Skandalöse Äußerungen von Clemens Tönnies, rechtsradikale Fans in Chemnitz und rassistische Vorfälle in England und Bulgarien - das Thema Rassismus war im Fußballjahr 2019 allgegenwärtig. Und das, trotz aller Bemühungen der Vereine und Verbände, die immer wieder für Vielfalt, Offenheit und Toleranz werben. Die Konsequenzen für das Fehlverhalten? Mitunter harmlos.
Für Tönnies waren seine abfälligen Aussagen über Afrikaner nach dem Ende seiner selbstverordneten Auszeit nahezu vergessen. Vergnügt verfolgte der Aufsichtsratschef Ende November nur wenige Monate nach seiner rassistischen Entgleisung den Sieg seiner Schalker gegen Union Berlin vom angestammten Platz auf der VIP-Tribüne, anschließend feierte er mit den Spielern in der Kabine. Und die verbalen Ausfälle? Nur noch eine Randnotiz.
„Ein wohlhabender Mann wie Herr Tönnies, der eine Machtfülle hat, haut so einen Spruch raus. Und kommt dann irgendwann wieder und die Sache ist gegessen. Das ist eine Frechheit“, sagte Ex-Profi Pablo Thiam im Deutschlandfunk.
Neben Tönnies' Verhalten lösten auch die Vorfälle beim Chemnitzer FC leidenschaftliche Diskussionen aus. In der Premier League mussten sich dazu Topstars wie Pierre-Emerick Aubameyang oder Raheem Sterling wegen ihrer Hautfarbe gegen Beschimpfungen von der Tribüne wehren. Das EM-Qualifikationsspiel zwischen Bulgarien und England stand aufgrund rassistischer Gesänge und Hitlergrüßen bulgarischer Fans gar vor dem Abbruch.
Aber wo liegen die Gründe für die zahlreichen Vorfälle? Rassismus-Experte Jürgen Mittag bemüht den Vergleich mit einer Welle. Man habe sich „die letzten drei, vier Jahre in einer etwas verhalteneren Phase“ befunden, nun scheine es allerdings so, „dass es etwas stärker wieder aufschäumt.“ Der Professor der Deutschen Sporthochschule Köln beobachtet „eine sehr starke Mobilisierung der Gesellschaft im Sinne von Emotionalisierung und der Fußball ist ein Spiegel der gesellschaftlichen Gesamtentwicklung.“
Tönnies hatte am 1. August in einer Rede die Finanzierung von Kraftwerken in Afrika empfohlen und sagte: „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn“s dunkel ist, Kinder zu produzieren.„ Der Aufschrei war groß, der Schalker Ehrenrat erklärte allerdings, dass der erhobene Vorwurf des Rassismus “unbegründet„ sei. Tönnies entschuldigte sich, verschwand für drei Monate und kehrte zurück.
Den insolventen Chemnitzer FC erschütterten gleich mehrere Skandale. Auf der Südtribune des Stadions war im März ein verstorbener, mutmaßlich rechtsradikaler CFC-Fan vor einem Punktspiel geehrt worden. Im August dann der nächste Eklat: Im Auswärtsspiel bei Bayern München II stimmten Teile der Chemnitzer Fans rassistische und teils antisemitische Sprechchöre an.
„Die Sportverbände sind sich des Problems durchaus bewusst und haben dementsprechend aktiv agiert“, sagte Mittag dem SID. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) forderte mehr Unterstützung aus der Politik und setze im Fall Chemnitz einen Anti-Rassismus-Beauftragten ein, dazu wurden Fachtagungen organisiert - eine Wirkung zeigte sich bislang allerdings kaum.
Gerade in den europäischen Top-Ligen offenbarten sich die Probleme. Neben Aubameyang und Sterling wurden auch Romelu Lukaku und Paul Pogba zu Opfern. „Die Beleidigungen machen mich nur stärker und motivieren mich, für die nächste Generation zu kämpfen“, sagte der französische Weltmeister Pogba. Und der englische BVB-Jungstar Jadon Sancho forderte: „Es muss aufhören. Niemand will Fußball spielen und dabei derart beleidigt werden.“
Als Vorreiter im Kampf gegen Rassismus präsentierte sich Nationalspieler Leon Goretzka. „Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets. Da antwortet man auf die Frage nach der Nationalität mit Schalke, Dortmund oder Bochum“, sagte der Bayern-Star, der zuletzt immer wieder klare Kante gezeigt hatte. Man könne nicht stolz darauf sein, „dass es wenig Rassismus gibt“, sagte Goretzka den Zeitungen der Funke Mediengruppe, „das Ziel muss sein: kein Rassismus.“ sid