Klub Schalke 04 nicht mehr einlud. "An den fußballerischen Möglichkeiten hat es bei ihm nie gelegen. Entscheidend ist, wie man mit seinem Talent umgeht, und das hat er lange schlecht gemacht", sagte der Europameister von 1980.
Schalke-Manager Rudi Assauer sah in Baumjohann damals "den nächsten Ballack". Der Hochgelobte glaubte ihm offenbar vorschnell. Nun äußert Hrubesch die Hoffnung, dass er "reifer geworden ist und sich in dieser Hinsicht geändert hat". Vor der Partie gegen die Niederländer zeigte sich der 22-Jährige denn auch voll motiviert und wollte die Chance, noch auf den EM-Zug aufzuspringen "unbedingt nutzen".
Sah in Baumhjohann einst den "nächsten Ballack": Ex-Schalke-Präsident Rudi Assauer (Foto: firo).
Am Freitag lief dann alles gegen ihn. In einer verunsicherten Mannschaft ging Baumjohann auf ungewohnter Position als hängender Stürmer unter, konnte dem Spiel keinerlei Impulse geben. Dies wog umso schwerer, da in seinem Klubkollegen Marko Marin, Mesut Özil (Werder Bremen) und Toni Kroos (Bayer Leverkusen) noch zahlreiche offensive Mittelfeldspieler fehlten, die bessere Aussichten um einen Platz im Kader haben. Alle vier zusammen werden wohl nicht in Schweden dabei sein, denn Hrubesch stellte schon unmissverständlich klar, "dass wir nicht nur offensiv denken können und auch nicht nur Individualisten mitnehmen können".
Deshalb brauchte der Gladbacher am Dienstag eine überragende Leistung, um seine Chancen zu wahren. Denn eigentlich wollte Baumjohann die EM nutzen, "um noch selbstbewusster im Sommer nach München wechseln zu können". Der Wechsel wurde kritisch beäugt, doch Baumjohanns Vorbild ist Hamit Altintop. Auch ihm wurde prophezeit, es in München nicht zu schaffen, doch der Türke setzte sich durch. Und eines haben die beiden schon mal gemeinsam: Beide wurden Bayern-Manager Uli Hoeneß von Ex-Coach Jupp Heynckes wärmstens ans Herz gelegt und veranlassten Hoeneß "es mal zu versuchen".