Die Mindestanforderung hatte Borussia Dortmund erfüllt, ein anderes Gesicht gezeigt am Ende einer desaströsen Woche. Ein leidenschaftlicher Auftritt, ein 1:1 gegen den Tabellendritten Union Berlin – damit ließ sich gut leben.
Aber der Samstagnachmittag hatte eben in der 79. Minute noch eine Wendung parat, mit der im Dortmunder Stadion so kaum mehr jemand gerechnet hatte, weil die Partie mehr und mehr im Mittelfeld ablief. Paul Seguin spielte einen Pass Richtung eigenes Tor, der ihm völlig misslang. Und der eingewechselte Youssoufa Moukoko erkannte das früh, erlief sich den Ball, umkurvte Torwart Frederik Rönnow – und ließ seinen Gefühlen freien Lauf. Der 2:1 (1:0)-Sieg war eine Duftmarke zum richtigen Zeitpunkt. Der BVB bleibt an Spitzenreiter Bayern München dran – und die Gäste aus der Hauptstadt auf Distanz im Ringen um die Champions-League-Plätze.
Für die erste Überraschung sorgte Trainer Edin Terzic schon eine Stunde vor Anpfiff. Als der Klub in den sozialen Netzwerken seine Aufstellung verbreitete, fehlte darauf Marco Reus. Dortmunds Kapitän, der in München (2:4) und Leipzig (0:2) zwei ganz schwache Auftritte zeigte, saß zunächst auf der Bank. Ein Denkzettel? Terzic reagierte am TV-Mikrofon diplomatisch. „Wir mussten harte Entscheidungen treffen, aber wir haben uns für jemanden und nicht gegen jemanden entschieden“, sagte der 40-Jährige.
Für wen er sich entschieden hat, war Karim Adeyemi. Der Temprodribbler begann nach Gelb-Sperre im Pokal von Anfang an. Neu in der Startelf waren zudem Jude Bellingham (in Leipzig ohne Kraft für 90 Minuten) und Sebastien Haller (zuletzt nach Schlag auf das Knie ausgefallen) für Salih Özcan und Marius Wolf, der erkrankt fehlte.
Der BVB begann nervös, er hatte ja innerhalb weniger Tage zweimal auf ganzer Ebene enttäuscht und dabei „von allen Seiten auf die Fresse gekriegt – berechtigterweise“, wie Terzic einräumte. Erst nach 16 Minuten kam der Vizemeister zur ersten Chance, als Adeyemi in den Strafraum eindrang, aber bei Unions Verteidiger Paul Jaeckel einhakte – Gelb wegen Schwalbe.
Die nächste Offensivaktion aber saß. Dortmund verlagerte mit wenigen Pässen das Spiel von rechts nach links, wo Raphael Guerreiro viel zu viel Raum hatte. Der Portugiese gab eine scharfe Flanke in den Strafraum, wo Donyell Malen seinem Bewacher Niko Gießelmann entwischt war – 1:0 (28.). Ein Treffer, der dem BVB merklich guttat. Eine große Last war da abgefallen. Ersatzkapitän Mats Hummels grätschte, Julian Ryerson danach gleich nochmal – Szenenapplaus der Fans, die zum Anpfiff auf der Südtribüne eine beeindruckende Choreographie zur Einweihung des Westfalenstadions im April 1974 zeigten. Fast wären die Dortmunder gar mit einer höheren Führung in die Kabine gegangen. Guerreiro streichelte den Ball in die Mitte, Haller scheiterte per Direktabnahme am Berliner Schlussmann Frederik Rönnow.
Nach der Pause wurde die Partie ausgeglichener, der Köpenicker Ausgleich war nicht unverdient. Vor allem, weil Dortmund kräftig mithalf. Niklas Süle ließ Kevin Behrens erst beim Kopfball gewähren, verlor ihn dann aus den Augen. Sheraldo Becker fand Behrens wieder – der schob trocken rechts unten ein (61.). Aber das 1:1 warf den BVB nicht um. Der dahin unauffällige Julian Brandt zog ab, doch Jaeckel warf sich dazwischen.
Die letzte Durchschlagskraft allerdings fehlte. Terzic brachte nach 73 Minuten Reus und Youssoufa Moukoko für Haller und Malen. Es war das goldene Händchen des Trainers.